Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0179

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ALBRECHT DÜRER UND DIE REFORMATION
Offene Fragen
von Heinrich Lutz
Der erste Band der von Hans Rupprich besorgten Edition von Dürers schriftlichem Nachlaß1 gibt auch
dem Historiker Anlaß, den Fragen, die dieses große Künstlerleben stellt, von neuem nachzudenken.
Unter strenger Beschränkung auf die Aussagen der schriftlichen Zeugnisse soll hier versucht werden,
einige Voraussetzungen zu behandeln, deren Klärung uns dem Verständnis von Dürers Stellung zur
Reformation näher bringen könnte.
Unser Thema ist im 19. Jahrhundert in die polemische Auseinandersetzung der Konfessionen geraten.
Es lag an der seltsamen Naivität dieses Jahrhunderts, daß bei aller Verfeinerung der kritischen Methode
doch die konfessionellen Maßstäbe und Abgrenzungen der Zeit unbesehen in eine ganz andere Vergangen-
heit zurückprojiziert wurden. Erst die Arbeit Ernst Heidrichs2 versuchte, Dürer in der religiösen Umwelt
seiner Zeit genuin zu begreifen. Es war ein Werk des Übergangs, und die Befreiung des Dürer-Bildes aus
den Fesseln inadäquater Maßstäbe ist Heidrich nicht ganz gelungen. Er übergeht die Frühzeit von Dürers
Auseinandersetzung mit der Reformation, indem er die These von „Dürers Luthertum“ als indiskutable
Ausgangsposition setzt. Er konzentriert seine Aufmerksamkeit auf die Jahre ab 1524, die er folgender-
maßen umreißt: „Dürer steht innerhalb dieser Bewegung, die einer Verengung und Festigung des
Umkreises der lutherischen Kirche zustrebt.“3
Dazu einige Bemerkungen. Die erste nachweisbare Beziehung Dürers zu Luther fällt ins Jahr 1518.
Damals dankt Luther Christoph Scheuri für ein Geschenk Dürers (wohl Kupferstiche oder Holzschnitte)4.
Im folgenden Jahr teilt Scheuri Luther mit, daß Dürer sehr an einer deutschen Übersetzung von dessen
„Sermo de poenitentia“ gelegen sei5. Anfang 1520 spricht Dürer in einem Brief an Spalatin ausführlich
über Luther. Er möchte, wenn er einmal zu Luther komme, ihn gern malen und in Kupfer stechen,
„zu einer langen gedechtnus des kristlichen mans, der mir aws grossen engsten geholffen hat“6. Wir
wissen, daß der Nürnberger während seiner Niederländischen Reise 1520/1521 Schriften Luthers kaufte7
und geschenkt erhielt8, daß er sich ein Verzeichnis der in seinem Besitz befindlichen Lutherschriften aus
den Jahren 1518—1520 anlegte9.
Das ist alles, was sich über das Verhältnis Dürers zu Luther mit Sicherheit ausmachen läßt. Die so oft
zitierte Hauptstelle, die „Klage um Luther“ im Tagebuch der Niederländischen Reise, kann nur mit Vor-
behalt benutzt werden. Die handschriftliche Überlieferung des Tagebuchs ist so, daß man mit der Möglich-
keit einer späteren Interpolierung (nach Dürers Tod) dieses ganzen Exkurses rechnen muß, der inhaltlich
und stilistisch aus dem Rahmen des übrigen Tagebuchs fällt und auch sprachgeschichtlich Schwierig-
keiten bietet10. Aber auch wenn wir diesen Exkurs zu den gesicherten Zeugnissen rechnen wollen, bleibt
bestehen, daß sich diese Zeugnisse auf die Zeit von 1518-1521 beschränken. Was bedeutet das?
1 Dürer, Schriftlicher Nachlaß, Erster Band: Autobiographische Schriften, Briefwechsel, Dichtungen, Beisehriften, Notizen und
Gutachten, Zeugnisse zum persönlichen Leben, hg. von H. Rupprich, Berlin 1956; im folgenden zitiert als Dü.
2 E. Heidrich, Dürer und die Reformation, Leipzig 1909.
3 Ebenda, S. 27. Diese Auffassung ist bis heute weithin herrschend geblieben; vgl. Panofsky, Dürer3 1 (1948), S. 233: „Dürer
never wavered for a moment in his loyalty to Luther.“
4 Dü, S. 160.
5 Ebenda, S. 162.
6 Ebenda, S. 86.
7 Ebenda, S. 160.
8 Ebenda, S. 175.
9 Ebenda, S. 221.
10 Die Sonderstellung des Lutherexkurses nach Form und Inhalt im Rahmen des Tagebuches fällt sofort in die Augen. Die von
Thausing (Dürer2 2 [1884], S. 174f.) und Leitschuh (A. Dürers Tagebuch der Reise in die Niederlande, [1884], S. 17) vertretene
These einer späteren Redaktion des Tagebuches führt für unsere Frage, die schon früher aufgeworfen, aber nie ernstlich unter-
sucht wurde (s. Dü, S. 198), nicht weiter. Denn aus zeitgenössischen Korrespondenzen geht deutlich hervor, daß der ersten
alarmierenden Meldung von Luthers Gefangennahme - man befürchtete das Schlimmste - im Abstande von etwa einer Woche
beruhigende Nachrichten folgten (vgl. für Straßburg: Luthers Werke, Ed. Weimarana, Briefwechsel 2 [1931], S. 342 und 343,
Anm. 1; für Worms: Deutsche Reichstagsakten, jüngere Reihe 2 [1896], S. 906 und 918f.). Eine ähnliche Abfolge der Nachrichten
dürfen wir auch für Antwerpen annehmen.
 
Annotationen