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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0081

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ZUR STILSYNTHESE UND DATIERUNG
EINER DER ÄLTESTEN GRIECHISCHEN MÖNCHSKIRCHEN
CALABRIENS: S. GIOVANNI VECCHIO BEI STILO
von Heinrich M. Schwarz (f)*
Eine bislang gar nicht oder nur ungenügend beachtete Möglichkeit der zeitlichen Fixierung von einer
ganzen Gruppe griechischer Mönchskirchen Calabriens und Siziliens bietet die Klosterkirche S. Giovanni
Vecchio, etwa zwei Kilometer nördlich der Ortschaft Stilo im südöstlichen Calabrien gelegen. Kloster und
Kirche wurden 1662 von den Mönchen verlassen, da dauernde Überfälle durch die Landbevölkeruno-,
bei denen die Mönche gelegentlich bis aufs Hemd ausgeplündert wurden, einen Fortbestand der klöster-
lichen Gemeinschaft an diesem in größter Einsamkeit gelegenen Punkt unmöglich machten. Seitdem ist
die Kirche, die ausführlich zuerst 1914 durch Paolo Orsi bekanntgemacht wurde, einem stetig zunehmenden
Verfall preisgegeben1.
Wenden wir uns zunächst der Betrachtung des Grundrisses zu {Abb. 40). Er zeigt ein gestrecktes ein-
schiffiges Langhaus, an das westwärts eine annähernd quadratische Vorhalle anschließt, ostwärts ein
Querhaus mit vorchorlosen Nebenapsiden, während die Hauptapsis um ein schmales, queroblonges Joch
mit Kreuzgratgewölbe hinausgeschoben ist. Die seitlichen Joche des Querhauses, die von etwas unter-
schiedlicher Breite sind, tragen ebenfalls Kreuzgratgewölbe. Das auch leicht queroblonge Vierungsjoch
bekrönt eine Kuppel.
Schon früher wies ich auf die Verwandtschaft dieses Planes mit dem weit monumentaleren der Kirche
S. Maria la Roccella, der sogenannten Roccelletta, bei Catanzaro hin {Abb. 41)2. Dort wie hier die gleiche
basilikale Streckung eines gewölbelosen, schmalen und einschiffigen Raumes, der nun auch in der Breite
straffer geworden ist und der durch Anfügen einer Vorhalle eine, wenn auch nicht räumlich, so doch für
den äußeren Baukörper wirksame Längendehnung erfahren hat. Die beinahe quadratische Form dieser
Vorhalle hatte eine calabrische Parallele und ihr wahrscheinliches Vorbild in der Kathedrale von Milet,
deren Gründung, wie ich nachzuweisen versucht habe, im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts erfolgte
und die 1783 durch ein Erdbeben völlig zerstört wurde3. Im annähernd quadratischen Umriß, in der
Verbindung zum Langhaus hin und in der portallosen Westwand stimmen die Vorhallen Milet und Stilo
weitgehend überein. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sie beide (und als dritte ist hier noch das ehemalige,
sogenannte Atrium des Domes von Nicastro anzuschließen) den Narthex byzantinischer Kirchen zur
Voraussetzung haben. Die über die dort übliche, schmale querrechteckige Narthex-Form hinausgehende,
dem Quadrat sich nähernde Ausdehnung der calabrischen Beispiele verrät die gleiche Tendenz einer
Romanisierung, mit der wir bereits die Streckung des einschiffigen Langhausraumes in Verbindung
* Der nachfolgende Aufsatz fand sich als handschriftliches Arbeitsfragment im Nachlaß. Er zielte auf eine ,,Stilsynthese und
Datierung der ältesten griech. Mönchskirchen Calabriens“, insbesondere der sogenannten Roccelletta bei Catanzaro (vgl. Anm. 2).
Kurz vor seinem tragischen Tode wurde H. M. Schwarz zu einer seine bisherige Ansicht über die Roccelletta offenbar grundlegend
ändernden Einstellung geführt, von der er als solcher noch berichtete, deren Inhalt er aber mit ins Grab nahm. Der Aufsatz blieb
liegen. Er endet mitten im Satz nach einer genaueren Bestimmung der Kirche S. Giovanni Vecchio bei Stilo und am Beginn einer
eingehenden Betrachtung der Roccelletta. Da der Ansatz dieses Hauptteiles noch ganz auf dem älteren Arbeitsmaterial beruht,
in dem eine neue Beurteilung des Baues noch keinen Niederschlag gefunden hat, wurde er hier fortgelassen. Zugleich mußten
angesichts des nun Fehlenden einige so knapp wie möglich gefaßte Ergänzungen und Umstellungen vorgenommen werden, um
eine Abrundung des Vorhandenen zur „Stilsynthese und Datierung einer der ältesten griech. Mönchskirchen Calabriens“ zu
ermöglichen. Die hier veröffentlichte Fassung verfälscht aber das vorgefundene Manuskript, wie ich glaube, nicht. Die wichtigsten
Nachweise sind von mir in Anmerkungen binzugefügt. Hanno Hahn
1 Paolo Obst, S. Giovanni Vecchio di Stilo, Boll. d’Arte VIII, 1914, p. 337ff.; enthalten auch in P. Orsi, Le chiese basiliane della
Calabria, Firenze 1929, p. 41 ff. (mit ält. Lit.; dieser Band hinfort „Orsi“ zit.); Stefano Bottari, Chiese basiliane della Sicilia e
della Calabria, Messina 1939, p. 32ff.; Pietro Lojacono, L’architettura bizantina in Calabria e Sicilia, Atti del V. Congr. Internaz.
di Studi Biz. (1936) = Studi Biz. e Neoellenici VI, Roma 1940, p. 183ff.; stets unsichere Datierung des Baues (Mitte 11. bis
12. Jh„ vgl. Anm. 7); zum Historischen zuletzt Mario Scaduto, II monachismo basiliano nella Sicilia medievale, Roma 1947.
2 Heinrich M. Schwarz, Die Baukunst Calabriens und Siziliens im Zeitalter der Normannen I, Die lateinischen Kirchengründungen
des 11. Jahrhunderts und der Dom in Cefalü, Römisches Jahrbuch f. Kunstgeschichte VI, 1942/44, S. 13ff. (Datierung ins letzte
Viertel des 11. Jhs.)
3 Schwarz, a. a. O„ S. 27ff. (mit Rekonstruktion des Grundrisses nach einem Plan von 1586).
 
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