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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0109
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Giottos Stefaneschi-Altarwerk aus Alt-St. Peter in Rom

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dem hl. Petrus, das heißt der Peterskirche zugewandt worden ist. Was nun noch das „depicta de manu
Jocti betrifft, so ist unser Triptychon schon für den ersten Anblick giottesk genug, um älteren Betrach-
tern für eine Arbeit des Meisters gegolten zu haben.
Auf Grund dieser einfachen Beobachtungen erhärtet sich die Richtigkeit der traditionellen Auf-
fassung von der Identität dieses Altarwerks mit der ,,tabula depicta de manu Jocti“, und was die
quellenmäßige Bezeugung angeht, so ist kein Werk für Giotto besser gesichert als eben dieses. Daß
Rintelen diesen elementaren, einfach nachprüfbaren Tatbestand vernachlässigen und behaupten
konnte2, unser Werk sei nicht das von den Quellen genannte, und daß er einen Historiker vom
Range Julius von Schlossers3 darin zum Eideshelfer gewann, läßt sich nicht ohne Enttäuschung
vermerken.
Die nächste ausdrücklich dem Altarwerk geltende Nachricht stammt aus Ghibertis um 1450 geschrie-
benen Commentaren: „Dipinse ]a capella e la tavola di San Piero in Roma“, so heißt es in der Stelle zu
Giotto4. Vasari erwähnt in der ersten Auflage der Viten den Altar nicht unter Giottos römischen Werken.
Um so wichtiger ist die in der Ausgabe von 1568 enthaltene Angabe: ,, . . . Gli fece [seil. Papa
,Benedetto IX da Trevisf, wie Vasari irrtümlich schreibt] nella tribuna di S. Pietro dipignere cinque
storie della vita di Christo, e nella sagrestia la tavola principale, ehe furono da lui con tanta diligenza
condotte, ehe non usci mai a tempera delle sue mani il piü pulitolavoro . . .“5. Die feine Ausführung ist
denn auch in der Folgezeit dem Altarwerk immer wieder bescheinigt worden, selbst von seinen erklärten
Feinden. Für die Geschichte des Werks ist wichtig, daß Vasari es bereits in der Sakristei gesehen hat,
aus der es erst im Jahre 1930 in die Galerie herübergenommen worden ist6. Giottos Malerei entsprach
nicht mehr dem Geschmack des 16. Jahrhunderts - man erinnert sich an Vasaris Bemühungen, ihre
„maniera“ als zeitbedingt seinen Lesern gegenüber zu entschuldigen - und mußte in gleichem Maße
weichen, wie die alte Petersbasilika von dem Neubau zurückgedrängt wurde.
Der Autor, der sich am genauesten mit unseren Bildern befaßt hat, war der päpstliche Archivar Jacopo
Grimaldi. ,,Tabula ex nuce Indica in utraque facie manu Jotti pictoris eximii circa annum Dni. MCCCXX
depicta“7, eine sichtlich auf unser Altarwerk beziehbare Angabe, ergänzt durch die Bemerkung, die
Wappen des Stefaneschi seien noch zu erkennen, und eine metrische Inschrift von der Art, wie sie der
Kardinal zu machen liebte und wie er sie auch unter das Mosaik der Navicella gesetzt hat, habe sich am
Sockel des Schreines befunden, bis diesen eines Tages ein Kleriker abgesägt und mit nach Hause
genommen habe. Wieso Grimaldi auf eine Entstehungszeit von 1320 gekommen ist, wird noch zu klären
sein. Zunächst aber kam durch Baldinucci ein Konkurrenz datum auf, die Zahl 1298, die, als Ent-
stehungszeit für die Navicella angegeben, natürlicherweise auch auf die Altartafeln bezogen werden
mußte. „Naviculam Sancti Petri de anno 1298 eleganti musayco faciendam curavit per manus Jocti
celeberrimi pictoris . . .“8. Eine derart mit Anspruch auf Zahlengenauigkeit vorgetragene Notiz hat
Grimaldis ,,circa 1320“ zurückgedrängt und weiteres Fragen nach der Entstehungszeit der von Ste-
faneschi gestifteten Werke zunächst als überflüssig erscheinen lassen.
Von den Autoren des 18. Jahrhunderts zitieren wir bloß den kultivierten Abbe Lanzi9, der die Tafeln als
„graziosissime miniature ed estremamente finite“ gelobt hat, um uns den Forschern des 19. Jahrhunderts
zuzuwenden. Ihnen gegenüber stellen sich zwiespältige Gefühle ein. Die Arbeitsleistung am „historischen
2 S. u. Seite 106ff.
3 In: Lorenzo Ghibertis Denkwürdigkeiten, zum ersten Male vollständig herausgegeben von Julius von Schlosser, 1—2,
Berlin 1912, Band 2, S. 112, Anm. 6.
4 Lorenzo Ghibertis Denkwürdigkeiten, ed. Schlosser, I, S. 36.
5 Giorgio Vasari, Le vite dei piü eccellenti pittori, scultori e architetti, a cura di Carlo Ragghianti, Milano 1945, I, p. 290.
8 Über die Geschichte des Altarwerks vom 14. bis zum 16. Jahrhundert sind hier keine genaueren Forschungen angestellt worden.
7 Zitiert nach Supino, Giotto, S. 62, wo auch der Titel des Grimaldi-Manuskripts angegeben ist. Siehe auch: Lionello Venturi,
La data dell’attivitä romana di Giotto, L’Arte 1918, p. 234.
8 F. Baldinucci, Notizie de’ Professor! del disegno da Cimabue in qua, Firenze, 1681, secolo I, pp. 44—45. — Siehe dazu den Aufsatz
von L. Venturi, a. a. O., wo S. 231—234 versucht wird, das Datum 1298 auf reine Gedankenkombinationen von Autoren des
17. Jahrhunderts zurückzuführen. Die Grundanschauung, daß stilgeschichtlich die Werke der Stefaneschistiftung um 1320
entstanden sein müßten, hat sich als richtig erweisen lassen; bliebe noch zu erklären, wie es zu den Nachrichten über
einen Giottoaufenthalt in Rom zur Zeit des Jubeljahres (Filippo Villani) und diesem Datum 1298 für die Navicella ge-
kommen sein kann.
9 Luigi Lanzi, Storia pittorica dell’Italia, Bassano 1789, p. 19.
 
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