Umkreis veranstaltet; der Abschnitt der Schriften Geßners wurde von der
Zentralbibliothek redigiert. Die siebzehn Tafeln des Kataloges bringen
bisher unveröffentlichte Zeichnungen des Künstlers aus einem Studien-
bande im Kunsthaus und anderen graphischen Sammlungen, darunter
auch ein interessantes Blatt aus dem Jahre 1767, das der Albertina gehört.
Die Ausstellung bietet mit 900 Nummern neben neu Aufgefundenem das
»bisher unvollständig und mühsam Zugängliche in nie gekannter
Übersichtlichkeit«. Ferdinand J. Naglet:
Tsuneyoshi Tsudzumi, Die Kunst Japans.
Herausgegeben vom Japan-Institut in Berlin. Mit 8 far-
bigen Tafeln und 127 Abbildungen. Leipzig 1929, Insel-
Verlag.
Der Autor des Buches ist ein japanischer Gelehrter, der sich in
seiner Heimat mit dem Studium europäischer Werke über Ästhetik be-
schäftigte, in der Absicht, eine Geschichte der europäischen Ästhetik zu
verfassen. Während eines ihm im Jahre 1927 von seiner Regierung auf-
getragenen anderthalbjährigen Studienaufenthaltes in Europa schrieb er
das vorliegende Buch. Max Dessoir, dem das Buch auch gewidmet ist,
erwies den wissenschaftlichen Bestrebungen des Autors vom Anbeginn
tatkräftige Teilnahme. In der Gesellschaft für Ästhetik und allgemeine
Kunstwissenschaft brachte dieser die »Xaturdichtung« und »Naturmalerei«
überschriebenen Kapitel des Buches in Gestalt von Vorträgen zum ersten-
mal vor die Öffentlichkeit. Das Berliner Japan-Institut gab sich mit der
Herausgabe des Bandes die größte Mühe. Tsudzumi hat das Buch in
deutscher Sprache geschrieben, und wie er neben dem Japanischen die
deutsche Sprache auf staunenswerte Weise beherrscht, so ist er offenbar
auch in der deutschen Gedanken- und Gefühlswelt gut zu Hause. Seine
europäische Bildung benützt er aber keineswegs dazu, um damit seinen
Lesern im Westen und Osten Sand in die Augen zu streuen, sondern von
hoher geistiger Warte herab bemüht er sich ernstlich, den Deutschen und
seinen Volksgenossen die Kernunterschiede europäischer und asiatischer
Geistesart begreiflich zu machen. Aus einem Buch über europäische
Ästhetik für Japaner ist vorerst eine äußerst aufschlußreiche Einführung
europäischer Leser in japanische Kunst, Kultur und Weltanschauung ge-
worden.
Der unvergeßliche Justus Brinckmann in Hamburg hat vor mehr
als vierzig Jahren von europäischer Seite aus mit seinem auch heute
noch außerordentlich lesenswerten Buche »Kunst und Handwerk in Japan«,
das leider über den ersten Band nicht hinaus gediehen ist, aber viel mehr
enthält, als sein Titel besagt, ungefähr das gleiche Ziel im Auge gehabt.
Der Umkreis der von Tsudzumi in Betracht gezogenen Gebiete ist weiter
als derBrinckmanns, im einzelnen aber, zum Beispiel was den Holzschnitt
anbelangt, über den gerade die Leser unserer Zeitschrift von einem japa-
nischen Autor näheren Aufschluß erwarten werden, faßt er sich äußerst
knapp. Sei es, daß der japanische Kenner, obwohl bekanntlich das Insel-
reich schon seit Jahren japanische Holzschnitte aus Europa zurückkauft,
noch immer auf diesen volkstümlichsten Kunstzweig seines Vaterlandes
etwas von oben herabsieht (er nennt zum Beispiel den jetzt in Europa
so hoch geschätzten Sharaku nicht einmal mit Namen), sei es, daß
Tsudzumi die Vertrautheit mit dem japanischen Holzschnitt in Europa
und besonders in Deutschland, wo darüber in der letzten Zeit sehr viel
gearbeitet wurde, voraussetzt. Auf allen Gebieten aber sind die psycho-
logischen Grundlagen sehr klar herausgearbeitet.
