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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.6493#0013
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Mit den griechischen [Stücken] muß eine andere Verfahrungsart eingeschlagen werden. Die zum Auge sprechenden
Szenen sind meistens Duette: Phaon und Melitta am Rosenstrauch — Hero den knieenden Leander küssend — Kreusa
unterrichtet Medea im Lautenspiel etc. Diese sind aber ganz plastischer Natur, verlangen also das Format I und schließen
das Landschaftliche beinahe ganz aus.

Ausgebreitetere Szenen: Hero in ihrem Schwur stockend —der Mord des Phryxus —Jasonfs] und Medeens Aufnahme
bei Kreon etc. verlangen eine basreliefartige Behandlung, wenn auch gefärbt.

Der Abwechslung, einer wichtigen Sache, ist das günstig.

Übrigens wollte ich, ich wäre darüber weg, denn die Madamen, die gleich mit dem Messer da sind, sind mir gar
nicht geläufig. Hoffentlich werden nicht drei Blätter aus jedem Stück verlangt werden.

Die »Ahnfrau« dürfte drei Blätter mit je drei Illustrationen in Anspruch nehmen und für die »Melusina« braucht uns
nicht bang zu sein.

Praeter propter ergäben sich zwanzig bis vierundzwanzig Blätter [zu] 54: 43 cm. — 78 : 65 cm. mit den Cartonfs],
daher 80: 67 cm. etwa die Stickerei.

Das wäre also der geschäftliche Teil, soweit ich ihn jetzt übersehen kann, und der Himmel gebe, daß es mir
gelungen ist, ihn Dir klar zu machen.

Nach einem Mitarbeiter sehe ich mich vergeblich um, die letzten Sachen von Kaulbach können mir gar nicht
einleuchten. Es ist Alles so schwammig und weichlich — und vor allem so kalt. Es gienge viel besser mit Rahl, wenn er
noch lebte, obwohl er [ein] Wildschwein war! Jetzt fragt sich's vor allem, ob's mit mir geht? Ich spüre zwar eine gewisse
Genugtuung bei dem, was ich bis jetzt gemacht habe, und [!] daß von einem Entwurf bis zur Ausführung ein großer
Schritt ist, weißt Du schon.

Aber eines steht fest: Wenn Einer einmal zu alt, oder sagen wir's lieber gleich: zu dumm ist, etwas Rechtes zu
machen, so ist er auch zu dumm, um es zu merken.

Schau die Sachen also an, zeigs' der Frau v. Todesco, zeigs' der Franzi — ich wollt', die Frau v. Wertheimstein
wäre wieder so weit — und wenn es Euch nicht scheint, so schreibt mir: man hat sich zu einem goldnen Lorbeerkranz
entschlossen, und man redet von der Sache nicht weiter.

Hältst Du aber was drauf, so mache ich mich frisch daran und hoffe zur rechten Zeit abzuliefern.
Möge der Himmel diesen verteufelten Krieg bald zu Ende führen und der guten F[rau] v. Wfertheimstein] das Essen
wieder lernen.

Mit den schönsten Grüßen

Dein alter Freund

Schwind
Nachtrag.

Es zeigt sich, daß von den kleinen Blättern zu »Weh dem, der lügt« nur zwei auf einem Bogen Platz haben, ich
müßte sie denn verkleinern, was wohl möglich, aber für meine Augen kitzlich ist. Eine Vermehrung der Blätter wird
aber nicht schädlich sein.

Ich hätte die Entwürfe mehr ausführen können, ich mag aber mein Pulver nicht verschießen.
Addio.

Schwind hat also zugleich mit dem Briefe acht Zeichnungen übersandt: eine große zum Traum ein Leben (»Blatt I«)
und sieben kleine zu Weh dem, der lügt, von denen jedoch eine (u. zw. die mit der Schlußszene des Stückes) nur als
Skizze zu einer Ausführung in den Maßen des großen Blattes zum Traum ein Leben betrachtet werden sollte. Er betont
damit die Unterscheidung zwischen Blättern mit je einem Vollbild und Blättern mit je drei (nach dem »Nachtrag«: zwei)
kleineren Bildern. Alle diese acht Probeblätter sind uns erhalten, ein so böser Unstern sonst gerade über dieser Arbeit
Schwinds gewaltet hat.1 Die in dem Brief den Zeichnungen zu Weh dem, der lügt gegebenen Nummern sind selbst noch
auf den verkleinerten Abbildungen bei Weigmann (Klassiker der Kunst IX. Bd. S. 512 u. 513) deutlich lesbar, und zwar
mit den durch den »Nachtrag« des Briefes bedingten Veränderungen, so steht zum Beispiel auf dem Schlußbild: »5 (aus-
gebessert aus 4) in der Größe von I«.

Zuerst spricht Schwind von der Mappe, welche die ausgeführten Blätter bergen sollte; sie wäre mit Stickerei nach
seiner Zeichnung zu verzieren gewesen. Dann beginnt er sein Programm für die Bilder selbst, nicht mit dem »Blatt I« zum

1 Ein beschreibendes Verzeichnis von >Schwinds Zeichnungen zu Grillparzers Dramen«, soweit sie bisher bekannt und erkannt worden sind,
bietet der so betitelte Aufsatz in dem von O. Katann herausgegebenen Sammelwerk: Grillparzer-Studien. Wien 1924. Auch sonst ergänzt dieser
Aufsatz die vorliegenden Mitteilungen, wie diese wieder ihrerseits durch ihn ergänzt werden. — Die a. a. 0. vorgebrachte Vermutung, Grillparzer
selbst habe von der ihm zugedachten Widmung des Malers vielleicht nie etwas erfahren, kann kaum aufrecht erhalten werden. Die Wiener Tages-
blätter haben damals wiederholt von der Sache gesprochen und Frau v. Littrow-Bischoff (Aus dem persönlichen Verkehr mit Franz Grillparzer.
Wien 1873. S. 193 f.) berichtet ausdrücklich, daß der Dichter täglich in den Zeitungen von den für seinen achzigsten Geburtstag geplanten Über-
raschungen lesen mußte.

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