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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.6491#0036
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Besprechungen neuer Erscheinungen.

ZWEI NEUE VERÖFFENTLICHUNGEN VON
KÜNSTLERBRIEFEN.

Künstlerbriefe über Kunst. Bekenntnisse von
Malern, Architekten und Bildhauern aus fünf Jahrhunderten.
Herausgegeben von Hermann Uh de-Bern ays. Mit sech-
zig Selbstbildnissen und den Künstlerunterschriften. Dresden
1926, Wolfgang Jess.

Künstlerb ekenntnisse. Briefe, Tagebuchblätter,
Betrachtungen heutiger Künstler. Gesammelt und heraus-
gegeben von Paul Westheim. Berlin n.J., Propyläen-Verlag.

Es ist zweifellos sicher, daß zum Besten, was über Kunst geäußert
wurde, die Künstler selbst immer das weitaus meiste beigetragen haben.
Daher können Veröffentlichungen wie die beiden vorliegenden des stärksten
Interesses aller Kunstfreunde gewiß sein. Die erste ist viel umfangreicher,
und zwar nicht nur, was die Seitenzahl des Bandes, sondern auch was
die Anzahl der Briefschreiber und den behandelten Zeitraum betrifft. Sie
kam folgendermaßen zustande: Zuerst war lediglich eine Neuausgabe
von Ernst Guhls Künstlerbriefen beabsichtigt. Dabei wurde aber das Ver-
langen rege, diese Sammlung einerseits bis auf die Gegenwart weiterzu-
führen und anderseits die Dokumente nicht so sehr nach ihrer historischen
und biographischen Bedeutung als vielmehr nach ihrem ästhetisch-künst-
lerischen Inhalt auszuwählen. So wurden für die erste, das XV. und XVI.
Jahrhundert umfassende Abteilung fünf Sechstel der Guhlschen Briefe
ausgeschieden. Für das XVII. und XVIII. Jahrhundert war keine Vorarbeit
vorhanden. Hier wurde für Krankreich das Material aus den großen Kata-
logen französischer Autographensammler und aus den in der Münchner
Staatsbibliothek vollständig vorhandenen französischen Archivpublika-
tionen zusammengestellt. Für Deutschland halfen ebenfalls Autographen-
kataloge und überdies Goedekcs Grundriß,Thieme-Beckers Künstlerlexikon
und die verschiedenen Monographien. Für das XIX. Jahrhundert gaben
die bei Bruno Cassirer in Berlin erschienenen »Künstlerbriefe« eine Grund-
lage, auf der gut weiterzuarbeiten war. Hermann Popps »Maler-Ästhetik«
(Straßburg 1902) und Arreats "Psychologie du peintre« (Paris 1893) lieferten
wertvolle Hinweise. An Spezialforscher wurden mehrere hundert Anfragen
gerichtet. Bei der Schlußredaktion, die natürlich durch den vorgesehenen
Umfang des Bandes mitbestimmt wurde, blieben schließlich ungefähr 350
Briefe von 180 Künstlern übrig. Von einem besonders hervorragenden
Künstlerschriftsteller wurden naturgemäß mehrere Briefe abgedruckt, bei
einem minder bedeutenden mußte ein einziges Beispiel genügen.

Daß die österreichischen Künstler im Reiche draußen zu wenig
bekannt sind, ist eine bei uns in Wien längst bekannte Tatsache. In dem
Buche sucht man zum Beispiel vergeblich nach Briefen Rudolf Alts, Leo-
pold Karl Müllers und August Pettenkofens. Das sind drei hervorragende
österreichische Künstler, über die es ausführliche Veröffentlichungen gibt.
Gut, Alt und Pettenkofen waren keine besonderen Briefschreiber, bei Müller
ist aber gerade das Gegenteil der Fall, und in seinen 1922 von F. A. Selig-
mann veröffentlichten Briefen wäre mit leichter Mühe etwas zu finden ge-
wesen, das in die »Künstlcrbricfe über Kunst« gepaßt hätte.

Gegen die in dem Bande wiedergegebenen Selbstbildnisse muß
man e;n bitchen mißtrauisch sein. Das i ;zartor> sfcische Fartrat wird nicht
nur als Werk, sondern auch als Bildnis Raffaels angezweifelt. Das herrliche
Selbstbildnis Leonardo da Vincis in Turin wurde unbegreiflicherweise
übergangen, das abgebildete Prohlbildnis aus Windsor Castle ist vielleicht
eine schwache Arbeit des Ambrogio de Predis, sicher aber keine Leonardos.
Warum als Selbstbildnis Tizians ein schlechter Stich und nicht das Öl-
gemälde in den L'ffizien wiedergegeben wurde, ist vollends unerfindlich.

Die Ausgabe ist in scharfen, aber kleinen Lettern auf dünnes Papier
gedruckt. Trotzdem ist es ein dicker Band von 968 Seiten, der dank dem
schmalen Oktavformat noch unförmiger wirkt. Derlei Ausgaben sind gewiß
verhältnismäßig billig und nehmen in einer Bibliothek weniger Raum ein.
Gleichwohl sind sie nicht sympathisch. Beim Blättern kriegt man nie ein
Blatt allein, und der kleine Druck überanstrengt die Augen.

