Traum ein Leben, wie zu erwarten wäre,
sondern mit den »Blättern 2, 3 usw.« zu
Weh dem, der lügt, wohl deshalb, weil er
für dieses Stück schon alle Entwürfe vor-
legen kann. Von den zum Traum ein
Leben angeführten zwei Zeichnungen,
die dem übersandten Blatte vorhergehen
und nachfolgen sollten, ist die mit Rustans
Erwachen schon im Jahrgang 1901 (S. 38)
der vorliegenden Zeitschrift abgebildet,
die andere erst jetzt erkannt worden
(vgl. die nebenstehende Abb.).1
Zum König Ottokar hat sich bisher
nur der Entwurf eines Vollbildes ge-
funden, der aber den gedemütigten
Böhmenkönig vorführt. Von den drei
Blättern, die für den Treuen Diener seines
Herrn »ausfallen«2 sollten, scheint kein
einziges gezeichnet worden zu sein. Kann
übrigens Schwind im Ernst der — natürlich
ganz irrigen — Ansicht gewesen sein, daß
der Dichter bei Bancban an den späteren
Staatsrat August Freiherrn von Schwind
(1800—1892) gedacht habe?
Für die »griechischen« Stücke führt
Schwind sechs Szenen namentlich an.
Davon sind die Entwürfe zu den »Duetten«:
Phaon und Melitta und Hero und Leander
und zum Mord desPhryxus heute in öffent-
lichem Besitz geborgen; ein viertes Blatt:
Kreusa unterrichtet Medea im Leierspiel
hat sich aller Wahrscheinlichkeit nach erhalten,'1 doch ist sein gegenwärtiger Verbleib unbekannt.
Erst am 25. August schickt Bauernfeld von Ischl aus Schwinds Brief und die Skizzen der Baronin Todesco. Zu-
gleich will er an Schwind schreiben und ihn unter anderem fragen, weshalb er von einem »Texte« schreibe, von welchem
ja niemals die Rede gewesen sei. Baronin Todesco aber möge ihrerseits sich mit dem Künstler selbst möglichst bald ins
Einvernehmen setzen. Am 1. September sendet ihr Bauernfeld einen zweiten Brief Schwinds. Er ist wohl als verloren zu
betrachten, doch läßt sich über seinen Inhalt wenigstens einiges aus Bauernfelds Begleitworten erschließen. Schwind
hat jedenfalls noch keine Antwort von der Baronin. Er bittet um Rücksendung der Skizzen, da er sie braucht, spricht
»etwas mystisch« über die Honorarfrage, die Bauernfeld berührt hat, und scheint schließlich den Wunsch nach den
•beiden Fragmenten« Libussa und Esther ausgedrückt zu haben. Wieder bittet Bauernfeld, die Baronin möge selbst dem
Künstler schreiben, und mahnt wieder zur Eile. Nun klafft etwa für vier Wochen eine Lücke. Inzwischen dürfte Frau von
Wertheimstein, von ihrer Krankheit hergestellt, die Sache selbst in die Hand genommen haben. An sie ist der folgende
Brief Schwinds gerichtet.
Sehr verehrte und liebe gnädige Frau!
Wenn Sie mir den Schatz des Rampsinit geschickt hätten, er wäre nicht halb so kostbar als Ihr liebenswürdiger
und unschätzbarer Brief. Habe ich doch ein sichtbares Zeichen in der Hand, daß Sie gesund und glücklich sind und daß
1 Schlußszene des 1. Aufzugs. Rustan auf dem Ruhebett zurückgesunken. Zu des Bettes Häupten und Füßen die zwei Knaben mit den Fackeln.
Die Wand des Hintergrundes hat sich geöffnet. Die Gegend, in der der zweite Akt spielt — Felsen, die ein Bergstrom trennt und eine Brücke ver-
bindet — wird sichtbar. Bleistift, h. 42 3, br. 37-7 cm. Stuttgart, Kupferstichkabinett. — Nr. 8 des Verzeichnisses der Versteigerung -aus dem Familien-
nachlaß. Schwinds bei R. Lepke in Berlin 1901; dort benannt: .Aus 1001 Nacht. Entwurf A.« Vgl. den früher (Anm. 1 auf S. 9) erwähnten Aufsatz
in den »Grillparzer-Studien« S. 303.
- Das Wort dürfte befremden, der Sinn ist freilich durch den Zusammenhang klar. In volkstümlicher Sprache ist ausfallen gleich: aus dem
Ei kommen, auskriechen, ausschliefen, von jungen Hühnern u. dgl. gebraucht.
3 In dem schon (Anm. 1) angezogenen Versteigerungsverzeichnis erscheinen die soeben genannten Zeichnungen zu Sappho und Des Meeres
und der Liebe Wellen als »Amor und Psyche. I. und II. Blatt« (Nr. 18 u. 19); auf sie folgt als Nr. 20 ein Blatt in derselben Technik (Bleistift) und mit
annähernd gleichen Maßen, das kurz »Musen« betitelt wird. Dahinter versteckt sich jedenfalls der Entwurf zu Kreusa und Medea: zwei weibliche
Figuren in griechischer Kleidung — wie sie Grillparzers Bühnenanweisung ausdrücklieh auch für Medea vorschreibt — und mit einer Leier; man
vergleiche dazu die von Grillparzer selbst gezeichnete Skizze dieser Szene. (Abgebildet in den »Grillparzer-Studien« S. 177).
Moritz von Schwind. Schlußszene des 1. Aufzuges
Bleistiftzeichnung (Stuttgart, Kupferstichkabinett).
