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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.6493#0065
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Stich von Bartolozzi nach einer Zeichnung des A. Carracci.

Abnehmer. Die Sprache Guercinos hatte es Bartolozzi so sehr angetan,
daß er sie, auch wenn er AngelicaKauffman oder Cipriani nachsticht, nicht
mehr verleugnen kann, meint Calabi. Die Ursache liegt wohl tiefer; das
Antikische, wie es das XVIII. Jahrhundert --wie esetwaAngeüca Kau ff man
oder Cipriani— suchte, wird eben für das XVIII. Jahrhundert durch die
Bologneser Akademiker verkörpert. Und weiter noch: .Man darf nicht
sagen, das Bartolozzi allein durch Guercino beeinflußt wird; richtiger wäre
es vielleicht zu sagen, daß Bartolozzi jenen Guercino erst geschaffen hat,
den das XVIII. Jahrhundert brauchen konnte. Wer will im Reproduktions-
stich den Anteil klar auseinanderhalten oder sogar werten, der auf den
ersten Schöpfer und auf den Übersetzer fällt?!

Die Einheitlichkeit des Oeuvres von Bartolozzi wächst mit seinen
Jahren noch mehr; die Wiedergaben nach den älteren italienischen Meistern
werden immer seltener, hören mit dem Jahr 1790 überhaupt auf; seine
Zeitgenossen und vor allem die in England ansässigen liefern jetzt aus-
schließlich die Vorlagen. Auch diese Umstellung spiegelt die Zeitströmung
des aufwachsenden Klassizismus wieder, die in jedem Lande mit einer
Kräftigung des nationalen Gedankens zusammengeht.

Nach Angelica Kau ff man, Cipriani, Hamilton und Mortimer re-
produzierte Bartolozzi seit 17S0 Reynolds', seit 1781 Gainsboroughs
Porträte, ein Bildnis in großem Format der Maria Christine von Österreich
(nach A. Roslin) erschien gleichzeitig in Wien bei Artaria und in London
bei A. Torre.

Trotz dieses — sogar geschickt ausgenützten — Großbetriebs
kam der Künstler nicht zu sicherem Wohlstand. Ja seine finanzielle Si-
tuationwurde aus verschiedenen Ursachen, die der Biograph uns ausführ-
lich mitteilt, so mißlich, daß London ihm verleidet wurde. 1801 über-
siedelte Bartolozzi darum nach Lissabon, wo er sogleich als Lehrer der
graphischen Kunst an der Akademie angestellt und mit Orden und Auf-
trägen reichlich bedacht wurde. Die politischen Verhältnisse haben aber

dann seit der Franzoseninvasion 1807 immer durchgreifender die Lebens-
möglichkeiten verschlechtert. Es ging bergab mit dem Künstler; er war
zu alt, um bei dem äußeren Zusammenbruch die künstlerische Potenz sich
bewahren zu können. Als er mit einem letzten Kraftaufwand sich losreißen
wollte und seine Heimkehr nach London beschloß, war es zu spät. Der
Tod ereilte den völlig Vereinsamten in der Fremde (1815); ein Massengrab
in Lissabon, in das ihn die Diener nackt warfen, um die Ausgaben eines
ordentlichen Begräbnisses zu sparen, war das Ende der Virtuosenlaufbahn.

Die Albertina vereinigt seit 1921 das von M. Benedetti für den
Herzog Albert von Sachsen-Teschen gesammelte Oeuvre Bartolozzis mit
dem zur Zeit von Bartsch für die Hofbibliothek zusammengestellten;
darunter befinden sich die seltensten Blätter des Künstlers, z. T. mit
eigenhändig geschriebenen Anmerkungen und Korrekturen versehen. Die
Stiche, die Bartolozzi während seines Aufenthaltes in Portugal gearbeitet
hat, fehlen bis auf wenige Beispiele.

Die Durcharbeitung des Katalogs für das vorliegende Referat hat
mich zu einer kleinen Beobachtung geführt, die ich am liebsten hier an-
schließen möchte, als eine Verbeugung vor dem Autor des Kataloges, der
in entsagungsvoller Bescheidung erschöpfende Arbeit geleistet hat.

Thorvaldsens Relief »Die Nacht« ist gewiß sein populärstes Werk.
Anekdoten ranken sich um seine Entstehung. Der erste Gedanke wäre ihm
in einer schlaflosen Nacht gekommen. Und dann! Der dänische Maler
Eckersberg fand ihn nach längerer Zeit tatenloser Verstimmung an einem
Morgen in voller Arbeit an dem Relief; noch am selben Tag mußte der
Gießer kommen; >als dieser Thorvaldsen fragte, welche Form der Rand
des Bildes bekommen sollte — auch diesen zu bestimmen, dazu war im
Flug der Arbeit keine Zeit gewesen — da schlug Thorvaldsen mit einem
Stück Kreide einen Kreis von 30 Zoll rings um die Gestalt herum, so daß
sie den Raum trefflich ausfüllte. Und aus einem Klumpen Ton, welchen
er zwischen den Fingern hielt, formte er rasch eine Eule ...« (Hammerich,
 
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