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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0275

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VASARIS FASSADENMALEREI AM PALAZZO ALMENI

von Hans-Werner Schmidt
In den Uffizien befindet sich eine Federzeichnung (Orn. 68; Abb. 197), einen Teil einer Palastfassade
darstellend. Auf Grund der Übereinstimmungen der architektonischen Einzelheiten mit dem Palazzo
Almeni in Florenz (Abb. 198) kann angenommen werden, daß die Zeichnung im Zusammenhang steht
mit den Fassadenmalereien, die Vasari an diesem Palaste ausgefährt hat.
Sforza Almeni, als „coppiere e primo e piü favorito cameriere del duca“ eine einflußreiche Persönlichkeit
am Florentiner Hofe, bemühte sich Ende 1553, Herzog Cosimo für die Berufung Vasaris nach Florenz zu
gewinnen. Vasari, von seiner Tätigkeit in Rom bei Julius III. enttäuscht und entschlossen, die Dienste
des Papstes zu verlassen, suchte in Florenz ein neues Feld seines Wirkens. Als daher Almeni dem noch
in Rom weilenden Vasari seinen Entschluß mitteilte, die Fassade seines Florentiner Stadtpalastes bemalen
zu lassen, wollte Vasari sich dem Wunsche seines Gönners nicht entziehen und erklärte sich bereit, den
Entwurf zu liefern1. Er gedachte mit einer ganz besonderen Leistung aufzuwarten, die alles in Rom und
Florenz bisher in diesem Kunstzweig Geschaffene weit übertreffen sollte. Nicht ohne Genugtuung mag er
die abfälligen Berichte des Bischofs Minerbetti2 über die Fassadenfresken gelesen haben, die Francesco
Pagani am Palazzo Ricasoli in Florenz gerade ausführte. Pagani hatte in herkömmlicher Weise Dar-
stellungen aus der römischen Geschichte geliefert, die ein späterer, weniger voreingenommener Beur-
teiler wie Baldinucci3 freilich mit uneingeschränktem Lobe bedenkt.
Im Briefe vom 14. Oktober 1553 an Almeni4 meldete Vasari seinen Entschluß, nicht nur die Entwürfe,
sondern auch die Arbeiten an der Fassade selbst ausführen zu wollen, da er keinen geeigneten Künstler
für diese Aufgabe finden konnte. Schon mit der nächsten Post5, am 21. Oktober 1553, übersandte er die
versprochene Zeichnung, die sogar den Beifall Michelangelos, des ,,rarissimo et divinissimo Vecchio“,
gefunden hatte.
Als Thema hatte Vasari nicht die üblichen Szenen aus der römischen Vorzeit oder aus der Geschichte der
Stadt oder der Familie des Palastherrn gewählt, wie die römischen Fassaden oder Paganis Werk sie
zeigten, sondern er hatte eine Invenzione eigener Art ausgeklügelt: , Jutta la vita dell’uomo dalla nascita
per infino alla morte.“ Das Menschenleben sollte dargestellt werden mit allen seinen Abhängigkeiten von
den geistigen Welten; ein beziehungsreiches System horizontal und vertikal über die ganze Fassade hin
gebreitet - die Palastfassade als ein Kompendium der Tugend- und Götterlehre. Die eigentlichen
erzählenden Szenen der menschlichen Lebensstufen hatten sich mit den verhältnismäßig kleinen Oval-
feldern über den Fenstern des Hauptgeschosses zu begnügen. Wichtigstes Anliegen waren die gedank-
lichen Beziehungen: Tugenden, Freie Künste, Planetengottheiten, Sternzeichen als die das menschliche
Leben gestaltenden Kräfte. Mit ähnlichem Aufwand war diese Welt bereits an der Decke des Refek-
toriums von Monte Oliveto von Vasari zitiert worden. Die zeitgenössische Kritik ließ nicht auf sich
warten. Alfonso de’ Pazzis spottende Verse: „E cosi li Aretini / Pittori e accademici hanno cura / D’inseg-
nar le scienze con le mura“, in seinem Gedicht,,Sopra la facciata di Signor Sforzo nella Via de’ Servi“6,
waren die Antwort auf geistreich sich gebärdende Pedanterien.
In den Innendekorationen des Palazzo Vecchio findet diese Thematik wenig später ihre Vollendung in
größerem Maßstabe und speziell zugeschnitten auf die Verhältnisse des herzoglichen Hauses; das Ganze
freilich nur verständlich durch eigens verfaßte Ragionamenti. Als aber um 1568 erneut eine große deko-
rative Aufgabe an Vasari herantrat, kam er nicht auf das Thema der Almenifassade zurück; im Hofdienst
inzwischen gereift, findet er einen passenderen Vorwurf für die Fassade des Palazzo Montalvo: die
Fürstengunst, in deren Glanz der höfische Besitzer sich sonnen darf7.
Sforza Almeni und auch Herzog Cosimo, auf dessen Zustimmung Vasari großes Gewicht legte, waren
jedenfalls mit dem Programm einverstanden, und Vasari konnte, nachdem er zu Anfang Januar 1554

1 K. Fkey, Der literarische Nachlaß Giorgio Vasaris, München 1923, Brief CXCVI.
2 K. Frey, a. a. O., Brief CLXXXVI.
3 F. Baldinucci, Notizie 1846, II, p. 466. 4 K. Frey, a. a. O., Brief CXCVIII. 5 K. Frey, a. a. O., Brief CG.
6 D. Heikamp, Rapporti fra accademici ed artisti nella Firenze del ’500. II Vasari XV, 1957, p. 154f.
7 E. Vodoz, Studien zum architektonischen Werk des Bartolomeo Amannati. Mitteilungen des kunsthistorischen Institutes in
Florenz VI, 1941, p. 88ff.
 
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