Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1930

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6493#0047
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Man gewinnt diese Datierung aus dem Rahmen, der
schon in der Breite seiner Leisten von den Rahmen
der oberrheinischen Serie abweicht und durch die
eigenartige Schönheit seiner Akanthusranken verrät,
daß hier auch ein sehr verschiedenes ornamentales
Bemühen geherrscht hat wie bei den Rahmen dieser
Serie. Man darf getrost annehmen, daß der Zeichner
des Rahmens sich schon von frühen Ornamentstichen
hat anregen lassen: die Stiche des Meisters E. S.
L. 308, 314 und vor allem 307 seheinen uns ver-
wandt genug, um hier angezogen zu werden.1 Das
führt, da diese Blätter um die Mitte des fünften Jahr-
zehnts entstanden sind, für den Rahmen auf das Da-
tum 1450. Ein ähnlicher Akanthusrahmen, etwa um
1460, steht gleichfalls schon in Beziehung zum
Kupferstich: er umgibt die Londoner Schnitte
Katharina Sehr. 1321 und Barbara Sehr. 1249, also
spätere Kopien nach der oberrheinischen Serie. Im
Kupferstich findet er sich bei der Katharina G. 42 vom
Meister der Weibermacht, der ihn sicher nach seiner
Gewohnheit nicht selbst erfunden, aber auch kaum
den Holzschnitten, sondern einer oberrheinischen
Stichvorlage entlehnt hat. Damit gewinnt unsere An-
nahme an Gewicht, daß mindestens die Rahmen der
Barbara und des Georg in Wien am Oberrhein ent-
worfen sind; ob in den Figuren Reste einer etwas
späteren oberrheinischen Serie oder salzburgische
Umarbeitungen der früheren Reihe vorliegen, ist
schwer, ja unmöglich zu entscheiden. Keinesfalls ist
die Barbara völlig unabhängig von der oberrheinischen
Reihe entstanden.

Man gewinnt so den Eindruck, daß von
eigentlich salzburgischen, d. h. in Salzburg ent-
worfenen Schnitten um 1450 nicht mehr viel vorhanden ist, während das häufige Vorkommen von Kopien nach ober-
rheinischen Originalen in salzburgischen Bibliotheken den Argwohn weckt, es könnte auch in Salzburg wie beispielsweise
in Nürnberg um die Jahrhundertmitte der Einfluß des Oberrheins die heimische Produktion lahmgelegt haben. Um so
wichtiger ist es, das Quellgebiet am Oberrhein zu erforschen. Ein prachtvoller Schnitt, der jüngst aus Privatbesitz in München
auftauchte, das Martyrium des heiligen Sebastian darstellend (Abb. 5),2 gehört wohl zu den spätesten Arbeiten aus
der Tradition des Meisters des Buxheimer Christophorus und der Rylandschen Verkündigung und ist deshalb für die
Frage des Weiterwirkens dieser Werkstatt nach auswärts von besonderer Bedeutung. In der Sebastianikonographie dieser
Zeit völlig vereinzelt ist es, wie der gemarterte Leib des Heiligen sich in gewaltsamer Wendung aufbäumt. Das gibt dem
Zeichner die Möglichkeit, diesen Körper in einer einzigen Kurve von großartigem Schwung festzuhalten: er vergißt
trotzdem nicht, den Einschnitt an der rechten Hüfte und die Einziehung links unterhalb des Thorax aufzuzeichnen. Die
gleiche Verbindung von hoher Stilkraft mit starker Beobachtung in der Schilderung der Örtlichkeit: die Szene spielt an
einem breiten, schnell strömenden Fluß, am anderen Ufer wird fast bildnishaft eine Stadt sichtbar: man denkt an eine
der Rheinstädte, Basel oder Konstanz. Denn daß dieser Schnitt am Oberrhein entstanden ist, kann gar nicht bezweifelt
werden: es ist sicherer als irgendeine der leider meist negativen Feststellungen, die bisher auf diesen Seiten gemacht
werden mußten. Man wird für das prachtvolle Liniengefühl, das aus der Zeichnung der Haare des Heiligen spricht, auf die

Abb. 6. Anbetung der Könige (Sehr. 98). St. Gallen, Stiftsbibliothek.

1 Die Rahmen der oberrheinischen Originalserien, also diejenigen um die hig. Ursula in Wien und die Marter des Johannes in Nürnberg, sind
im Gegensatz zu diesem von Stichen beeinflußten Rahmen noch ganz aus den Bedürfnissen der Miniaturen abgeleitet. — Eine Mittelstellung nimmt
der Rahmen um die Ährenmadonna in Straßburg (H-Schreiber 61, 4, oberrheinische Kopie nach der Originalserie um 1440 — 1450) ein, der also örtlich
und zeitlich unserem Rahmen ebenso nahesteht wie stilistisch. — Ähnlich der Rahmen um den demnächst bei Boerner zur Versteigerung gelangenden
»Einzug Christi« aus der Symbolumgruppe (Nr. 503 des Kataloges, falschlich »oberrheinisch um 1450« genannt). Ornamental etwas verwildert,
beweist dieser Rahmen aufs neue die oben behauptete Abhängigkeit der Symbolumgruppe vom Oberrhein. Das gleiche kann von den sehr ähnlichen
»Salzburger« Rahmen gelten.

Inzwischen von C. G. Boerner erworben. — Maße des Blattes einschl. Text: 28-3 : 19-3. Maße des Bildes allein 18-8 : 19-3. Lackrot. rot,
rosa, gelb, grün, graubraun. Links an der Wolke ausgebesserte Stelle.

43 —
 
Annotationen