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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.6491#0011
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Abb. 2. Andrea del Sarto. Studie (Kreide u. Rötel).München.

Eigenheiten finden w ir, wie auf dem vorgelegten Blatt, auf vielen von Fra
Bartolommeos gesicherten Zeichnungen. Als Beispiele seien einige Blätter
angeführt: die männliche Gewandfigur in den Ufflzien (Gabelentz »Fra
Bartolommeo«, Nr.98) für die »Verlobung der heiligen Katharina- von 1512;
die Madonna mit segnendem Kind (Gabelentz Nr. 160) gleichfalls in den
Ufflzien, Studie für das Bild in Besancon, 1511/12 entstanden; eine Studie
der Madonna mit Kind im Louvre (abgebildet Venturi, Storia dell'Arte
Ital. IX. 1, Fig. 226) holt verwandte malerische Wirkungen mit der weichen
breitstreichenden Kreide aus dunklem Hintergrund; durch die Lebendigkeit
der Bewegung ähnelt das Studienblatt zur »Entführung der Dina« in Wien1
um 1515, gleichfalls in den Ufflzien (Gabelentz Nr. 143), unserem Blatt;
auch die Federzeichnung der Ufflzien zur »Misericordia« in Lucca von 1515
(Gabelentz 138) zeigt trotz der Verschiedenheit der Zeichenmittel die
gleiche Strichführung und Formengebung.

Es läßt sich vorstellen, daß die vorliegende Zeichnung für eine
ähnliche Gruppe von Zuschauern gedacht war, wie sie auf der »Misericordia«
in Lucca die Lehne des Thrones der Madonna umrahmen, ja vielleicht war
sie sogar für dieses Altargemälde bestimmt und wurde später verworfen.
Es ist außer Zweifel, daß auch ein noch so flüchtiges, später verworfenes
Studienblatt, das vier Figuren in eine, wenn auch uns unklare, aber fest
bestimmte Verbindung bringt, in Gedanken an eine Komposition entstanden
sein muß, um so mehr als die Quadrierung beweist, daß die Einordnung
in ein größeres Ganzes beabsichtigt wurde.
Außer an einen Zusammenhang mit der »Misericordia« könnte bei der Zeichnung auch an einen Entwurf für die
Zuschauergruppe einer Handlung gedacht werden, die im Hintergrund von einer Balustrade oder aus einem Fenster
heraus den Vorgängen folgt. Zahlreiche ähnliche Gruppen finden sich auf dem eben erwähnten Gemälde der Wiener
Galerie; doch könnten die vier Gestalten unserer Zeichnung auch auf eine heilige Aktion herabblickend gedacht sein,
etwa wie auf Andrea del Sartos »Verkündigung« im Palazzo Pitti drei Gestalten auf dem Balkon stehen und vorgeneigt
die Erscheinung des Engels betrachten.

Eine Zeichnung Andrea del Sartos in der graphischen Sammlung zu München.

In den beiden Klebebänden, die im Kupferstichkabinett zu München als Palma Giovine geführt werden (Nr. 412
I und II), fanden sich außer einer reichlichen Sammlung von Zeichnungen ihres Heros Eponymos auch zahlreiche Blätter
anderer Meister. Besprechungen verschiedener Zeichnungen aus diesen Sammelbänden erfolgen an anderer Stelle, hier
sei zunächst eine vereinzelte Zeichnung Andrea del Sartos (Abb. 2) vorgelegt. Das Blatt, vermutlich beschnitten, bevor
es in den Münchner Band eingeklebt wurde, mißt jetzt 99 X 70 mm und ist mit schwarzer Zeichenkreide ausgeführt,
unter der schwache Rötelspuren sichtbar werden. Es zeigt einen jungen Mann, die rechte Hand an die Stirn erhoben, den
Blick ausdrucksvoll nach rechts gerichtet, entsprechend der leichten Neigung des Hauptes, die von links nach rechts führt.
Schon der Gegenstand der Zeichnung führt zu gesicherten Entwürfen Andreas, die mir in jeder Weise zu bestätigen
scheinen, was die intuitive Betrachtung als Bestimmung ergab. Die Studie für den Schergen (Uffizien 659) der »Gefangen-
nahme des Johannes« im Scalzo zeigt das Pathetische im Blick, denselben Ausdruck in der leichten Neigung des Kopfes
wie der Jüngling unserer Skizze; die drei Entwürfe für das Porträt eines Bildhauers in Berlin, gleichfalls in den Uffizien
(Nr. 661 und 301 A, B, Vorder- und Rückseite) sind technisch, kompositionell und künstlerisch mit der Münchner
Zeichnung so verwandt, daß man diese — fehlte nicht der auf allen Entwürfen vorhandene Hut — für einen andern, ersten
Gedanken zu dem Porträt halten könnte, um so mehr als eine eigentliche Ähnlichkeit des ausgeführten Werkes doch
nur mit dem letzten Entwurf (Nr. 301 B, Rückseite) besteht. (Die drei Entwürfe sind abgebildet bei Di Pietro »I Disegni
di Andrea del Sarto negli Uffizi«, Siena, 1910.) — Diese Zusammenhänge lassen auch die ungefähre Entstehungszeit der
Zeichnung festsetzen; die »Gefangennahme des Johannes« im Scalzo entstand zwischen 1516—1517, die Vorbereitungen
für das Berliner Porträt fallen in die Jahre 1517 und 1518.

Eine Zeichnung von Lorenzo Lotto in der Ecole des Beaux-Arts in Paris.

Die hier vorgelegte Zeichnung (Feder; 144X188 »»im; Abb. 3) trägt die traditionelle Benennung Tizian, die jedoch
schon von M. Lavallee, dem Behüter der Zeichnungssamnilung in der Ecole des Beaux-Arts mir gegenüber mündlich
abgelehnt wurde. Sie ist in Technik und Auffassung Tizian gewiß sehr nahe, so nahe wie ihm die Werke der Künstler eben

i Nr. 36 der Wiener Galerie als Bugiardini; nach Vasari von Fra Bartolommeo begonnen und von Bugiardini beendet; Gabelentz nimmt das
Bild ohne Einschränkung für Fra Bartolommeo in Anspruch.

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