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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0289

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DER PALAZZO DELLA SAPIENZA IN ROM
Zur Geschichte von Planung und Bauvorgang seit dem Regierungsantritt Pius’ IV.
bis zur Übernahme der Bauleitung durch Francesco Borromini (1560—1632)
von Heinrich Thelen
Der Palazzo della Sapienza, bis vor etwa einem Menschenalter Sitz der römischen Universität, bietet sich
dem Betrachter als ausgesprochen einheitliche Bauanlage dar. Dem von vier glatten Fluchtlinien um-
schriebenen Rechteck des Grundrisses entspricht die schlichte Quaderform eines relativ großen, glatt-
flächig begrenzten Baukörpers, dessen Kern eine monumentale Hofanlage von künstlerisch differen-
zierterer, aber prinzipiell ähnlicher Grundform bildet (Abb. 204). Eine im Außenbau weniger, dafür aber
in der das innere Gefüge beherrschenden Hofarchitektur auf das stärkste hervortretende Akzentsetzung
erfährt das Palastganze durch den kühnen Kuppelturm der Sapienzakirche S. Ivo, der über dem fassaden-
artig wirkenden Konkavschwung einer der beiden Schmalwände des Hofes aufragt (Abb. 203) und das
Längsgerichtete der Figur des Gesamtgrundrisses nachdrücklich unterstreicht. Das Zusammenspiel von
Unten und Oben: von konkav eingezogener Hofwand und konvex vorspringendem Kuppelkörper, ist
von solcher Vollkommenheit des Klanges, daß die Frage, ob beide solcherart kontrapunktisch mit-
einander verbundenen Bauzonen ein und derselben Planung angehören können, sich nur dem geübten
und dadurch voreingenommenen Betrachter aufdrängt, der aus den unten und oben tatsächlich im
einzelnen andersartig gestalteten Bauformen unschwer einen Stil- und Zeitunterschied ablesen kann.
Daß jedoch auch die aus dem Cinquecento stammende Palastanlage - also abgesehen von der Kuppel-
kirche, die ihr, wie bekannt, Francesco Borromini im 17. Jahrhundert eingefügt hat - keineswegs eine
so stetige, das hieße von Stockungen, Planwechseln und dergleichen Einbrüchen verschonte Geschichte
aufweisen kann, wie die symmetrische und wohlabgewogene Baugestalt, zumal in der ganz glatten
Abgrenzung gegen das Gefüge ihrer architektonischen Umgebung im Herzen der römischen Altstadt, zu
vermuten nahelegt, hat bereits A. Munoz aufzeigen können. Seine beiden nicht nur im Titel, sondern
auch auf weite Strecken im Wortlaut übereinstimmenden und auf dem vorzüglichen Fundament der als
römische Literatur- und Bildungsgeschichte konzipierten „Storia dell’Universitä degli Studj di Roma“
von F. M. Renazzi1 aufgebauten Darstellungen der Baugeschichte2 repräsentieren die ersten im moder-
nen Sinne kunstgeschichtlichen Untersuchungen des soeben angedeuteten Themas. Offenkundig hat sich
Munoz, wie es bereits Renazzi vor ihm getan hatte, der umfangreichen, aber nicht immer klaren oder gar
zuverlässigen Materialsammlung zu einer um die Mitte des 18. Jahrhunderts geplanten Darstellung der
Geschichte der Universität, die ihr Urheber, Pantaleo Balsarini3, nicht verwirklicht hatte, bedient. In der
erstmalig kunstgeschichtlich orientierten Arbeit von Munoz wirkt sich der Umstand, daß ihre beiden im
einzelnen nicht zitierten Vorlagen, Balsarini und Renazzi, auf eine Auswertung der ungewöhnlich zahl-
reich erhaltenen Bauakten des Universitätsarchivs4 verzichten, als Mangel aus. Ein Mangel, der sich auch
in der ungleich sorgfältigeren Untersuchung, die P. Tomei5 den die Gestalt des Sapienzapalastes bestim-
menden Planungs- und Bauvorgängen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hat angedeihen lassen,
geltend macht. Das Ergebnis der Arbeit dieses allzufrüh verstorbenen Erforschers der stadtrömischen
Palastbaukunst leidet überdies unter der Beschränkung auf Quellen und Dokumente aus einem nicht
ohne Vorurteil begrenzten Zeitraum. Es mag daher von Nutzen sein, die von Spannungen und Schwan-
kungen erfüllte Baugeschichte der bestehenden Palastanlage bis zum Jahr 1632, in dem Borromini sein
1 Storia dell‘Universitä degli Studj di Roma detta comunemente la Sapienza, ehe contiene anche un saggio storico della Lettera-
tura Romana dal principio del secolo XIII sino al declinare del secolo XVIII, vol. I-IV, Roma 1803-1806.
2 II Palazzo e la Chiesa della Sapienza, in: L’Universitä di Roma, Roma 1927, pp. 19—59, und II Palazzo e la Chiesa della Sapienza,
in: L’Urbe II, 1937, fase. 10, pp. 16-30.
3 Der Vf. konnte die autographen Notizen Balsarinis in den Codizes 60-64 der Bibi. Alessandrina in Rom identifizieren: Cod.
60-63 = Memorie della Sapienza, To. I-IV; Cod. 64 = Descriptio et Ichnographia Aedifieij Sapientiae. (Im Anhang dieses letzten
Bandes sind die auf die röm. Univ, bezogenen päpstl. Erlässe [aus dem Bullarium Romanum] für den Zeitraum von Innozenz IV.
bis zu Benedikt XIII. zusammengestellt.)
4 Der historische Fundus z. Z. als Leihgabe im röm. Staatsarchiv; in der vorliegenden Arbeit durch die Abkürzung ,,ASR,
Univ.“ gekennzeichnet.
5 Gli Architetti del Palazzo della Sapienza, in: Palladio V, 1941, pp. 270-282.
 
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