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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.6491#0051
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Verklebung jegliche Eignung besitzt. Wenngleich aber
das Hereinspielen des Dreifaltigkeitsmotivs das Auf-
keimen einer solchen Ideenverbindung in sich trägt
und z. B. die Verkündigungs- und Taufbilder der
Niederhaslacher Glasfenster1 die ihnen gemeinsame
Trinitätssymbolik vielleicht nicht zufällig in räum-
lichem und zeitlichem Nebeneinander zur Darstellung
bringen, haben sich die wie immer gearteten Berüh-
rungsmöglichkeiten nach der Kenntnis des Verfassers
für den Bereich der Verkündigung nur in dem vor-
liegenden Blatte zur konkreten Anführung der für
den Taufakt beglaubigten Evangelienworte ver-
dichtet. —

Die langwierige Herausarbeitung der in den
funktionellen, dekorativen und inhaltlichen Verpflich-
tungen der Strahower Holzschnitte wurzelnden An-
schauungselemente ist die Vorbedingung der stil-
kritischen Untersuchung, die erst mit der Einengung
auf die Grundzüge der innerkünstlerischen Wesens-
gestaltung zu einer vorurteilslosen Ausübung ihrer
autonomen Befugnisse gelangt. Genügen dem also
geschärften Blick schon die durch die mandelförmigen
Augen mit den in den Winkel gedrängten Pupillen
und den tiefen Ansatz der henkeligen Ohren charak-
terisierten Gesichtstypen, um die den äußeren Um-
ständen nach vorweg bejahte Zusammengehörigkeit
der drei Blätter an ihnen selbst mit unmittelbarer
Evidenz zu erhärten, wird er zugleich der zeich-
nerischen Unbeholfenheiten gewahr, die manchen
Apostelköpfen des »Marientodes« ein vergröbertes
und verzerrtes Aussehen verleihen: da anderseits
zumal die »Verkündigung« trotz aller Formenver-
Abb. 3. Schmerzensmann. Inkunabelholzschnitt. Strahow. wandtschaft auch in der Innigkeit der Gebärden wie

im schwungvolleren Gelock des Engelshauptes ihre
qualitative Überlegenheit verrät, wirft sich die freilich nur durch subjektive Gefühlsentscheidung zu beantwortende
Frage auf, ob der »Marientod« ein schwächeres Erzeugnis des »Verkiindigungs«-Meisters oder ein Werkstattprodukt
aus dessen nächster Umgebung überliefere. Hinwiederum tritt der von ähnlichen Bedenken verschonte »Schmerzens-
mann« nicht so sehr im Sinne einer ästhetischen als einer ethischen Wertung hinter die »Verkündigung« zurück,
sobald er der Würde einer Originalkomposition entkleidet wird und sich als die Wiederholung eines Berliner Bild-
druckes (Sehr. 887'-) erweist, der auch einem in zwei Exemplaren erhaltenen Baseler Formschnitt3 zum Muster
gedient hat. Natur und Bewegungsrichtung der unterschiedlichen Abhängigkeitsverhältnisse kommen bereits einer
relativen Zeitbestimmung des Strahower Druckes zugute, der allein den urtümlichen Vertikalismus des Aufbaus mit
dem Gegengewicht eines breiter ausladenden Hintergrundes belastet und eine stärkere Betonung des konstruktiven
Gerüstes erreicht, indem er den Rock Christi ins Bild hinein vorschiebt. Wenn ferner das Berliner Blatt in seiner
seltsam zarten Strichführung wie in der hie und da nachklingenden Freude am ornamentalen Eigenleben der Linie
noch durchaus an die Federzeichnung gemahnt, gelingt dem Strahower eine den echten Geist der Holzschnitt-Technik
ehrende Umsetzung, deren knorrige Derbheit für die Drangabe gewisser Feinheiten und leichtere Mißverständnisse
entschädigt. Obwohl endlich der Strahower wie der Baseler Formschneider den horror vacui des Gotikers so weit
überwinden, daß sie auf die vollzählige Wiedergabe der Passionsinstrumente verzichten, ist aus der abweichenden Art

1 Vgl. Bruck a. a. O. mit den Abbildungen auf Tafel 43.

- Abgebildet bei M. Lehrs, Holzschnitte der 1. Hälfte des XV. Jahrhunderts im Künigl. Kupferstichkabinett zu Berlin, Berlin 190S, N. 26,
Taf. XVII = VII. Veröffentlichung der »Graphischen Gesellschaft«.

3 Vgl. H. Koegler, Einzelne Holz- und Metallschnitte des XV. Jahrhunderts in der Univ.-Bibl. zu Basel, Straliburg 1909, N. 18, T. XIV = Heitz'
Einblattdrucke Bd. XVI; der von Koegler übersehene Zusammenhang mit Sehr. 887 wird erst von Schreiber in der Neubearbeitung seines
■ Manuel« (»Handbuch der Holz- und Metallschnitte des XV. Jahrhunderts«, Leipzig 1926, Bd. I) hervorgehoben, wo das Blatt die Nummer 887 a
erhält.
 
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