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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0379

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EIN FRÜHER ENTWURF
DES PIETRO DA CORTONA FÜR SS. MARTINA E LUCA IN ROM
von Harald Keller
Die Monographien aus dem letzten Menschenalter über die großen Architekten des römischen Barock
ruhen auf dem sicheren Fundament des Studiums der Handzeichnungen jener Künstler, welche die
gelehrten Verfasser zusammentrugen, sichteten und interpretierten. Die Werke von E. Hempel über
Borromini, von Brauer und Wittkower über Bernini, von Wittkower über Carlo Rainaldi vermochten
deshalb die Genesis der einzelnen Bauwerke zu erhellen, weil wieder ans Licht gezogene architektonische
Handzeichnungen Einblick in die intimen Wandlungen des künstlerischen Schaffensprozesses gewährten.
Dem Buche von Coudenhove-Erthal über Carlo Fontana ist eine gleiche Überzeugungskraft versagt
geblieben, weil der Verfasser von dem künstlerischen Nachlaß an Handzeichnungen seines Meisters in
Schloß Windsor keine Kenntnis hatte. Wenn wir bis heute ein Buch über Pietro da Cortona als Archi-
tekten nicht besitzen, so liegt das wohl vor allem an der Tatsache, daß Handzeichnungen des Bau-
meisters Cortona außerordentlich spärlich sind. Während eine Fülle von über 200 Handzeichnungen
zusammengebracht werden konnte, die der Vorbereitung des malerischen Werkes des Cortonesen diente1,
ist es bis heute nicht gelungen, einen größeren Fundus von Architekturzeichnungen des Meisters auf-
zufinden, der etwa dem Schatz der Borromini-Zeichnungen in der Albertina, der Bernini-Blätter in der
Leipziger Stadtbibliothek oder der Fontana-Bände in Windsor entspräche. Aber auch über den Ent-
würfen für einzelne Projekte, von denen wir Kunde haben, hat ein unglücklicher Stern gewaltet. Die
Konkurrenz-Entwürfe für den Neubau des Louvre, über die der Kammerherr Freart de Chantelou und
Bernini sich 1665 in Paris unterhielten2, sind 1871 beim Brand der Tuilerien zugrunde gegangen, die
lange für Cortona in Anspruch genommenen Entwürfe für S. Firenze in Florenz in der Handzeichnungs-
sammlung der Uffizien haben sich als Arbeiten weit geringerer und Cortona fern stehender Architekten
herausgestellt, von Projekten für vergängliche Festdekorationen in wenig dauerhaftem Material (Pappe,
Gips, Holz usw.) ist bisher nicht eines wieder aufgetaucht. So verdanken wir es eigentlich nur der voraus-
schauenden Sorge Papst Alexanders VII. Chigi, der die Bauprojekte seiner Regierungszeit in großen
Klebebänden sammeln ließ, wenn in dem Codex Chigianus P VII 10 der Vaticana die unausgeführten
Pläne Cortonas für die Ausgestaltung von Fontana Trevi auf uns gekommen sind.
Bei diesem Stand der Cortona-Forschung wird man jede neu auftauchende Architektur-Zeichnung des
Meisters dankbar begrüßen. Doppelter Anlaß zur Freude besteht aber, wenn ein solcher Fund eine ganze
Wegstrecke der Entwicklung des Künstlers in einem neuen Lichte zu sehen lehrt. Das hier vorgelegte
Blatt (Abb. 263) nimmt im Werke Cortonas tatsächlich eine Schlüsselstellung ein. Im Besitze der Staat-
lichen Graphischen Sammlung in München befindet sich ein Riß großen Formats, den Querschnitt durch
eine Kuppelkirche über dem Grundriß des griechischen Kreuzes darstellend3. Das Blatt mißt 54,5 X 41 cm,
ist in Feder ausgeführt und sparsam laviert. Die ehemals schwarze Tinte ist im Laufe der Jahrhunderte
hellbraun geworden. Die Zeichnung trägt die Inventar-Nr. 14411. Etwa auf halber Höhe (26,7 cm vom
unteren Bildrand) durchzieht eine Querfalte die Zeichnung. Dieser Knick legt die Vermutung nahe, daß
das Blatt entweder aus einem Zeichenheft stammt oder später lange in ein solches Heft eingebunden war.
Das Wasserzeichen unseres Blattes tritt so häufig auf, daß es uns nicht weiterführt. Es zeigt in ein
1 Herr Dr. Walter Vitzthum von der Universität Toronto wird einen Katalog dieser Zeichnungen in Bälde vorlegen.
2 Tagebuch des Herrn von Chantelou über die Reise des Cavaliere Bernini nach Frankreich. Hrsg, von H. Rose, München 1919,
p. 353.
3 Im Frühjahr 1937 hatte Herr Dr. Hans R. Weihrauch die große Freundlichkeit, die Aufmerksamkeit des Verfassers auf einen
Kasten mit unbestimmten Architekturzeichnungen in der Staatl. Graphischen Sammlung zu lenken, in dem sich auch unser
Blatt befand. Gleichwohl stellte unsere sofortige Bestimmung auf Cortona keine „Entdeckung“ dar, denn auf der Rückseite
trägt die Zeichnung am unteren Bildrand eine Bleistiftbeschriftung im Duktus wohl noch des 17. Jahrhunderts „Peter da Cor-
tona“. Das Blatt befindet sich demnach schon seit Jahrhunderten in Sammlungen diesseits der Alpen. Der Verfasser hat am
24. November 1938 in einer Sitzung der Münchner Kunstwissenschaftlichen Gesellschaft zuerst über den Fund berichtet und das
Blatt näher bestimmt. (Ein von uns selbst verfaßtes Resume dieses Vortrags im Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst XIII,
1938-1939, p. 248.)
Unser Bedürfnis, Herrn Hauptkonservator Dr. Hans R. Weihrauch den herzlichsten Dank auszusprechen für den Hinweis auf
den Kasten, der das Cortonablatt enthielt, ist heute noch so lebhaft wie vor mehr als zwanzig Jahren,
 
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