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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.6491#0029
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Abb. 2. Albrecht Purer, Entwürfe für einen hl. Christophortis.

Federzeichnung im Berliner Kupferstichkabinett.

hat, der sich nicht aul" Schmausereien — er wurde von Meister Joachim auch zu seiner Hochzeit gebeten — beschränkte,
sondern vor allem gegenseitige Hilfeleistungen künstlerischer Art mit sich brachte. So hat Patinier Dürer seinen Gesellen
und seine Karben geliehen; der große Nürnberger Meister muß also die Palette des niederländischen Landschaftsmalers
als der eigenen verwandt empfunden haben. Daß er die Kunst Patiniers geschätzt hat, dafür gibt auch der Umstand
Zeugnis, daß ihm ein kleines Täfelein des Meisters mit Loth und seinen Töchtern verehrt wurde. Dürer hat dem
Niederländer eigene graphische Kunstblätter und das Holzschnittwerk Hans Baidungs geschenkt, ein Beweis, daß
Patinier sich lebhaft auch für die Kunst des Straßburger Meisters interessiert haben mag. Darüber hinaus aber hat Dürer
zweimal für Patinier Zeichnungen geschaffen und sie ihm überlassen. Das erstemal nennt er den Gegenstand nicht und
spricht nur von einer Zeichnung mit halben Farben, worunter wohl nur ein angelegtes, nicht durchgeführtes Aquarell
zu verstehen ist, das zweitemal schreibt er, er habe dem Meister Joachim vier kleine hl. Christophe auf grauem Papier
aufgehöht. Die Annahme liegt also nahe, daß Patinier die Technik seines Christophorusblattes Dürer nachgebildet habe.
Nun besitzt das Berliner Kabinett eine 1521 datierte Federzeichnung Dürers (Abb. 2), auf der neun Studien zu einem
hl. Christophorus zu sehen sind. Friedländer (Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen XXXII, S. 85 ff.) hat, wie ich
glaube, mit Recht das Blatt als Vorstudie für die im Tagebuch erwähnte Helldunkelzeichnung angesehen. Es sind die
ersten genialen Skizzen aus Dürers reicher Phantasie. Dann erst mag er vier genauer durchgezeichnet haben. Wie eine
Variante der ersten Figur der Berliner Zeichnung in der linken oberen Ecke mutet nun die Christophorusgestalt der
Pariser Zeichnung an. Es ist klar, daß die vier kleinen Christophe zu dem Zweck für Patinier geschaffen wurden, damit
der Niederländer sich der Erfindung zur Staffage eines Gemäldes bediene. Ob es im Dürerischen Stile ausgeführt wurde,
wissen wir nicht. Daß es geplant war, davon scheint mir die Zeichnung im Louvre Zeugnis zu geben.

Zeichnungen, als freie in sich selbst beruhende Kunstwerke, die einen eigenen Gedanken mit Mitteln der Zeichnung
vollkommen bildmäßig ausführen und keinem anderen Zwecke dienen, scheint im Gegensatz zur oberdeutschen Kunst
die niederländische vom Anfang des 16. Jahrhunderts ebensowenig gekannt zu haben wie die italienische. Es ist also
kaum anzunehmen, daß Patiniers vollkommen bildmäßige Zeichnung im Louvre Selbstzweck war. Im allgemeinen werden
derlei durchgeführte Blätter — man denke nur an die stilistisch und technisch verwandten Werke van Orleys — als
Entwürfe für Tapisserien oder Glasfenster, also als Anhaltspunkte zur Ausführung des fertigen Kunstwerkes durch
fremde Hände geschaffen. Da dies aber bei einem Landschaftsgemälde nicht in Betracht kommt, müssen wir annehmen,
daß Patinier sich mittels einer durchgeführten Zeichnung erstRechenschaft geben wollte von der Wirkung der beabsichtigten
Komposition und dann erst an die Anlage des Gemäldes schritt. Auch dieser Punkt zeigt uns, wie sorgfältig dieser erste
Landschaftsmaler von Beruf seine Gemälde vorbereitete und wie Unrecht man tut, das Bild seiner Kunst durch die
Zuschreibung zahlreicher mittelmäßiger und schematischer Nachahmungen zu verunklären. Ludwig Bahlaß.

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