Trotz diesen Mängeln liegt aber in dem Buche eine große und
überaus wertvolle Arbeit vor, für die dem Herausgeber und dem Verleger
alle Kunstfreunde Dank schuldig sind.

Die andere, weitaus kleinere Sammlung von Künstlerbriefen deckt
sich ihrem Inhalt nach zum Teil mit der eben besprochenen. Eine ganze
Reihe von Künstlern tritt hier wie dort auf. In den von Paul Westheim
herausgegebenen »Künstlerbekenntnissen« wird für Deutschland mit Ma-
rees, für Frankreich mit Cezanne begonnen. Die jüngsten Bekenntnisse
des Buches sind vom Jahr 1923 datiert. Es kommen darin demnach die
Vertreter der neuesten Richtungen zum Wort.

Der Verlasser sagt mit Recht, daß heute Künstler vor allem darum
häufiger zur Feder greifen als früher, weil wir uns mitten in einer Kunst-
wende befinden und daher bei Schaffenden und Genießenden die Unsicher-
heit vor dem Kommenden größer geworden ist. Das -Bilde Künstler, rede
nicht- ist immer cum grano salis zu verstehen. Bei manchem der Bekennt-
nisse will es einen aber bedünken, als ob die Bekennenden besser redeten
als bildeten.

Von Österreichern kommen in dem Bande Kokoschka, Kubin und
Olbrich zu Worte. Kokoschkas Briefe, in denen es sich um die Anfertigung
einer Gliederpuppe dreht, auf die zuerst höchste Hoffnungen gesetzt werden
und die dann schließlich kläglich enttäuscht, sind ungemein bezeichnend,
sowohl für den Künstler als auch für die Zeit. Wir belauschen da ein an-
gestochenes Künstlerkind, das zugleich unerhört überfeinert und bemit-
leidenswert weltfremd ist. Es fällt auf, daß Schiele, ilanak und Faistauer
fehlen, von denen allen dreien gedruckte Äußerungen vorliegen. Die neu-
este Kunstart, der Film, ist durch einen Beitrag Charlie Chaplins vertreten.
Dem ungemein interessanten Band, der einen höchst lehrreichen Einblick
in das gärende Kunstleben unserer Tage gestattet, sind mehr als vierzig
gute Abbildungen beigegeben. A. W.

Gabriel Rouches. Dessins Italiens du XVIIe
siecle, Editions Albert Morance, Paris.

Von den rund dreiundvierzigtausend Handzeichnungen des Louvre
gehören mehr als achttausend den italienischen Schulen des XVII. Jahr-
hunderts an. Diese gewaltige Zahl erklärt sieh nicht nur aus dem be-
sonderen Interesse, das die französische Kunst — wie übrigens die der
anderen europäischen Länder auch — am italienischen Barock nahm,
sondern auch aus der ungeheuren Produktivität dieser Periode und der be-
deutenden Rolle, die die Zeichnung in ihr spielte. In allen alten Hand-
zeichnungssammlungen fällt der italienischen Barockkunst ein Löwen-
anteil zu, überall liegen diese Blätter zu Hunderten, ja Tausenden zuhaut",
infolge der Geringschätzung, der diese Kunst im Lauf des XIX. Jahr-
hunderts verfallen ist, zumeist völlig ungesichtet und kritisch noch nicht
behandelt; die Kennerschaft, die andere Gruppen von Handzeichnungen
bereits vielfach erfolgreich untersucht hat, hat noch nicht den Mut und
die Mittel, sich an diese riesige Masse heranzuwagen. Man ist fast aus-
schließlich auf die alte Tradition der Sammlungen angewiesen. Diese ist
im Fall des Louvre keine gering zu schätzende Quelle; denn der Haupt-
stock dieser durch Einzelerwerbungen nur sehr spärlich vermehrten Zeich-
nungen stammt aus vier berühmten Privatsammlungen, von denen die drei
älteren durch Zeit und Persönlichkeit ihrer Eigentümer eine Autorität für
sich beanspruchen dürfen. Es sind die Sammlungen des Bankiers Jabach
aus dem XVII., des berühmten Kunstkenners Mariette aus dem XVIII. Jahr-
hundert und die von Napoleon erworbene Sammlung, die der 1 üstoriograpb
der florentinischen Barockkünstler,FiHppoBaldinucci, auch schon imXVIl.
Jahrhundert zusammengebracht hatte; dazu kommt die 1878 an den Louvre
gelangte Sammlung His de la Salle.

Diese guten Provenienzen verbürgen ein gutes Niveau der im
Louvre verwahrten italienischen Barockzeichnungen; der Herausgeber
brauchte nur seine Auswahl zu treffen, um für sechsunddreißig Tafeln
interessantes Material zusammenzubringen. Immerhin steckt in der Zu-
sammenstellung und in den äußerst knappen Texten mehr Arbeit, als auf
den ersten Blick sichtbar wird; denn es sollte nicht Zufallsmaterial gezeigt,
sondern eine allseitige Charakteristik einer an künstlerischen Absichten

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