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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0110

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Martin Gosebruch

Material“, unter der wissenschaftsgeschichtlichen Rubrik des Positivismus oft genug herabgesetzt,
vermerken wir mit Hochachtung. Für unseren Fall sind Crowe und Cavalcaselle zu rühmen10, die an den
Tafeln des Altarwerks als erste den Erhaltungszustand, die Maltechnik, das Gegenständliche und das
Stilistische genauer untersucht haben. Auch Max Zimmermann hat in seinem Giottobuch von 1899
präzise Beschreibungen der Tafeln niedergelegt11. Beide Autoren haben die künstlerische Qualität des
Triptychons besonders hoch eingeschätzt. „Dieses Ciborium allein würde schon genügen, Giotto als
Begründer einer neuen Malerschule auszuweisen und darzuthun, daß er in Fresko- wie in Tafelmalerei
gleiche Meisterschaft besaß.“12
Aber daneben taucht auch eine Neigung zur Kritik auf, die zu destruktiver Skepsis führen kann. So sieht
A. F. Rio in L’Art chretien (Paris 1861, p. 186ff.) große Teile des Altarwerks als Arbeiten der Giotto-
schule an - ohne daß diese Meinung sehr beachtet worden wäre. Schmerzlicher berührt es, daß gerade die
hervorragendsten Geister zuweilen in willkürliche Kritik verfielen, wes zum Beispiel die radikale Ab-
lehnung der Franzlegende Giottos durch den bedeutenden Rumohr genannt sei13. Rumohr ist es auch
gewesen, der als erster an dem „mönchischen“ Charakter der Allegorien vom Vierungsgewölbe der
Unterkirche in Assisi Anstoß genommen und damit ein folgenreiches Stichwort gegeben hat14. Gegen
Ende des Jahrhunderts fand sich denn auch der exakte Positivist ein, Carl Frey, der an den Allegorien
nur noch Schülerarbeit in der Ausführung sehen wollte15, so wie Zimmermann die eben erst durch Crowe
und Cavalcaselle ausdrücklich dem Meister zugeteilten Fresken der Jugendgeschichte Christi vom
rechten Querhaus der Unterkirche in Assisi in die Werkstatt verweisen zu können glaubte16. Räumen wir
ein, daß Händescheiden und Archivdurchforschungen zu den methodischen Errungenschaften der
Kunstwissenschaft des 19. Jahrhunderts gehören; der Wahrheit ist man deshalb nicht jedes Mal nähei-
gekommen.
Zu dem radikalen Umsturz aller Werte des bisherigen Giotto Werkes kam es aber erst im neuen, dem
20. Jahrhundert. Noch hebt Roger Fry, der sensible Interpret Cezannes, 1901 das Triptychon als das
erste Meisterwerk des Giotto hervor17, setzt es M. F. Perkins in seinem Giottobuch von 1902 an die
Spitze aller Tafelmalereien des Meisters18. Aber es war nicht mehr die Zeit für ausgewogene Urteile, die
führenden Geister wollten sich erschüttern lassen. Mit geradezu religiöser Begeisterung hat sich Friedrich
Rintelen den Arenabildern des Giotto zugewandt, mit Leidenschaft wachte er aber auch darüber, daß die
neue Lehre reingehalten wurde19. Was so den Arenabildern an Licht zukam, das wurde den meisten
übrigen Giottowerken zum Dunkel.
Ein kurzer Aufsatz in der „Allgemeinen Zeitung“ vom 13. Dezember 1905 leitet den Angriff auf den
traditionellen Kernbestand von Giottos malerischem Schaffen ein. Bezeichnenderweise richtet er sich
gegen den Stefaneschi-Altar, dessen Bilder für Rintelen, am Maßstab der Arena gemessen, des Giotto
so sehr unwert erscheinen, daß er die Identität mit den von Stefaneschi gestifteten rundweg abstreitet.
Gewiß, anders sind die römischen Bilder als die Fresken von Padua, das hat Rintelen zutreffend erkannt,
und von daher stammt auch die Haltbarkeit seiner Einsicht, die Bilder müßten merklich später als die der
Arena entstanden sein, nämlich um 1320. Zur gleichen Zeit hatte auch Adolfo Venturi in anderem Zu-
sammenhang andeutungsweise den St. Peter-Altar dem Giotto genommen und einem Schüler zuge-
10 J. A. Crowe und G. B. Cavalcaselle, Geschichte der italienischen Malerei, Deutsche Ausgabe von Max Jordan, Leipzig 1869,
1, S. 209—213.
11 Max Gg. Zimmermann, Voraussetzung und erste Entwicklung von Giottos Kunst, Leipzig 1899, S. 393—402. Diese gründliche
Beschreibung hat auch das erstmalig von Crowe und Cavalcaselle bemerkte Grundierungsverfahren der Tafeln genau erfaßt.
„Die Holztafeln sind zuerst mit Pergament überzogen, dann folgt eine Schicht Gips, dann Leinwand und über der Leinwand wieder
Gips, auf dem dann gemalt worden ist.“ Also ein außerordentlich sorgsames Verfahren.
12 Crowe und Cavalcaselle, a. a. O., S. 213.
13 Carl Friedrich von Rumohr, Italienische Forschungen, nach der Ausgabe 1827—1831 neu herausgegeben von Julius
von Schlosser, Frankfurt 1920, S. 269.
14 Rumohr, a. a. O., S. 270.
15 Carl Frey, II codice Magliabecchiano CI. XVII, 17. Berlin 1892, p. 229.
16 Zimmermann, a. a. O., S. 405, Anm. zu S. 386.
17 Roger Fry, Giotto, Monthly Review 1901. Nr. 404 der Giottobibliographie von Roberto Salvini, Roma 1938.
18 Mason F. Perkins, Giotto, London 1902. Nr. 421 der Giottobibliographie von Roberto Salvini, Roma 1938.
19 Friedrich Rintelen, Giotto und die Giotto-Apokryphen, München 1912. Wir zitieren hier nach der zweiten, verbesserten
Auflage, Basel 1923.
 
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