— 10 —
sondern mit den »Blättern 2, 3 usw.« zu
Weh dem, der lügt, wohl deshalb, weil er
für dieses Stück schon alle Entwürfe vor-
legen kann. Von den zum Traum ein
Leben angeführten zwei Zeichnungen,
die dem übersandten Blatte vorhergehen
und nachfolgen sollten, ist die mit Rustans
Erwachen schon im Jahrgang 1901 (S. 38)
der vorliegenden Zeitschrift abgebildet,
die andere erst jetzt erkannt worden
(vgl. die nebenstehende Abb.).1
Zum König Ottokar hat sich bisher
nur der Entwurf eines Vollbildes ge-
funden, der aber den gedemütigten
Böhmenkönig vorführt. Von den drei
Blättern, die für den Treuen Diener seines
Herrn »ausfallen«2 sollten, scheint kein
einziges gezeichnet worden zu sein. Kann
übrigens Schwind im Ernst der — natürlich
ganz irrigen — Ansicht gewesen sein, daß
der Dichter bei Bancban an den späteren
Staatsrat August Freiherrn von Schwind
(1800—1892) gedacht habe?
Für die »griechischen« Stücke führt
Schwind sechs Szenen namentlich an.
Davon sind die Entwürfe zu den »Duetten«:
Phaon und Melitta und Hero und Leander
und zum Mord desPhryxus heute in öffent-
lichem Besitz geborgen; ein viertes Blatt:
Kreusa unterrichtet Medea im Leierspiel
hat sich aller Wahrscheinlichkeit nach erhalten,'1 doch ist sein gegenwärtiger Verbleib unbekannt.
Erst am 25. August schickt Bauernfeld von Ischl aus Schwinds Brief und die Skizzen der Baronin Todesco. Zu-
gleich will er an Schwind schreiben und ihn unter anderem fragen, weshalb er von einem »Texte« schreibe, von welchem
ja niemals die Rede gewesen sei. Baronin Todesco aber möge ihrerseits sich mit dem Künstler selbst möglichst bald ins
Einvernehmen setzen. Am 1. September sendet ihr Bauernfeld einen zweiten Brief Schwinds. Er ist wohl als verloren zu
betrachten, doch läßt sich über seinen Inhalt wenigstens einiges aus Bauernfelds Begleitworten erschließen. Schwind
hat jedenfalls noch keine Antwort von der Baronin. Er bittet um Rücksendung der Skizzen, da er sie braucht, spricht
»etwas mystisch« über die Honorarfrage, die Bauernfeld berührt hat, und scheint schließlich den Wunsch nach den
•beiden Fragmenten« Libussa und Esther ausgedrückt zu haben. Wieder bittet Bauernfeld, die Baronin möge selbst dem
Künstler schreiben, und mahnt wieder zur Eile. Nun klafft etwa für vier Wochen eine Lücke. Inzwischen dürfte Frau von
Wertheimstein, von ihrer Krankheit hergestellt, die Sache selbst in die Hand genommen haben. An sie ist der folgende
Brief Schwinds gerichtet.
Sehr verehrte und liebe gnädige Frau!
Wenn Sie mir den Schatz des Rampsinit geschickt hätten, er wäre nicht halb so kostbar als Ihr liebenswürdiger
und unschätzbarer Brief. Habe ich doch ein sichtbares Zeichen in der Hand, daß Sie gesund und glücklich sind und daß
1 Schlußszene des 1. Aufzugs. Rustan auf dem Ruhebett zurückgesunken. Zu des Bettes Häupten und Füßen die zwei Knaben mit den Fackeln.
Die Wand des Hintergrundes hat sich geöffnet. Die Gegend, in der der zweite Akt spielt — Felsen, die ein Bergstrom trennt und eine Brücke ver-
bindet — wird sichtbar. Bleistift, h. 42 3, br. 37-7 cm. Stuttgart, Kupferstichkabinett. — Nr. 8 des Verzeichnisses der Versteigerung -aus dem Familien-
nachlaß. Schwinds bei R. Lepke in Berlin 1901; dort benannt: .Aus 1001 Nacht. Entwurf A.« Vgl. den früher (Anm. 1 auf S. 9) erwähnten Aufsatz
in den »Grillparzer-Studien« S. 303.
- Das Wort dürfte befremden, der Sinn ist freilich durch den Zusammenhang klar. In volkstümlicher Sprache ist ausfallen gleich: aus dem
Ei kommen, auskriechen, ausschliefen, von jungen Hühnern u. dgl. gebraucht.
3 In dem schon (Anm. 1) angezogenen Versteigerungsverzeichnis erscheinen die soeben genannten Zeichnungen zu Sappho und Des Meeres
und der Liebe Wellen als »Amor und Psyche. I. und II. Blatt« (Nr. 18 u. 19); auf sie folgt als Nr. 20 ein Blatt in derselben Technik (Bleistift) und mit
annähernd gleichen Maßen, das kurz »Musen« betitelt wird. Dahinter versteckt sich jedenfalls der Entwurf zu Kreusa und Medea: zwei weibliche
Figuren in griechischer Kleidung — wie sie Grillparzers Bühnenanweisung ausdrücklieh auch für Medea vorschreibt — und mit einer Leier; man
vergleiche dazu die von Grillparzer selbst gezeichnete Skizze dieser Szene. (Abgebildet in den »Grillparzer-Studien« S. 177).
Moritz von Schwind. Schlußszene des 1. Aufzuges
Bleistiftzeichnung (Stuttgart, Kupferstichkabinett).
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