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48. DIE KAPUZINER. GUILLET. VERNON. 49. NOINTEL UND CARREY. 59

sucht der Türken genaueres zu ermitteln. Dreimal war er im Parthenon und es
gelang ihm, unbemerkt von den Türken Vermessungen vorzunehmen, deren Genauig-
keit ihm als Sachverständigem alle Ehre macht; woneben er jedoch auch den 'Opfer-
zug' am Fries und die 'Athenageburf im Giebel nicht unbeachtet liess. (Die West-
front galt ihm natürlich als die Hanptseite, und so ward Pausanias Angabe des
Gegenstandes auf diese übertragen.) Einen kurzen brieflichen Bericht sandte er im
Januar 1676 von Smyrna nach London an den Herausgeber der Philosoplücal Trans-
actions'1'^). Er selbst ward bald darauf in Persien ermordet und seine Papiere
giengen verloren; Eastcourt hatte schon im Peloponnes seinen Tod gefunden.

Während Vernon sich in Athen aufhielt, waren Spon und Wheler in Konstantinopel 49
angekommen und wandten sich dort an den mächtigen und glänzenden Botschafter
Ludwigs XIV, den Marquis de Nointel, um von ihm Empfehlungsschreiben zu er-
halten. Hier sahen sie, um ihre Sehnsucht nach Athen noch zu steigern, vierhun-
dert Blätter mit Kunstwerken Gebäuden und Landschaften aus Griechenland und
der Türkei, darunter auch die Zeichnungen der Parthenonskulpturen, welche der
Botschafter im Jahre zuvor durch seinen Maler Jacques Carrey hatte machen
lassen2311). Nointel, von Jugend auf für das Reisen begeistert, hatte im Herbst 1671),
nachdem seine schwierige politische Mission glücklich gelöst war, mit glänzendem
Gefolge eine Reise angetreten, die ihn durch den ganzen Archipel, nach Syrien, Je-
rusalem, Tripolis und Algier, und auf der Rückreise im November 1674 nach
Athen führte. Hier fesselte den wohlunterrichteten und kunstliebenden Edelmann
gleich bei seinem ersten Besuch der Akropolis (14 Nov.) die Pracht des Parthenon
und seiner Bildwerke dermassen, dass er sofort mit dem Festungscommandanten, dem
Disdar Aga, ein Abkommen traf. Gegen ein alle Bedenken niederschlagendes Ge-
schenk von sechs Ellen schönem Scharlachstoff und einem Viertelcentner Kaffe ge-
lang es für Carrey die unerhörte Erlaubnis zu erwirken, dass er unbelästigt zeichnen
dürfe. Gerüste waren natürlich nicht gestattet, auch hätte die Zeit dazu nicht ge-
reicht, denn nur vierzehn Tage standen für die ganze Arbeit zu Gebote. Und doch
brachte der fleissige junge Mann, den sein Herr öfter bei der Arbeit besuchte, trotz
der Blendung des Marmors und trotz des sehr ungünstigen und entfernten Stand-
punktes, in dieser kurzen Zeit einundzwanzig sehr grosse und meistens ziemlich volle
Blätter zu Stande. Sie enthielten beide Giebelfelder, alle zwei und dreissig Metopen
der Südseite, den ganzen westlichen und östlichen Fries bis auf die herabgenommene
Mittelplatte des letzteren, fünfzehn Platten von der Osthälfte des nördlichen und sieb-
zehn aus der Mitte des südlichen Frieses. Damit schien vom Friese so viel gegeben
zu sein, dass wenigstens kein wesentlicher Theil übergangen war, wenn auch
manche Einzelmotive keine Aufnahme hatten finden können. Die Zeichnungen musten
natürlich rasch entworfen und konnten nur wenig ausgeführt werden, sie geriethen
aber so genau wie es die Umstände und die stilistische Manier des Schülers von
Lebrun nur zuliessen, und mit Recht konnte Nointel auf diesen Schatz von einziger

Book, which i$ wide from truth; as will appear to any body who sees the realily , though to orte
who hath not seen it, it seems pluusibly written. Nach Spons falscher Uebersetzung dieser Stelle
verdächtigt Laborde I, 251 Anm. 3 Vernein Charakter.

238) Anh. III, II. Laborde I, 247 ff. ist hier ausnahmsweise ganz unzuverlässig; Fremde und
Franzosen inisst er überhaupt mit sehr ungleichem Mass.

a9J Absehn. II § 4. Sonst vgl. Laborde I, 89 ff.
 
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