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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0135

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S. LORENZO MAGGIORE IN NEAPEL UND DIE
SÜDITALIENISCHE ARCHITEKTUR
UNTER DEN ERSTEN KÖNIGEN AUS DEM HAUSE ANJOU
von Renate Wagner-Rieger
Die gotische Architektur Süditaliens, die im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert unter der Herr-
schaft der Anjou entstand, wurde im Laufe der folgenden Jahrhunderte so sehr von Zerstörungen
und Veränderungen heimgesucht, daß es heute schwer ist, sich von ihr ein genaueres Bild zu
machen. Zu den wichtigsten und besterhaltenen Bauten der Frühzeit dieser Epoche gehört die
Kirche S. Lorenzo Maggiore in Neapel; sie soll daher zum Ausgangspunkt der Untersuchung gemacht
werden.
Die Kirche läßt sich mindestens bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgen; sie stand unter der Herrschaft
des Bischofs von Aversa und wurde 1224 vom Bischof Giovanni samt Garten, Hof und zugehörigem
Haus den Fratri minori übergeben1. Die Tradition, daß König Karl I. hier einen Neubau durchführen
ließ, um dem Volk den Ort zu nehmen, an dem es die städtischen Angelegenheiten beriet, ist nicht ver-
bürgt. Ebenso stammt die Nachricht, daß er den Neubau zur Erinnerung an seine Siege über die Hohen-
staufen gestiftet habe, erst aus einer späten Überlieferung. Den Anlaß zur Bildung dieser Tradition
könnten zwei andere Stiftungen Karls geboten haben, nämlich das Zisterzienserkloster Real Valle bei
Scafati2 zur Erinnerung an seinen Sieg über Manfred 1266 und S. Maria della Vittoria3 auf dem Schlacht-
feld von Tagliacozzo, wo er 1268 Conradin besiegt hatte.
Ein Datum für den Beginn des Neubaues von S. Lorenzo ist nicht überliefert. Mehrfach wird 1266
genannt, was aber sicherlich zu früh ist, zumal eine solche Bautätigkeit die Konsolidierung der Herr-
schaft Karls in Süditalien voraussetzen würde. In Analogie zu den genannten Zisterzienserklöstern,
die 1274 in Angriff genommen wurden, wird man den Baubeginn kaum vor 1270 ansetzen können. Einen
sicheren Anhaltspunkt haben wir erst durch die Nachricht, daß Karl (II.), damals noch Prinz von
Salerno, am 25. Januar 1284 die Summe von 2400 Goldmünzen zur Fertigstellung der Kirche (,,pro
complenda ecclesia“), welche im Auftrag seines Vaters begonnen worden war, stiftete4. Noch am 18. Mai
1300 übergab Karl II. dem Guardian des Klosters drei Unzen jährlich zur Vollendung der Kirche und
stiftete am 13. März 1306 fünfzig Unzen für eine Kapelle, in der sein Sohn Raymund Berengar (f 1305)
begraben liegt. Die Fassade zeigt über dem Portal das Wappen des Bartolomeo von Capua (1283-1328),
der unter Karl II. und Robert Protonotario war. Bei dem Erdbeben, welches 1456 Neapel heimsuchte,
muß S. Lorenzo stark beschädigt worden sein, wurde jedoch in bemerkenswert konservativer, auf die
alten Stilformen Rücksicht nehmender Weise wie der herges teilt5. 1563 und 1580 erfolgte die Verlegung
des Betchores aus dem Schiff hinter den Hochaltar, wobei die Arkaden des Chorumganges geschlossen
wurden. Die Restaurierung von 1639 unter dem Prior Fra Gennaro Rocco war mit einer Barockisierung
verbunden, welche jedoch nicht nur aus dem neuen Stilempfinden zu erklären ist, sondern zugleich eine
notwendige Sicherung des in seinem Gefüge sehr geschwächten Baues bedeutete. 1732 wurden weitere
1 L. de la Ville sub Yllon, L’abside della Chiesa di S. Lorenzo Maggiore, Napoli Nobilissima IV, 1895, p. 37. — Derselbe, La
Chiesa e il Convento di S. Lorenzo Maggiore, ebenda p. 68. - G. Filangieri, Chiesa e Convento di S. Lorenzo Maggiore in Napoli,
Napoli 1883. — H. W. Schulz, Denkmäler der Kunst des Mittelalters in Unteritalien, Dresden 1860, III, S. 38. — E. Bertaux, Les
artistes frangais au Service des rois angevins de Naples, Gazette des Beaux-Arts 1905, Bd. 34, S. 323.
2 P. Egidi, Carlo I d’Angiö e l’Abbazia di S. Maria della Vittoria presso Scurcola, Archivio storico per le Province Napolitane,
XXXIV, 1909. - Bertaux, a. a. O., S. 315. - G. Filangieri, Archivio storico delle Province di Napoli, NS. XXII, 1936, p. 251. -
R. Wagner-Rieger, Die italienische Baukunst zu Beginn der Gotik, II, Graz—Köln 1957, S. 24.— Dieselbe, Vortrag beim XIXe
CongresInternational d’Histoire de l’Art, Paris, September 1958. Schon 1269 wollte Karl auf dem Schlachtfeld von Benevent selbst
ein Kloster gründen, scheint den Plan jedoch nicht weiter verfolgt zu haben (Schulz, a. a. O., II, S. 332. - C. Minieri Riccio, Alcuni
studii storici intorno a Manfredi e Corradino, Napoli 1850, p. 77. — Derselbe, Alcuni fatti riguardanti Carlo I Di Angiö dal 6 di
Agosto 1252 al 30 Dicembre 1270 tratti dal Archivio Angioino di Napoli, Napoli 1874, p. 63).
3 P. Egidi, a. a. O. - L. Fiocca, La chiesa di S. Maria della Vittoria presso Scurcola e gli scavi eseguiti per cura del Ministero della
Pubblica Istruzione, L’Arte 1903, p. 201 f. - Bertaux, a. a. O., S. 316. - I. C. Gavini, Storia dell’architettura in Abruzzo, Milano-
Roma 1927/28, p. 401. - Wagner-Rieger, a. a. O., II, S. 25.
4 Reg. Ang. 1284 B, Nr. 48, fol. 76 (Sicola, La Nobiltä gloriosa II, p. 471).
5 G. Chierici, II restauro della Chiesa di S. Lorenzo a Napoli, Bollettino d’Arte IX, 1929/30, p. 24ff.

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