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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.6493#0042
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Abb. 1. Die Verkündigung Maria. (Sehr. 25 b). Wien, Albertina.

Abb. 2. Die Begegnung von Maria und Elisabeth. (Sehr. 52 b)Wien, Albertina.

Altar des in Schwaben tätigen Meisters von Schloß Liechtenstein gehört. Wir glauben, daß der Maler des Berliner
Bildes, der von dem Hauptmeister von je abgetrennt worden ist, vom Oberrhein kommt,1 wie das auch die alte
Bezeichnung in Posses Katalog andeutet; da aber der Holzschnitt unmöglich gleichfalls an den Oberrhein gesetzt
werden kann, so ist die Annahme gerechtfertigt, daß Holzschnitt und Gemälde, untereinander ausschließlich durch
die Komposition, nicht durch den Stil verwandt, auf ein gemeinsames Vorbild zurückgehen. Wir suchen dieses
kompositioneile Vorbild im Westen und werden darin durch die Beobachtung bestärkt, daß auch der andere Schnitt,
die Verkündigung, die Komposition mit einem Gemälde teilt, das, stilistisch sehr abweichend, zweifellos Westliches
in hohem Maß verarbeitet. Die Verkündigung des Nürnberger Tucheraltars zeigt wie der Schnitt das alte sienesische
Schema, das damals durch andere Verkündigungsfassungen schon fast ganz verdrängt ist, und obendrein beide Male im
Gegensinn: fast immer kommt sonst der Engel von links. Wenn die Verkündigung des Klosterneuburger Albrechtaltars
im Motiv des Engels übereinstimmt, die Madonna dort allerdings nicht mehr sitzt oder, wie im Tucheraltar, unentschlossen
sich halb erhebt, sondern steht, so glauben wir damit nicht ein neues Argument zugunsten von Benesch beigebracht zu
haben, der den Tuchermeister zum Schüler der Wiener machen möchte, sondern nur bewiesen zu haben, daß Wien
aus der gleichen Quelle schöpft wie Nürnberg, wobei in diesem Falle Nürnberg zweifellos die ältere, dem Original nähere
Fassung zeigt. Da die Heimsuchung bei einem oberrheinischen, die Verkündigung bei einem stark von Burgund
beeinflußten Meister begegnet, sehen wir den Wresten als die Zufluchtsstätte an, die beide Kompositionen um 1400
gefunden haben.

Über den Ursprung der Holzschnitte ist damit noch nichts gesagt, obwohl bei der Seltenheit der Kompositionen
und der hohen Qualität beider Blätter der Gedanke naheliegt, ihre Entstehung nicht weit von der Gegend zu suchen, wo
diese Motive gefunden oder umgeformt wurden. Ich wage es, als Heimat der beiden Blätter die Niederlande vorzuschlagen,
und bin mir dabei vollkommen im klaren, daß es sich nur um einen Versuch handelt, den vielleicht später reicheres
Material bestätigen wird. Denn unter den frühesten niederländischen Schnitten ist die Beziehung zum Blockbuch
»Apokalypse« nicht gerade eng, obwohl sich etwa von den Engeln (Darstellung 41/42, Bl. XXIII der Kristellerschen

1 Wenngleich er schon länger mit dem Hauptmeister zusammen gearbeitet haben wird. Der Anteil der Wiener beschränkt sich wohl auf die
Verkündigung an Joachim und einzelne Züge in Schulwerken, vgl. DLZ. 1930, Sp. 937.
 
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