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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0468

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CORNACCHINIS REITERSTATUE
KARLS DES GROSSEN IN ST. PETER
von Rudolf Wittkower
Vor mehr als dreißig Jahren begann ich in Rom Material für eine Geschichte der römischen Barockplastik
zu sammeln. Die politischen Ereignisse von 1933 machten eine Fortführung und Vollendung des Werkes
unmöglich, und heute frage ich mich auch, ob es in der von mir geplanten Form je hätte vollendet werden
können. Da die Kunstgeschichte des Barock in Rom auf den in seltener Vollständigkeit erhaltenen
Archivalien begründet werden muß, so plante ich, jedes Werk von Bedeutung so weit wie möglich zu
dokumentieren. Das hieß aber nicht mehr und nicht weniger, als die von Oskar Pollak begonnene Durch-
arbeitung der römischen Archive systematisch fortzusetzen. Diese mir selbst gestellte Aufgabe blieb
allerdings in den Anfängen stecken; noch heute ist sie unerfüllt, aber eine jüngere Generation sollte sie
als eine lockende und lohnende Verpflichtung betrachten.
Als ich ein passendes Thema für diese Festschrift suchte, kehrten meine Gedanken zu jenem Unter-
nehmen zurück, dem ich Jahre während meiner Tätigkeit als Assistent und Forschungsstipendiat der
Bibliotheca Hertziana gewidmet hatte und dessen Entstehen so eng mit dem Institut verknüpft war.
Ich entschied mich, aus dem damals zusammengetragenen und nie verwerteten Aktenmaterial eine
Probe vorzulegen, die vielleicht auf allgemeineres Interesse Anspruch machen kann. Denn Agostino
Cornacchinis Karl der Große ist nicht nur einer der bedeutendsten plastischen Aufträge des frühen
18. Jahrhunderts, sondern spielt auch eine besondere Rolle in dem ikonographischen Programm von
St. Peter. Dieses Monument, das jeder Besucher von St. Peter am linken Ende der Vorhalle gesehen hat,
hielt Cornacchinis Andenken über zwei Jahrhunderte wach, trug ihm aber auch einen zweifelhaften
Ruhm ein. Unwillkürlich lädt Cornacchinis Karl der Große zum Vergleich mit Berninis Konstantin am
anderen Ende der Vorhalle ein. Auch ohne sein Werk an dem des großen Meisters zu messen, läßt sich
nicht leugnen, daß Cornacchinis eher bescheidenes Talent der ihm gestellten monumentalen Aufgabe
nicht gerade gewachsen war.
Dennoch sind wir heute weit davon entfernt, das vernichtende Urteil des Klassizisten Cicognara zu teilen,
daß Cornacchini ,,uno de’ piü tristi scultori ehe mai trattassero lo scarpello“1 gewesen sei; diese ablehnende
Kritik hatte Gültigkeit bis ins 20. Jahrhundert. Natürlich dachten viele von Cornacchinis Zeitgenossen
anders. Giovanni Pietro Zanotti preist ihn in seiner ,,Storia dell’Accademia Clementina di Bologna“
von 1739 als „oggi celebratissimo scultore in Roma“. Für Luigi Crespi, den bekannten Fortsetzer von
Malvasias Felsina Pittrice, ist Cornacchini ein ,,rinomatissimo scultore“2, und schon im Jahre 1720 wird
das große Modell der Reiterstatue als eins der bedeutendsten Werke der Vorhalle von St. Peter genannt3.
Wie wir sehen werden, setzte Benedikt XIII. dem geschätzten Bildhauer eine lebenslängliche Pension
aus. Nach Enthüllung der Statue wurde eine Gelegenheitsschrift mit dem Titel „Relazione della Statua
equestre di Carlo Magno . . .“, Siena 1725, veröffentlicht, die den Eindruck vermittelt, daß das Monument
enthusiastisch aufgenommen wurde. Aber aus der ,,Relazione“ selbst geht hervor, daß anfangs Opposition
gegen Cornacchinis Vorschläge zu überwinden war. Es wurde geltend gemacht, daß man den größten
Auftrag in Rom nicht einem gänzlich unbekannten jungen Mann in die Hände spielen sollte. In Wirk-
lichkeit war Cornacchini damals fünfunddreißig Jahre alt4, also im besten Mannesalter; er konnte auch
auf Monumentalaufträge wie die Statue Clemens’ XI. von 1710 im Dom zu Urbino5 zurückblicken. Die
anfängliche Opposition wurde überwunden, vielleicht auf Grund der Fürsprache des einflußreichen
1 L. Cicognara, Storia della scultura. Venezia 1813-1818, VI, p. 236.
2 L. Crespi, Descrizione delle pitture, sculture, e architetture ... di Pescia. Bologna 1772, p. 37.
3 Siehe unten, S. 469, den Text im ,,Cracas“, 28. Oktober 1720.
4 Er war im Jahre 1685 in Pescia geboren. H. Keutner teilt mit (in: North Carolina Museum of Art Bulletin I, 1957/58, p. 13,
Anm. 4), daß Cornacchini im Jahre 1712 nach Rom übersiedelte. Demnach hätte er die Ehrenstatue Clemens’ XI. (siehe folgende
Anm.) in Florenz und nicht in Rom gearbeitet, was unwahrscheinlich anmutet. Es mag hier auch angemerkt werden, daß Cornac-
chini nicht um 1740 starb, wie allgemein angenommen wird, sondern im Jahre 1754 noch am Leben war. Das geht aus folgendem
Dokument des Archivio der Fabbrica di S. Pietro hervor: Am 21. März 1754 ,,ad Agostino Cornacchini scultore sc. 20 m.ta quali
sono a conto di sc. 80 simili prezzo stabilito per la Statua di S. Orsola da collocarsi sopra il Colonnato di S. Pietro invece di altra
simile rimasta rotta dal Fulmine caduto sopra di essa li 5 Ott.re dell’Anno pssto 1753, e li restanti sc. 60 gli si pagaranno finita,
e perfezzionata l’Opera.“ (Mandati 426, p. 152). 5 W. Hager, Die Ehrenstatuen der Päpste. Leipzig 1929, p. 70.
 
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