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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0478

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GIO. BATT. PIRANESI VERWIRKLICHT EINEN TRAUM
Eine Zeichnung zum St. Basilius-Altar in Sta Maria del Priorato
von Heinrich Brauer
Werner Körte hat in seinem Stipendiatenjahr an der Hertziana 1929/30 sich mit Piranesi als praktischem
Architekten befaßt1. Inzwischen ist viel Wichtiges und Neues - vor allem durch die Bekanntgabe von
150 Zeichnungen des Künstlers in der Pierpont Morgan Library 19482 und durch die kritische Studie von
Hylton Thomas 19543 - über Piranesis Schaffensweise und sein Werk bekannt geworden. Ulya Vogt-
Göknil verarbeitete in ihrem vornehmlich den Carceri gewidmeten Werk 1958 die in der bisherigen
Literatur geäußerten Meinungen über Piranesi und machte durch ihre feinfühlige Analyse eine in dieser
Kunst sich offenbarende tiefe Menschlichkeit sichtbar, welche Beziehungen bis in die Kunst der Gegen-
wart hinein gestattet. Als junger Künstler verzichtet Piranesi auf das Bauen, um in seinen phantastischen
Architekturplanungen völlig frei zu sein4; als dann 1765 an den Fünfundvierzigjährigen der erste Auftrag
zu einem praktisch auszuführenden Bauwerk kommt, hat er einen eigenen neuen Standpunkt zur
Baukunst gewonnen, der vom Denken seiner Zeitgenossen völlig abweicht. Auch sein Verhältnis zur
Plastik erfährt ähnliche Wandlungen. Der Altar von Sta. Maria del Priorato (Abb. 335) ist die Verwirk-
lichung eines Traumes: Die Grundidee, eine über reichgegliedertem Sockel sich erhebende Kugel, über
welcher dann erst die Hauptfigur, in diesem Fall der heilige Basilius, in Erscheinung tritt, hat Piranesi
bereits etwa zwanzig Jahre früher in gezeichneten Bauphantasien als Projekt eines Ruhmesdenkmals
vorgeführt. In drei um 1745-1753 gezeichneten, besonders schönen Blättern verwendet Piranesi das
Kugel-Monument als Zentralmotiv. In der Zeichnung des Britischen Museums (Thomas 19) erheben sich
im Vordergrund paarweise am Treppenaufgang zu einem Triumphbogen zwei girlandengeschmückte
Rundsockel, darüber sieht man jeweils eine mächtige Kugel, von hockenden Gefangenen gestützt, und,
auf der Kugel stehend, behelmte Fahnenträger. In zwei weiteren Blättern erscheint die monumentale
Kugel aus dem Vordergrund in die Tiefe gerückt, dafür aber in ihrer Bedeutung noch gesteigert. So
bildet sie in der Bostoner Zeichnung (Thomas 23) das Kernmotiv eines gewaltigen, mehrfach gestaffelten
Turmes, der zwischen vier mit Spiralfries dekorierten Säulen aufragt. Die Kugel selbst scheint hier mit
Trophäen bekrönt zu sein. Ein drittes Mal erscheint ein Denkmal dieser Art in der überaus prächtigen
Bauphantasie, dem Inneren eines Palastes (Thomas 31, Washington, Mrs. Irwin Laughlin). Wieder wird,
wie in dem Londoner Blatt, die Kugel von hockenden Sklaven gehalten, und auf ihr steht ein Held oder
Herrscher. Bezeichnend für die malerische Auffassung, die Piranesi ebenso wie für seine Bauten auch für
seine Skulpturen voraussetzt, ist, daß ein heranschwebender Genius den Herrscher krönt, und daß
Wolken von Opferrauch das Monument optisch aus den Linien der Palastarchitektur herauslösen. Aber
dennoch ist das eigentliche Kugeldenkmal mit seinem breiten Inschriftsockel völlig als plastisches Bild-
werk gemeint. Die weiten Hallen des Palastes, welcher übermächtig die Masse der kleinen Menschen in
seinen Bann zieht, scheinen durch die Aufstellung des Herrscher-Denkmals erst Sinn und Gehalt zu
bekommen. Werner Körte beschreibt, wie weit Piranesi bei seiner Arbeit an Sta. Maria del Priorato
baulich an Vorhandenes gebunden war. Den Altar aber und sein Retabulum konnte er frei gestalten.
Piranesi benutzt diese Gelegenheit, um eines seiner kühnsten Denkmalsprojekte zu verwirklichen. Nicht
nur aus der Tradition des Altarretabels ist dies Werk zu verstehen5, es ist auch aus der Übernahme von
Motiven des weltlichen Ruhmesmonuments zu erklären. Am nächsten steht der eigenartige Aufbau noch
dem, was man bei Grabmälern gewohnt war, nur daß an die Stelle der Pyramide die Kugel tritt. Das
1 Zeitschrift für Kunstgeschichte Bd. II, 1933, S. 16-33.
2 Felice Stampfle, in Art Bulletin XXX, 1948, S. 122-41, und im Katalog der Ausstellung New York 1949. Hier z. B. Piranesis
Entwürfe zur Fortführung von Borrominis Lateranbau, Stampfle 55 (Art Bull. Abb. 10), St. 56 (Kat. Abb. 11), St. 57, St. 58
(Art Bull. Abb. 11, Kat. Abb. 12, Thomas Abb. 50).
3 The Drawings of G. P. Piranesi, London 1954.
4 Vgl. Widmung der ,,Prima Parte . . . 1743“, Vogt-Göknil, S. 18.
5 Körte, a. a. O., S. 29, nennt den Filippo Neri-Altar in San Girolamo della Caritä als nächstverwandt. Von den Schriften des hl.
Basilius (330-379) erschien eine dreibändige Ausgabe 1721-1730 in Paris, ed. Garnier u. Maranos. Das Altarbild von Subleyras,
welches ihn als Überwinder des Kaisers Valens feiert, wurde 1747 in der Peterskirche enthüllt, jetzt in Santa Maria degli Angeli.
 
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