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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0013

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GRIECHISCHE JÄGERPAARE
(Beiträge zur Spiegelforschung III*)
von Reinhard Herbig
Der vor einiger Zeit im römischen Kunsthandel erfaßte bronzene Handspiegel etruskischer Arbeit
gehört einer Gattung an, welche ich die „Kranzspiegelgruppe“ getauft habe. Ihre Hauptkennzeichen
sind: Scheibe und Griff sind in einem Stück gegossen, der gerippt-kantige Griff läuft unten in einen schma-
len Tierkopf aus, meist den eines Rehes oder einer Hirschkuh; der äußere Scheibenrand ist erhaben
gebildet und umfaßt auch noch die Griffzunge; auf ihn folgt nach innen eine etwas tiefer liegende Zone,
welche das Innenbild unmittelbar rahmt und meist mit einem scharfblättrigen, mehrfach abgebundenen
Kranz verziert ist. Dieser kann aber gelegentlich, wie hier, durch ein paar zusammengebogene Blätter-
zweige (vom Olbaum?) ersetzt werden1. Die Zweige sprießen aus einem tulpenähnlichen Blütenkelch,
der auf der Griffzunge eingraviert ist. Das Innenbild ist gegenüber der Kranz- oder Zweigzone noch
einmal etwas vertiefter angelegt.
Die eingravierten figürlichen Darstellungen auf den Exemplaren der spätetruskischen2 Kranzspiegel-
gattung sind im großen und ganzen inhaltlich nicht allzu aufschlußreich. Es gibt allerdings unter ihnen
eine Anzahl von Stücken mit mythologischen Darstellungen von ganz besonderem Interesse, weil sie
griechische Mythen in etruskischer Wendung wiedergeben. Vielfach sind die Personen durch ihre Namen-
beischriften bezeichnet, in etruskischem Alphabet natürlich und etruskisierter griechischer Namenform,
zum Beispiel: elinai = Helena, clutumsta = Klytaimestra, achmemrun = Agamemnon. Selbst hand-
lungsarme Szenen, einfache Konversationsgruppen, wie auch auf unserem Exemplar, werden gelegentlich
durch Namengebung in die mythische Sphäre hinaufgehoben, wobei den etruskischen Spiegelgraveuren
manchmal heitere oder fatale Verwechslungen passieren. Das ist hier nicht der Fall, denn die Hälfte des
dargestellten Personals ist durch seine Attribute dem mythenkundigen Betrachter ohne weiteres ver-
ständlich. Erfassen wir aber das recht gut erhaltene, in kräftigen Furchen gezeichnete Bild erst einmal in
seiner Gesamtheit {Abb. 7).
Auf felsigem Boden stehen sich, einander zugewandt, zwei Paare gegenüber, offenbar in lebhaftem
Gespräch begriffen. Die beiden mittleren Gestalten stehen in freier Haltung da, während die äußeren in
leicht gebogener Stellung, sich mit der äußeren Hand am Grund leicht abstützend, halb sitzend sich dem
Bildrund einschmiegen. Den Hintergrund der Szene bildet eine Architektur. Sie wird aber nur gelegent-
lich in Lücken zwischen den Leibern und Köpfen der vier Personen stückweise sichtbar. Man muß sie
sich etwas mühsam zusammensuchen und findet dann die Fassade eines tempelähnlichen Gebäudes mit
einem seltsamen Rundgiebel über einer Säulenfront tuskanischer Ordnung {Abb. 2, die einer Skizze von
Fr. Hiller verdankt wird). Die Gebälkzone (Architrav) über den Plinthen der Kapitelle ist mit Andreas-
kreuzen oder auch mit einem einfachen Zickzack-Ornament geziert, in den dreieckigen Feldern sitzen
Punkte. Der ganz flach gebogene Giebel wölbt sich über ein sehr niedriges Giebelfeld mit schmalem
Horizontalgeison: sichtbar zwischen den Gesichtern der Mittelfiguren. Dort bemerkt man aber noch
mehr, nämlich auf eine kurze Strecke hin die verschieden ornamentierten Zonen des Giebelaufbaus. Die
unterste gleicht einem bandumwundenen Rundstab, die oberste ist die als „laufender Hund“ (Spiral-
wellenreihe) gestaltete, frei durchbrochen gearbeitete Sima, das heißt der Dachrand. Unmittelbar
darunter wölbt sich der eigentliche Giebelkörper, das flach bogenförmige Geison. Es besteht wiederum
aus zwei schmalen unverzierten Zonen, welche die dritte mittlere, breiter und mit einer Reihe von kleinen
Kreisen geschmückt, einfassen. In der Lücke zwischen den Köpfen der mittleren Gestalten sieht man aber
noch etwas weiteres, und zwar nur an dieser Stelle: es ist wohl noch eine Ornamentzone des Giebels (?).
Zwischen dem umwundenen Rundstab unten und dem unteren Geisonrand glänzen zwischen den Stirnen
* Es handelt sich um Arbeiten über die bekannten metallenen Handspiegel etruskischer Provenienz, deren Rückseiten mit
gravierten Bilddarstellungen meist griechischer Mythen- und Sagenstoffe verziert sind. Beitragi, „Verkannte Paare“, in: Neue
Beiträge zur klassischen Altertumswissenschaft, Festschrift für Bernhard Schweitzer, 1954. Beitrag II, „Die Kranzspiegel-
gruppe“, in: Studi Etruschi 24, 1955/56, S. 183ff. (zit.: StEtr.)
1 StEtr., a. a. 0., S. 203f.
2 StEtr., a. a. O„ S. 195: im 1. Jh. v. Chr.
 
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