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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.6493#0062
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Die Heiligen Sebastian, Nicasius, Rochus und Sylvester. Inkunabel-Holzschnitt. London, Ashmolean-Museum, Dodgson Plate VII.

Blattes. Obwohl die schwachen Qualitäten eine sichere Entscheidung
hintanhalten, machen es die schärfer hervortretenden Mißverständnisse
des Faltenwurfes wahrscheinlich, daß das Abhängigkeitsverhältnis nicht
umgekehrt liegt.

8 (PI. VI). »Der hl. Jacobus d. J.«: Das architektonische
Gehäuse, die Form der Säulen und die Art, wie der Kleeblattbogen
den Heiligenschein überschneidet, wiederholen sich in einem Pariser
Kupferstich des »hl. Johannes Evangelista«, der als Spätwerk des
»Bandrollen»-Meisters gilt (vgl. Lehrs, Gesch. u. krit. Kat., IV, S. 86,
N. 56, Tafelband IV, T. 115, Abb. 338). i Die unorganische Verbindung
der ziemlich getreu kopierten Einzelmotive wie die sattsam bekannte
Borgelust dieses Künstlers genügen, um die betreffende Anleihe
unbedenklich auf sein Schuldkonto zu buchen — ohne freilich die
Möglichkeit auszuschließen, daß die Umrahmungen beider Darstellungen
auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen; trotz der Wahllosigkeit,
kraft deren der Stecher seine Muster von überallher an sich rafft, mag
anderseits die ihm zugeschriebene »östlich-mittelniederländische«
Abkunft mittelbar den eher holländischen als vlämischen Ursprung
des Oxforder Holzschnittes bekräftigen, den Dodgsons Feingefühl wittert.

9 (PI. VII). »Die Heiligen Sebastian, Nicasius, Rochus
und Sylvester«: Weshalb der hl. Nicasius und der hl. Sylvester hier —
und hier allein —den landläufigen Pestpatronen gesellt sind, wüßte auch
ich vorerst nicht ausreichend zu erklären; für die Einbeziehung des
hl. Papstes Sylvester könnte immerhin die Vernichtung eines durch seinen

Gifthauch verderbenbringenden Drachens maßgebend gewesen sein, von
der die Legenda aurea berichtet. In stilistischer Hinsicht scheinen mir
die handwerkliche Derbheit der Schnitt- und Schraffierungstechnik, die
untersetzten Gestalten mit den klobigen Händen, Gewandbehandlung und
Gesichtstypen eindeutig nach Nürnberg zu weisen, mit dessen scharf
ausgeprägtem Kunstgeist auch der konservative Charakter des neu zu
bestimmenden Blattes in vollstem Einklänge steht: der Oxforder Holz-
schnitt, der mit der Jahreszahl 1482 des xylographischen Ablaß-Textes einen
terminus post quem gewinnt, bedient sich einer Formensprache, die seit
den stammverwandten Arbeiten der sechziger Jahre — man vergleiche
etwa die Pariser hl. Katharina und die hl. Magdalena (Sehr. 1317
Bouchot 136, bzw. Sehr. 1594 Bouchot 139) —- fast unverändert geblieben
ist. Hieher gehört auch ein Sonderzug wie die geschwungenen Augen-
brauen des hl. Nicasius. der sich z, B. nicht nur bei dem frühen Breslauer
hl. Andreas (Sehr. 1759b=MoIsdorf-Heitz Bd. VII, T. 9) oder auf dem
.,Stephan - Emmerich"-Schnitt der Münchener Graphischen Sammlung
(Sehr. 1428=Schreiber-Heitz Bd. XXX, T. 52), sondern auch bei dem
ebenda bewahrten, nach Weinberger in die siebziger Jahre zu datierenden
hl. Sebaldus (Sehr. 1672=Schreiber-Heitz Bd. XXXI, T. 108) in sehr
ähnlicher Bildung vorfindet; das zuletztgenannte Blatt bringt überdies
eine Annäherung an den Oxforder hl. Rochus, die vielleicht sogar über
die ikonographischen Bindungen hinaus durch kostümliche Parallelen
und die gegenständliche Auswahl der am Hute befestigten Pilgerzeichen
bestätigt wird.

1 Während der Korrektur dieser seit Mitte März im Druck befindlichen Zeilen kam mir die von Lehrs herrührende Rezension des Dodgson'schen
Werkes in der »Zschr. f. bild. Kunst. (Jahrg. 1929 30, H. 12, S. 149 50) zu Gesicht, wo die gleiche Beobachtung weiter — im Hinblick auf das
St. Gallener Schrotblatt Sehr. 2524 vielleicht sogar zu weit — ausgesponnen ist.

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