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Formen ist dort grösser und die Leere der oberen rechten Ecke ziemlich auffallend.
Beiden Metopen gemeinsam ist eine schöne Composition und ein vollkommenes Verständ-
nis für das Leben der Körperformen, daneben aber ein echt archaisches Ansichhalten wo
es gilt die Bewegung auszudrücken: der Künstler scheut noch davor zurück die letzte
hemmende Fessel abzustreifen. Der Kentaur in XXX z. B. packt ebenso wenig ordentlich
zu, wie der Lapith sich energisch gegenstemmt; die Kopfhaltung des letzteren ist dafür
sehr charakteristisch, und nicht minder in beiden Metopen das ernste Mitleid im Gesichte
des Kentauren und der schmerzliche Zug in dem des unterliegenden Gegners. Beide Met-
open sind in ihrer Art vollkommen.
4 Eine zweite Gruppe zeigt nicht sowohl Spuren von Archaismus, wie eine gewisse
Flauheit sowohl der Composition wie der Durchführung (VI. X. XXIX. XXXII). Am
schwächsten scheint VI gewesen zu sein, nächstdem XXXII: in beiden sind die Composi-
tion matt und uninteressant, die Einzelformen leer. In XXIX ist ebenfalls wenig Lebens-
gefühl in den Körpern bemerkbar. Der Oberkörper des Kentauren ist fast verkrüppelt,
sein silenenhaftes Gesicht ausdruckslos. An der Frau ist der Oberkörper zu ruhig gehalten
im Vergleich mit den unschön gespreizten Beinen, ihr Gewand ist kleinlich und mit Aus-
nahme der Falten am rechten Bein unbedeutend, ohne rechten Zusammenhang mit der Be-
wegung des Körpers. Verhältnismässig die beste Metope dieser Gruppe ist X, aber an Le-
bendigkeit und Energie der Empfindung mit den folgenden doch nicht zu vergleichen. Der
gut erfundenen Bewegung des rechten Vorderbeins des Kentauren entspricht das linke
nicht, das ungeschickt geknickt ist. Die Frau ist allzu lang und mager gerathen, die
Gewandung flach; nur zwischen den Beinen ist der grosse grade Faltenzug von guter
Wirkung.
5 Die nächste Stufe nehmen I. II. III. V. IX. XII ein, die man sämmtlich als Beispiele
einer freigewordenen Kunstübung bezeichnen kann. In XII ist das Gewand der Frau
reich und lebendig, das Drängen des Kentauren gut gelungen, dagegen die Haltung der
Beine und des Oberkörpers etwas verunglückt. I — III haben eine lebendige Composition
mit einander gemein, welche bei II in der Lapithenfigur etwas pyramidales erhält. Hie
und da tritt in der Ausführung wohl noch eine gewisse Leere hervor, die Muskeln entfalten
nicht immer die Thätigkeit welche die bewegte Handlung verlangt, in III ist die Wendung
im Kentaurenkörper nicht ganz gerathen; im ganzen aber verdient auch die Ausführung alles
Lob. Dies ist in noch höherem Grade bei V und IX der Fall, wie denn auch in ersterer
Metope die Wendung des Kentauren durchaus gelungen ist. Beide Metopen würden bei
besserer Erhaltung vielleicht zu den vollendetsten gezählt werden können, als welche
wir jetzt VII. XXVII. XXVIII bezeichnen müssen. Das energische Anstürmen des Lapi-
then in VII ist von hinreissender Gewalt und es erhält seine nothwendige Ergänzung in
dem übermässigen Zurückweichen des Kentauren, bis in den zurückgebogenen linken Arm
hinein. Alles hängt zusammen, alles ist Fluss; jede Muskel lebt, und doch tritt nichts
an den Körpern als einzelnes zu sehr hervor. Nur scheinbar weniger lebendig ist XXVII,
insofern der Andrang immer etwas frischeres hat als das Gegenstemmen und Zurück-
ziehen; sonst ist auch hier Alles voller Leben und voll inneren Zusammenhanges. Beson-
ders reich wirkt es, wie sich der schöne Jünglingskörper von dem Hintergrunde des falti-
gen Mantels abhebt. Als die Krone aller Metopen aber erscheint mir wie anderen XXVIII-
Ueberaus edel ist der Körper des Todten und unnachahmlich die wilde Siegeslust, mit
welcher das Halbthier über den Gefallenen dahinsprengt. Der Jubel und Uebermuth er-
streckt sich bis in alle Enden hinein, die Zipfel des Löwenfelles sind mit ergriffen und
lustig wirbelt der Schwanz in die Höhe (dessen Behandlung in den besseren und geringeren
Metopen überhaupt sehr charakteristisch ist).
6 Nach dem gesagten ist es klar, dass, wie schon Visconti mkn. S. 96 und
Quatremere de Quincy lettres S. 56 ff. richtig hervorhoben, sehr verschiedene Hände
an diesen Metopen gearbeitet haben. Beule' (II, 133 ff.) dachte an Anhänger der
älteren attischen Kunstweise, und nicht ohne einige Wahrscheinlichkeit hat man in
einigen Metopen gradezu myronische Einflüsse erkennen wollen, z. B. Brunn anmih
Formen ist dort grösser und die Leere der oberen rechten Ecke ziemlich auffallend.
