Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1930

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6493#0044
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zubringen. Johannes Jahn1 hat, nach der ver-
alteten Methode des Vergleichs von Gemälden
mit Schnitten vorgehend, den vergeblichen
Versuch gemacht, auf Grund einer höchst vagen
Ähnlichkeit mit der Madonna des Deichsler-
altars im Kaiser-Friedrich-Museum den Schnitt
nach Nürnberg zu versetzen und 1435—1445
zu datieren. Offenbar sind ihm die Schnitte un-
bekannt geblieben, die ich 1925 nach Nürn-
berg lokalisieren konnte,2 denn mit diesen,
teils um 1430, teils in den vierziger Jahren
entstandenen Blättern hat die Wiener Madonna
so wenig gemein wie mit dem Deichsleraltar,
der obendrein rund 20 Jahre älter ist. Richtig
ist an diesem Vergleich nur, daß der Schnitt
wie das Gemälde etwas von jener Art zeigen,
die man »böhmisch« nennt; so erklärt sich auch
der gemeinsame Kompositionstypus, der für
die Lokalisierung bedeutungslos ist. Das gra-
phische Empfinden, das aus der Zeichnung
der Gewandsäume spricht, ist bei beiden über-
aus verschieden. Will man aber durchaus ein
Gemälde heranziehen, dann würde ich die beson-
dere Grazie, die bei aller Zartheit plastische
Körperlichkeit des Holzschnitts nicht neben die
ganz spirituelle, unkörperliche Madonna des
Deichsleraltars stellen, sondern neben die
Madonna des Rauchenbergerschen Votivbildes
in Freising, das um 1425 in Salzburg entstan-
den ist. Freilich bleiben solche Erwägungen,
die nur den genius loci, nicht die Komposition
bestimmen wollen, leere Spekulation, solange
die Entwicklung des Holzschnitts in Salzburg
sie nicht bestätigt. Innerhalb der frühesten
Gruppe salzburgischer Holzschnitte ist Sehr.
1771 in München, die beiden Johannes mit
Antonius und Sebastian, wohl eines der
spätesten Blätter, gegen 1410—1420. Um 1440
wird die Beweinung der Albertina (Haberditzl Nr. 80) entstanden sein, deren Herkunft aus Salzburg gesichert ist und die
im übrigen starke Ähnlichkeit mit Gemälden hat, die zur gleichen Zeit aus der Werkstatt des Meisters des Halleiner
Altars hervorgehen. Ähnlich breite Kopftypen finden sich in der Salzburger Malerei vom Meister der Altmühldorfer Kreuzi-
gung bis zum Meister des Halleiner Altars. Ebenfalls um 1440 ist, wie ich3 und gleichzeitig unabhängig Buchner4
nachgewiesen haben, in Salzburg ein Kreuzigungsschnitt entstanden (erhalten in mehreren Kopien, Sehr. 957, 957 b, 958
und dem Zeugdruck der Münchner Staatsbibliothek Sehr. 1 b), der wohl auf ein Original von 1430 zurückgeht. Die Kreuzi-
gung und die Beweinung gestatten uns, den salzburgischen Stil um 1440 in seiner Besonderheit von dem allgemeinen
Stil der zweiten Stufe abzutrennen. Beide, unter sich recht verschieden, stimmen dennoch gegenüber andern Blättern der
gleichen Stufe in dem besonderen Linienstil überein, der mit dünnen, in schwache Rundungen auslaufenden Strichen
zeichnet und in der Maserung des Kreuzesstammes oder dem gewellten Haar mit Vorliebe die graphischen Möglich-
keiten aufsucht.

Charakteristisch, wie die Falten am Kopftuch der Maria mit senkrechten Strichen gegeben werden; Analoges findet
sich in salzburgischen Gemälden der gleichen Zeit. Der Täufer der Kreuzigung läßt sich noch von dem Blatt der älteren

Abb. 4. Marin in der Glorie mit den Evangelistensymbolen (Sehr.* 1098a). Wien, Albertina.

1 Beiträge zur Kenntnis der älteren Einblattdrucke, Straßburg 1927, S. 58 ff.

2 Auch Mela Escherich (Jahrbuch f. Kunstwissenschaft 192S, S.47f.) scheint diese Veröffentlichung Ubersehen zu haben, da sie mit dem gleichen
Altar vom Meister des Kadolzburger Altars, zu dem ich dort einen nürnbergischen Schnitt in Beziehung setzte, oberbayrische Holzschnitte zu
verbinden sucht. Der Sinn dieser Zusammenstellung ist mir bei den landschaftlichen Unterschieden nicht klar geworden.

3 A. a. O. S. 3512. _ i Kunst und Antiquariat, Jahrg. 1, S. 98.

40 —
 
Annotationen