Den drei Hauptteilen des Buches ist ein Kapitel vorausgeschickt,
in dem die »Rahmenlosigkeit« als Grundbegriff des japanischen Kunst-
stiles aufgestellt ist. Rahmenlosigkeit ist natürlich nicht wortwörtlich ge-
meint, weil zum Beispiel japanischen Gemälden Rahmen durchaus nicht
fremd sind. Das Wesentliche des Gedankens der Rahmenlosigkeit erblickt
Tsudzumi vielmehr darin, »daß man das unendlich Große, nämlich das
Weltganze, in einem im Vergleich zu diesem unendlich Kleinen, das heißt
dem dargestellten Gegenstand, sieht«. Diesem Hauptbegriff ordnet er die
Neben begriffe des »Bruchstückhaften« und der »Kleinheit im Maßstabe«
unter. Diese drei Denkformen erweisen sich bei seinen Austührungen als
äußerst zweckdienlich.
Der erste Teil, die Kunst der Naturgestaltung, umfaßt die Garten-
kunst, die Topfpflanzenkunst, die Kunst des Blumensteckens, die Natur-
malerei, das Kunstgewerbe und die Naturdichtung. Der zweite Teil, die
religiöse Kunst, handelt von der Architektur, der buddhistischen Plastik,
der Malerei und der Dichtkunst. Im dritten Teil, der Kunst der Lebens-
gestaltung, werden die Malerei, die Dichtkunst, die Schauspielkunst und
die Musik besprochen.
Die Darstellung ist sachlich, aber nichts weniger als trocken. Das
Buch trägt wirklich dazu bei, die japanische Kunst, ja man kann ruhig
sagen: japanisches Wesen besser verstehen, tiefer erfassen zu lehren. Die
Ausstattung ist reich und würdig. Die vortrefflichen Abbildungen werden
durch Notenbeispiele ergänzt, ein Namen-und Sachverzeichnis erleichtert
die Benützbarkeit.
Jeder wahre Freund der japanischen Kunst kann nach der Lektüre
des Buches nur wünschen, daß diese Kunst in ihrer wunderbaren Eigen-
art erhalten bleiben und nicht durch die Aufnahme oberflächlicher euro-
päischer Kunstmoden verfälscht oder gar verdrängt werden möge, wie es
leider den Anschein hat. j[. W.
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Zentralbibliothek redigiert. Die siebzehn Tafeln des Kataloges bringen
bisher unveröffentlichte Zeichnungen des Künstlers aus einem Studien-
bande im Kunsthaus und anderen graphischen Sammlungen, darunter
auch ein interessantes Blatt aus dem Jahre 1767, das der Albertina gehört.
Die Ausstellung bietet mit 900 Nummern neben neu Aufgefundenem das
»bisher unvollständig und mühsam Zugängliche in nie gekannter
Übersichtlichkeit«. Ferdinand J. Naglet:
Tsuneyoshi Tsudzumi, Die Kunst Japans.
Herausgegeben vom Japan-Institut in Berlin. Mit 8 far-
bigen Tafeln und 127 Abbildungen. Leipzig 1929, Insel-
Verlag.
Der Autor des Buches ist ein japanischer Gelehrter, der sich in
seiner Heimat mit dem Studium europäischer Werke über Ästhetik be-
schäftigte, in der Absicht, eine Geschichte der europäischen Ästhetik zu
verfassen. Während eines ihm im Jahre 1927 von seiner Regierung auf-
getragenen anderthalbjährigen Studienaufenthaltes in Europa schrieb er
das vorliegende Buch. Max Dessoir, dem das Buch auch gewidmet ist,
erwies den wissenschaftlichen Bestrebungen des Autors vom Anbeginn
tatkräftige Teilnahme. In der Gesellschaft für Ästhetik und allgemeine
Kunstwissenschaft brachte dieser die »Xaturdichtung« und »Naturmalerei«
überschriebenen Kapitel des Buches in Gestalt von Vorträgen zum ersten-
mal vor die Öffentlichkeit. Das Berliner Japan-Institut gab sich mit der
Herausgabe des Bandes die größte Mühe. Tsudzumi hat das Buch in
deutscher Sprache geschrieben, und wie er neben dem Japanischen die
deutsche Sprache auf staunenswerte Weise beherrscht, so ist er offenbar
auch in der deutschen Gedanken- und Gefühlswelt gut zu Hause. Seine
europäische Bildung benützt er aber keineswegs dazu, um damit seinen
Lesern im Westen und Osten Sand in die Augen zu streuen, sondern von
hoher geistiger Warte herab bemüht er sich ernstlich, den Deutschen und
seinen Volksgenossen die Kernunterschiede europäischer und asiatischer
Geistesart begreiflich zu machen. Aus einem Buch über europäische
Ästhetik für Japaner ist vorerst eine äußerst aufschlußreiche Einführung
europäischer Leser in japanische Kunst, Kultur und Weltanschauung ge-
worden.