Beiden Metopen gemeinsam ist eine schöne Composition und ein vollkommenes Verständ-
nis für das Leben der Körperformen, daneben aber ein echt archaisches Ansichhalten wo
es gilt die Bewegung auszudrücken: der Künstler scheut noch davor zurück die letzte
hemmende Fessel abzustreifen. Der Kentaur in XXX z. B. packt ebenso wenig ordentlich
zu, wie der Lapith sich energisch gegenstemmt; die Kopfhaltung des letzteren ist dafür
sehr charakteristisch, und nicht minder in beiden Metopen das ernste Mitleid im Gesichte
des Kentauren und der schmerzliche Zug in dem des unterliegenden Gegners. Beide Met-
open sind in ihrer Art vollkommen.
4 Eine zweite Gruppe zeigt nicht sowohl Spuren von Archaismus, wie eine gewisse
Flauheit sowohl der Composition wie der Durchführung (VI. X. XXIX. XXXII). Am
schwächsten scheint VI gewesen zu sein, nächstdem XXXII: in beiden sind die Composi-
tion matt und uninteressant, die Einzelformen leer. In XXIX ist ebenfalls wenig Lebens-
gefühl in den Körpern bemerkbar. Der Oberkörper des Kentauren ist fast verkrüppelt,
sein silenenhaftes Gesicht ausdruckslos. An der Frau ist der Oberkörper zu ruhig gehalten
im Vergleich mit den unschön gespreizten Beinen, ihr Gewand ist kleinlich und mit Aus-
nahme der Falten am rechten Bein unbedeutend, ohne rechten Zusammenhang mit der Be-
wegung des Körpers. Verhältnismässig die beste Metope dieser Gruppe ist X, aber an Le-
bendigkeit und Energie der Empfindung mit den folgenden doch nicht zu vergleichen. Der
gut erfundenen Bewegung des rechten Vorderbeins des Kentauren entspricht das linke
nicht, das ungeschickt geknickt ist. Die Frau ist allzu lang und mager gerathen, die
Gewandung flach; nur zwischen den Beinen ist der grosse grade Faltenzug von guter
Wirkung.
5 Die nächste Stufe nehmen I. II. III. V. IX. XII ein, die man sämmtlich als Beispiele
einer freigewordenen Kunstübung bezeichnen kann. In XII ist das Gewand der Frau
reich und lebendig, das Drängen des Kentauren gut gelungen, dagegen die Haltung der
Beine und des Oberkörpers etwas verunglückt. I — III haben eine lebendige Composition
mit einander gemein, welche bei II in der Lapithenfigur etwas pyramidales erhält. Hie
und da tritt in der Ausführung wohl noch eine gewisse Leere hervor, die Muskeln entfalten
nicht immer die Thätigkeit welche die bewegte Handlung verlangt, in III ist die Wendung
im Kentaurenkörper nicht ganz gerathen; im ganzen aber verdient auch die Ausführung alles
Lob. Dies ist in noch höherem Grade bei V und IX der Fall, wie denn auch in ersterer
Metope die Wendung des Kentauren durchaus gelungen ist. Beide Metopen würden bei
besserer Erhaltung vielleicht zu den vollendetsten gezählt werden können, als welche
wir jetzt VII. XXVII. XXVIII bezeichnen müssen. Das energische Anstürmen des Lapi-
then in VII ist von hinreissender Gewalt und es erhält seine nothwendige Ergänzung in
dem übermässigen Zurückweichen des Kentauren, bis in den zurückgebogenen linken Arm
hinein. Alles hängt zusammen, alles ist Fluss; jede Muskel lebt, und doch tritt nichts
an den Körpern als einzelnes zu sehr hervor. Nur scheinbar weniger lebendig ist XXVII,
insofern der Andrang immer etwas frischeres hat als das Gegenstemmen und Zurück-
ziehen; sonst ist auch hier Alles voller Leben und voll inneren Zusammenhanges. Beson-
ders reich wirkt es, wie sich der schöne Jünglingskörper von dem Hintergrunde des falti-
gen Mantels abhebt. Als die Krone aller Metopen aber erscheint mir wie anderen XXVIII-
Ueberaus edel ist der Körper des Todten und unnachahmlich die wilde Siegeslust, mit
welcher das Halbthier über den Gefallenen dahinsprengt. Der Jubel und Uebermuth er-
streckt sich bis in alle Enden hinein, die Zipfel des Löwenfelles sind mit ergriffen und
lustig wirbelt der Schwanz in die Höhe (dessen Behandlung in den besseren und geringeren
Metopen überhaupt sehr charakteristisch ist).
6 Nach dem gesagten ist es klar, dass, wie schon Visconti mkn. S. 96 und
Quatremere de Quincy lettres S. 56 ff. richtig hervorhoben, sehr verschiedene Hände
an diesen Metopen gearbeitet haben. Beule' (II, 133 ff.) dachte an Anhänger der
älteren attischen Kunstweise, und nicht ohne einige Wahrscheinlichkeit hat man in
einigen Metopen gradezu myronische Einflüsse erkennen wollen, z. B. Brunn anmih