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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.6491#0012
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Abb. 13. Lorenzo Lotto, Maria mit dem Kinde, von Engelchen umgeben (Feder). Paris, Ecole des Beaux-Arts.

stehen, denen er Lehrer, Vorbild und Anreger war. Breite entschlossene Federstriche zeichnen ohne kalligraphische
Bedenken die Formen, geben die plastische Gestaltung und die Tiefendimension. Die Madonna sitzt in natürlicher Haltung,
das Haupt nach links gewendet, während der Körper leicht nach rechts orientiert ist, ein Mantelbausch ist auf beiden Seiten
angedeutet, rechts umfaßt er die Gestalt des Kindes und das ausgestreckte Bein der Mutter, so daß diese Seite blockartig
zusammengefaßt ist, links dient er zur Auswiegung der Komposition. Unabgelenkt von Farben, Ausführung und
Dimensionierung, verrät die Zeichnung klar, was der Künstler wollte: durch Breite und Gleichmäßigkeit der Anordnung
sollte eine monumentale Wirkung erreicht werden, auch die annähernd parallel geordneten Gruppen von fliegenden
Putten verstärken diesen Eindruck, indem sie der Pyramide eine breitere Basis geben. Weder der Typus der Madonna
noch dieser Kompositionsgedanke sind tizianisch, aus keinem seiner Entwürfe oder Bilder spricht soviel abstrakt-
akademische Überlegung, aber bei Lotto, diesem feinen Künstler, mit großer, etwas sprunghafter Entwicklung in langer
Laufbahn, ist dergleichen wohl möglich. In Lottos Bildern braust kein Riesentemperament, von den bellinesken Altären und
unterlebensgroßen feinen, sorgsam-zart ausgeführten Porträten der Frühzeit führt der Weg zu großen, wohltemperierten
Kirchenbildern, deren Besonderheit in der dramatischen Gestaltung der Einzelfigur besteht, und zu den bedeutenden,
breit angelegten Bildnissen der Spätzeit. In Bergamo finden sich zwei Hochaltarbilder — das erstere in S. Bartolommeo,
1511 >, das zweite in S. Bernardino, 1521 datiert — auf denen die Anordnung von Madi inna und Kind und die Darstellung
der lebhaften Bewegung der fliegenden Putten mit emporgeworfenen Beinen stilistisch mit der vorgelegten Zeichnung der
Ecole desBeaux Arts die größte Verwandtschaft zeigen. DerMantelbausch um die Madonna spielt auch auf diesen Tafeln mit,
um die Komposition der Gruppe zu beleben und ihrer Erscheinung einen neuartigen Umriß zu geben. Es scheint mir gut vor-
stellbar, daß unsere Zeichnung ein erster Entwurf für einen derartigen Bildgedanken ist und dadurch die Absicht des Künstlers,
das Konstruktive seiner Komposition auch deutlicher wird. Damit wäre außer der Zuschreibung an Lotto auch eine
ungefähre Datierung des Blattes gegeben, seine »Bergamaskische Periode« (1518—1528) nach Berensons Schlagwort.

Einen Beweis für Lotto auf Grund der Zeichnungstechnik oder Strichführung erbringen zu wollen, erschiene mir
auf jeden Fall verfehlt. Die wenigen Zeichnungen, die bisher Lotto zugeteilt werden konnten (vier von Hadeln in seinen

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