Der unvergeßliche Justus Brinckmann in Hamburg hat vor mehr
als vierzig Jahren von europäischer Seite aus mit seinem auch heute
noch außerordentlich lesenswerten Buche »Kunst und Handwerk in Japan«,
das leider über den ersten Band nicht hinaus gediehen ist, aber viel mehr
enthält, als sein Titel besagt, ungefähr das gleiche Ziel im Auge gehabt.
Der Umkreis der von Tsudzumi in Betracht gezogenen Gebiete ist weiter
als derBrinckmanns, im einzelnen aber, zum Beispiel was den Holzschnitt
anbelangt, über den gerade die Leser unserer Zeitschrift von einem japa-
nischen Autor näheren Aufschluß erwarten werden, faßt er sich äußerst
knapp. Sei es, daß der japanische Kenner, obwohl bekanntlich das Insel-
reich schon seit Jahren japanische Holzschnitte aus Europa zurückkauft,
noch immer auf diesen volkstümlichsten Kunstzweig seines Vaterlandes
etwas von oben herabsieht (er nennt zum Beispiel den jetzt in Europa
so hoch geschätzten Sharaku nicht einmal mit Namen), sei es, daß
Tsudzumi die Vertrautheit mit dem japanischen Holzschnitt in Europa
und besonders in Deutschland, wo darüber in der letzten Zeit sehr viel
gearbeitet wurde, voraussetzt. Auf allen Gebieten aber sind die psycho-
logischen Grundlagen sehr klar herausgearbeitet.
Den drei Hauptteilen des Buches ist ein Kapitel vorausgeschickt,
in dem die »Rahmenlosigkeit« als Grundbegriff des japanischen Kunst-
stiles aufgestellt ist. Rahmenlosigkeit ist natürlich nicht wortwörtlich ge-
meint, weil zum Beispiel japanischen Gemälden Rahmen durchaus nicht
fremd sind. Das Wesentliche des Gedankens der Rahmenlosigkeit erblickt
Tsudzumi vielmehr darin, »daß man das unendlich Große, nämlich das
Weltganze, in einem im Vergleich zu diesem unendlich Kleinen, das heißt
dem dargestellten Gegenstand, sieht«. Diesem Hauptbegriff ordnet er die
Neben begriffe des »Bruchstückhaften« und der »Kleinheit im Maßstabe«
unter. Diese drei Denkformen erweisen sich bei seinen Austührungen als
äußerst zweckdienlich.
Der erste Teil, die Kunst der Naturgestaltung, umfaßt die Garten-
kunst, die Topfpflanzenkunst, die Kunst des Blumensteckens, die Natur-
malerei, das Kunstgewerbe und die Naturdichtung. Der zweite Teil, die
religiöse Kunst, handelt von der Architektur, der buddhistischen Plastik,
der Malerei und der Dichtkunst. Im dritten Teil, der Kunst der Lebens-
gestaltung, werden die Malerei, die Dichtkunst, die Schauspielkunst und
die Musik besprochen.
Die Darstellung ist sachlich, aber nichts weniger als trocken. Das
Buch trägt wirklich dazu bei, die japanische Kunst, ja man kann ruhig
sagen: japanisches Wesen besser verstehen, tiefer erfassen zu lehren. Die
Ausstattung ist reich und würdig. Die vortrefflichen Abbildungen werden
durch Notenbeispiele ergänzt, ein Namen-und Sachverzeichnis erleichtert
die Benützbarkeit.
Jeder wahre Freund der japanischen Kunst kann nach der Lektüre
des Buches nur wünschen, daß diese Kunst in ihrer wunderbaren Eigen-
art erhalten bleiben und nicht durch die Aufnahme oberflächlicher euro-
päischer Kunstmoden verfälscht oder gar verdrängt werden möge, wie es
leider den Anschein hat. j[. W.
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