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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.6491#0010
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Rockes die gekreuzte Schrägstellung der Beine — eine Folge des niedrigen Sitzes — klarzumachen wissen. Die Form-
bildung der Mutter und des Kindes noch recht primitiv, doch die Bewegung voll Anmut und der Stimmungsgehalt reich.
Die Art des Sitzens und der Beinstellung hat Leonardo in zwei Kompositionsversuchen zur Madonna del gatto wieder-
holt: das schläfrige Kind in der Bewegungslosigkeit des befriedigten Sattseins überließ er seiner Schule. Eine solche
Situation auszuführen, lag seiner Feuerseele nicht, auch wenn er sie sich flüchtig notieren mochte.

Diese Studie stand jedenfalls früher auf dem Papier, ist ganz aus dem Geist desVerrocchioschülers, des Plastikers heraus,
älter als die übrigen Entwürfe. Nicht auf diese junge Mutter bezieht sich die Zeile, die Leonardo mit Silberstift von rechts
nach links auf unser Skizzenblatt geschrieben hat. Da lesen wir: vna bonda dj 16 annj, eine Blonde von sechzehn Jahren.
Ohne Zweifel hielt er damals Umschau nach einem Urbild für seine Epiphaniasmadonna, und wenn man sich den holden
Typus ins Gedächtnis ruft, den er in jenen Jahren immer wieder zeichnete, für die Madonna del gatto, für die Entwürfe
zur Anbetung des Kindes und dann, veredelt, idealisiert, in der heiligen Jungfrau des Dreikönigsbildes hinmalt, die Schöne
mit den schwarzen großen Augen und den hellen Locken, immer die gleiche (bis er nach Mailand kam und dort ein
neues Ideal für seine Grottenmadonna fand), so hat man das sichere Gefühl, es war jene bionda di 16 anni, von der uns
das Louvreblatt Kunde bringt. Marie Herzfild.

Nachtrag zu den Musikinstrumenten, die Leonardo auf folio 137 v. des Arundelkodex zeichnete: Eine mittels
Kurbel drehbare Scheibe mit vier Stiften, in der runden Vertiefung eines Rades, das aus Pfeifen verschiedener Länge
besteht. Die Reihenfolge der Pfeifen wiederholt sich in gleicher Ordnung viermal, und die vier Stifte oder »Zähne«, wie
Leonardo sagt, deren jeder »das Amt eines Sängers« ausübt, dienen im Vorüberstreifen an der Pfeifenöffnung der Bildung
des Tones. Leonardo will, daß sein Instrument einen vierstimmigen Kanon ausführe, und es ist gar nicht unmöglich, daß
er diesem Kanon das neben dem Instrument aufgeschriebene Musikmotiv zugrunde legen wollte. M. H.

Kinige unbeachtete Zeichnungen großer Meister in öffentlichen Sammlungen.

Eine Zeichnung Fra Bartolommeos im Kupferstichkabinett zu Dresden.

Abb. 1. Fra Bartolommeo, Kompositionsstudie (Kreide). Dresden.

geschriebene Zeile zu identifizieren vermag, wenn man
einen langen Brief derselben Handschrift zum Vergleiche
heranziehen kann, so muß man ein Blatt nur mit dem
riesigen Oeuvre von Zeichnungen des Frate vergleichen,
um zu entscheiden, ob der erste Eindruck richtig war,
der es auf Fra Bartolommeo bestimmte. Der Vergleich
nur mit einigen gesicherten Blättern zeigt die unver-
kennbare Handschrift des Künstlers. Die Strichführung,
der Druck, der auf die zeichnende Kreide ausgeübt wird:
die Eilinien, die die Köpfe bilden, und die Querstriche,
die Stirne, Augen, Nasenlöcher ergeben; das etwas
breite Oval der Kopfform, die Proportionierung von
Haupt, Hals und Rumpf; die Hände, die sich ent-
weder in Finger, durch kurze Linienstücke markiert,
verlieren oder einen Gesamtumriß zeigen, als ob sie
Fausthandschuhe trügen — alle diese charakteristischen

Unter den anonymen Zeichnungen der Kupfer-
stichsammlung im Zwinger findet sich ein Studienblatt
für eine Komposition mit vier Figuren, einem Soldaten,
zwei jungen männlichen Figuren und einer weiblichen
Gestalt, das zur Übertragung auf Karton oder Lein-
wand quadriert wurde (Nr. 702; Kreide; 206 X 109 mm,
Abb. 1). Der Eindruck der Zeichnung scheint mir keinen
Zweifel an der Autorschaft des Blattes übrig zu lassen;
es ist von der Hand des Fra Bartolommeo. Wie man eine

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