Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6491#0046
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER j»GRAPHISCHEN KÜNSTE-..

1928. WIEN. Nr. 4.

Studien und Forschungen.

Die Einblattdrucke des Klosters Strahow in Prap-,

o

Das Prämonstratenserstift Strahow, dessen Gemäldegalerie dank Dürers Rosenkranztafel zu kunstgeschichtlichem
Weltruhm gelangt ist, behütet mit den mannigfachen Schätzen seiner bedeutenden Bibliothek1 eine kleine Anzahl von
Inkunabel-Formschnitten, die schon aus Gründen ihrer buchkünstlerischen Verwendung von altersher ein mehr oder
minder verborgenes Dasein führen. Die Standorte der betreffenden Blätter verteilen sich auf zwei Handschriften, die unter
den zu einer ständigen Cimelien-Ausstellung vereinigten Codices durch die jeweils gezeigten Einklebungen die Aufmerk-
samkeit des Unterzeichneten erregt hatten, und einen Wiegendruck, den ihm im Zuge seiner weiteren Nach-
forschungen ein entgegenkommender Hinweis der Bibliotheksverwaltung vor Augen brachte; für die freundlichst
gewährte Erlaubnis zu ihrer erstmaligen Veröffentlichung sind die Redaktion dieser »Mitteilungen« und der Verfasser
des vorliegenden Aufsatzes dem hw. Herrn Stiftsbibliothekar P. Cyril Straka (f), für die liebenswürdige Besorgung
der photographischen Aufnahmen Herrn Dr. Rudolf Hönigschmid vom tschechoslowakischen Staatsdenkmalamte zu
außerordentlichem Danke verpflichtet. Insofern in sämtlichen Fällen unbeschriebene Unika ans Licht gezogen werden,
bedarf deren eingehende Erörterung keiner besonderen Rechtfertigung; ein Gleiches gilt für den Wechsel von Gruppen-
und Einzelbetrachtung, wie er sich nun einmal den Überlieferungsverhältnissen der einschlägigen Forschungsobjekte
zumeist mit innerer Zwangsläufigkeit anschmiegt.

I.

Die drei ältesten und wichtigsten Fundstücke — eine »Verkündigung Mariä« (Abb. 1), ein »Marientod« (Abb. 2)
und ein »Schmerzensmann« (Abb. 3) — dienen der bildlichen Bereicherung eines handschriftlichen Erbauungsbuches,
das neben der heute gebräuchlichen Signatur D D V 25 noch den älteren Platzvermerk »M S T großer Kasten N. 85«
aufweist; da sich im Einklang mit dem einheitlichen Bestimmungszweck eine immanente Zusammengehörigkeit der
graphischen Einklebungen herausstellt, empfiehlt sich deren gemeinschaftliche Untersuchung, die naturgemäß von der
Beschaffenheit des sie alle beherbergenden Codex ihren Ausgang zu nehmen hat.2 Es handelt sich um ein von zwei
dicken Holztafeln mit stark abgeschabtem Pergamentüberzug umhülltes, in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts von
zwei verschiedenen Händen in deutscher Sprache verfaßtes Papiermanuskript, dessen dem Geiste religiöser Mystik
zuneigender Inhalt — eine Mischung von Traktat, Predigt und Gebet — sich in den folgenden Incipit-Zeilen ankündigt:
»Dit boich is eyne gedechtnisse ons leven heren ihn xpi en(d) marien synre lever / joufferlicher moder des wir nimmer
en solen vergessen wir en solen en danckber syn end loven got . . .« Die Innenseite des vorderen Einbanddeckels trägt
ein hübsches, von dem Nürnberger Kupferstecher Georg Daniel Heumann um 1725 entworfenes Exlibris, das den
Durchblick durch einen geräumigen Bibliotheks-Saal zum Hauptgegenstande und den nachmaligen Präsidenten der

i Sie zählt (nach M. Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche 112, Paderborn 1907, S. 64) .80.000 Bände,
600 Inkunabeln und 1200 Handschriften«. Eine sehr kursorische und vielfach verbesserungsbedürftige Obersicht der älteren Bestände gibt E. Weyrauch,
Geschichte und Beschreibung der künigl. Stift Strahüwer Bibliothek, Prag 1858.

S E. Weyrauch (a. a. O. B. 52) begnügt sich mit der nachstehenden, die Einklebungen gänzlich verschweigenden Beschreibung, deren an sich
ungenaue Titelkopie die erst im XVIII. Jahrhundert auf dem .Spiegel« des Vorderdeckels angebrachte, gegenüber dem Wortlaut des Textes sprachlich
veränderte Inhaltsangabe wiederholt: .Gedachtnus ons lieven (richtig: leven) Hern Jesu Christi, en Marien seyner Heven jongfraulichen (richtig:
joufferliev) moder. In 8 auf Pergament und zuletzt auf Papier aus dem XIV. Jahrhundert. (G. K. 85)«.

41
 
Annotationen