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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0211

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BEMERKUNGEN ZU EINERFASSADENMALEREI
POLIDOROS DA CARAVAGGIO
AN DER PIAZZA MADAMA IN ROM
von Rolf Kultzen
Zu den zahlreichen Fassadenfresken von Polidoro da Caravaggio, die im Kommentar der jüngst erschie-
nenen Mancini-Ausgabe als verloren angegeben werden, gehört auch eine in Mancinis „Viaggio“ erwähnte
Chiaroscuro-Malerei dieses Künstlers, welche ursprünglich eine Hausfront an der Piazza Madama in
Rom schmückte1. Der Kommentar der Mancini-Ausgabe greift damit eine Feststellung auf, die bereits
von W. Hirschfeld in seinen Quellenstudien zur römischen Fassadenmalerei getroffen und seitdem mehr-
fach in der Literatur wiederholt wurde2.
Bei Mancini handelt es sich an der betreffenden Stelle seines „Viaggio“ um die kurze Bemerkung, „in
piazza Madama si vedono quelle cose di Polidoro“3. Etwas bestimmter heißt es darüber bei Vasari:
„Fecero [Polidoro und sein Gehilfe Maturino] ancora sulla piazza, dove e il palazzo de’ Medici, dietro
a Navona, una faccia coi trionfi di Paulo Emilio, ed infinite altre storie romane4.“ Zu den letzteren
gehörten offenbar auch jene „attioni delle Sabine“, von denen Celio in seiner „Memoria“ hinsichtlich
derselben Fassade ausschließlich spricht5. Darüber hinaus ließen sich in der Guidenliteratur keine
näheren Angaben über diesen Freskenzyklus nachweisen6.
Von Wichtigkeit für dessen Geschichte ist nun eine Postille in der Mancini-Handschrift der R. Biblioteca
Marciana zu Venedig (ms. 5571), auf die L. Schudt zuerst aufmerksam gemacht hat7. Ihren vollständigen
Wortlaut gibt die oben zitierte Ausgabe der Schriften Mancinis wie folgt: „Le dette opere di Polidoro sono
state levate e portate nel casino dell’Eminentissimo Antonio Barberino presso alle Quattro Fontane8.“
Mit dieser Postille wird an der gleichen Stelle im Kommentar eine von Bertolotti überlieferte römische
Diebstahlsaffäre aus dem Jahre 1611 in Verbindung gebracht, bei der einem am Corso wohnenden
Antiquar eine Reihe sogenannter Polidoro-Zeichnungen entwendet wurde, worunter sich auch Blätter
nach unserer Fassade an der Piazza Madama befanden9. Danach wäre also die Wendung „sono state
levate e portate“ im Sinne von „levare copia“ zu deuten und mithin die Postille auf eine Serie von
Zeichnungskopien zu beziehen.
Von vornherein sieht man nun schwer ein, was diese seit 1611 verschwundenen Zeichnungen mit der
Person Antonio Barberinis des Jüngeren, der übrigens erst im Jahre 1628 zum Kardinal ernannt wurde

1 Giulio Mancini, Considerazioni sulla pittura. Publ. per la prima volta da Adriana Marucchi con il comm. di Luigi Saleb.no.
Roma, Accad. Naz. dei Lincei, 1956-1957, vol. 1, p. 282 (vgl. auch p. 286, 301 und 311); vol. 2, Anm. 1486.
2 W. Hirschfeld, Quellenstudien zur Geschichte der Fassadenmalerei in Rom im XVI. und XVII. Jahrhundert, Diss., Halle
1911, S. 15, Nr. 56, 56a-b; S. 48. — G. Mancini, Viaggio per Roma, ed. L. Schudt, Leipzig 1923, S. 91, Anin. 5. — U. Gnoli,
Facciate graffite e dipinte in Roma (2. Folge), Il Vasari IX/1 (1938), p. 25.
3 Vgl. G. Mancini, a. a. O., vol. 1, p. 282 (siehe Anm. 1). Für die Topographie der Piazza Madama siehe: La pianta di Roma di
Giambattista Nolli del 1748, Nr. 805; Platner-Bunsen, Beschreibung der Stadt Rom, III/3, S. 369; A. Foschini, Il corso del
Rinascimento, Capitolium XII/2 (1937), pp. 73-89.
4 Vgl. Vasari, ed. Milanesi, V, p. 146, dessen Lesart „trofei di Emilio Paulo“ schon von G. Gronau in seiner deutschen Vasari-
Ausgabe (IV, S. 279, Anm. 19) durch „trionfi“ ersetzt wird, wobei hier auf die gleichlautende Angabe in den beiden Original-
Ausgaben des Vasari hingewiesen wird. Die im folgenden betrachteten Fresken bestätigen diese Lesart endgültig.
5 G. Celio, Memoria. Delli nomi dell’Artefici delle Pitture, ehe sono in alcune Chiese, Facciate e Palazzi di Roma. Napoli 1638,
p. 145 (vgl. L. Schudt, Le Guide di Roma, Rom 1930, Nr. 180).
6 In drei der wichtigsten römischen Guiden des 17. Jahrhunderts, nämlich bei P. M. Felini (Schudt, a. a. O., Nr. 173-179),
P. Totti (Schudt, a. a. O., Nr. 181-184) und E. Martinelli (Schudt, a. a. O„ Nr. 229-255) sind diese Malereien Polidoros nicht
einmal erwähnt.
7 G. Mancini, Viaggio per Roma, ed. L. Schudt, Leipzig 1923, S. 91.
8 Vgl. G. Mancini, a. a. O., vol. 1, p. 346. Die Abfassung dieser Marginalie dürfte sowohl nach ihrem Schriftcharakter als auch nach
einer Reihe weiterer Indizien, auf die L. Schudt in seiner Ausgabe von Mancinis „Viaggio“ (S. 21) hinweist, in die Sechzigerjahre
des 17. Jahrhunderts fallen. Daß die Fresken bereits im Jahre 1638 nicht mehr in situ zu sehen waren, dafür spricht die schon
zitierte Bemerkung Celios (vgl. Anm. 5), wo es heißt: „Vene erano di esso Polidoro delle altre, cioe in piazza Madama, una ä Casa
pia, la prima, haveva le attioni delle Sabine etc“. Dagegen werden dieselben Fresken in Mancinis 1628 sicher abgeschlossenem
„Viaggio“ (vgl. L. Schudt, a. a. O„ S. 22) offenbar noch an Ort und Stelle beschrieben. Demnach dürfte also ihre Abnahme
zwischen 1628 und 1638 erfolgt sein (siehe auch Anm. 13). 9 A. Bertolotti, Artisti
lombardi a Roma, Milano 1881, I, p. 128; über denselben Vorgang berichtet auch R. Lanciani, Storia degli scavi, III, p. 271.
 
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