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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.6491#0016
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die wenigen sicheren Erzeugnisse der Werz'schen
Anstalt, der zweiten lithographischen Druckerei
Italiens, erweitert werden. Die Lithographie, von
der sich weder ein zweites Exemplar noch auch
eine Erwähnung in der Literatur nachweisen ließ
und die wohl Unicum sein dürfte, zeigt alle charak-
teristischen Merkmale der Mailänder Inkunabeln,
vor allem den Druck in Farben. So wie Longhis
Mädchenbildnis1, das ebenfalls in der Sammlung
vorkommt, und die Lithographien Appianis ist auch
dieses Blatt in Sepia gedruckt. Aber außer diesem
Druck in Farben, der in anderen Anstalten der
frühen Zeit nur selten und gelegentlich angewendet
wurde, weist auch die Darstellung auf Mailand und
die Hand des reproduzierenden Graphikers. Longhi
hat ebenso wie bei seiner Madonna und ebenso
wie Appiani auch diesmal ein fremdes Vorbild für
diesen Versuch verwendet: er kopierte lithogra-
phisch das Selbstbildnis Befnardino Luinis in der
Wallfahrtskirche von Saronnobei Mailand'-. Longhi
isolierte die Figur, begrenzte den Ausschnitt oval
und zeichnete die Gestalt im Sinne des Freskos auf
den Stein. Einige Veränderungen, die Longhi vor-
nahm, namentlich die Weglassung der Hand mit dem
Buch, waren durch die neue Fassung des Bildaus-
schnittes bedingt. Im lithographischen Charakter
bedeutet das Blatt die fortgeschrittenste Leistung
Longhis: die Nachahmung und Vortäuschung einer
der Lithographie wesensfremden Stichwirkung, die
besonders die Madonna3, aber auch noch das Mäd-
chenbildnis namentlich in den Kreuzlagen des
Hintergrundes und der Schatten anstrebt, sind dem reinen Kreidecharakter gewichen. Der Druck ist, wohl durch
ungenügende Atzung des Steines, noch unregelmäßig und läßt stellenweise ganz aus, ist aber keineswegs mißlungen.

Durch Longhis Luini-Bildnis erfahren die spärlichen Zeugnisse der ersten Mailänder Druckerei einen kleinen Zuwachs.
Aber er bereichert kaum wesentlich das Bild der italienischen Frühlithographie, in der sich das Schicksal der italienischen
Kunst gleichsam im Kleinen widerspiegelt: Italien überliefert im 19. Jahrhundert seine dominierende Stellung dem
Norden, der am Beginne des Jahrhunderts aus dem unermeßlichen Reichtum seiner Vergangenheit wieder neue Kräfte
und neues Leben schöpft. Auch die kostbarsten Dokumente der italienischen Frühlithographie sind nicht mehr die Werke
heimischer Künstler. Es sind die Versuche des »Deutschrömers« Koch und des »Franzosenrömers« Ingres, die in Dal-
l'Armis Anstalt in Rom entstanden1. Heinrich Schwarz.

Giuseppe Longhi, Bildnis Bernardino Luinis. Lithographie (24 : 19). Um lg

1 Heinrich Schwarz a. a. O. Abb. S. 41, Verzeichnis Nr.
;i Heinrich Schwarz a. a. O. Abb. S. 40, Verzeichnis Nr. 1. —
1926. S. 74 ff.

. — 2 G. C. Williamson, Bernardino Luini. London, 189t). Abb. nach S. 46 u. S. 133. —
Heinrich Schwarz, Die Lithographien J. A. D. Ingres". Mitt. d. Ges. f. vervielf. Kunst,

Besprechungen neuer Erscheinungen.

DREI DÜRER-WERKE.

1. The Masters of Engraving and Etching: Albrecht
Dürer by Campbell Dodgson. London and Boston
1926, The Medici Society.

2. Albrecht Dürer. Sämtliche Holzschnitte
herausgegeben von Willi Kurth, mit einem Geleit-
wort von Campbell Dodgson. München (1927), Hol-
bein-Verlag.

3. Heinrich Röttinger, Dürers Doppelgänger.
Mit 95 Abbildungen auf 74 Tafeln. Studien zur deutschen
Kunstgeschichte. Heft 235. Straßburg 1926, J. H. Ed. Heitz.

Die vierhundertste Wiederkehr von Albrecht Dürers Todestag am
6. April 1928 wird eine Flut von Dürer-Literatur mit sich bringen. Flinkes
Ausnutzen der »Konjunktur«, entsagungsvolle, gediegene Forscherarbeit.
Gelehrteneitelkeit und harmloses Sich-wichtig-machen werden gleicher-
weise auf den Plan treten, manchmal vielleicht sogar Hand in Hand.

Von den drei hier zu besprechenden Werken ist das dritte, ab-
gesehen davon, daß es bereits im Jahre 1922 in allem Wesentlichen

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