Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0080

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
76

Walter Holtzmann. Papsttum, Normannen und Griechische Kirche

Grundsatz, daß der Bischof die Aufsicht über die Klöster seiner Diözese führen soll34. Privilegien für
griechische Empfänger besitzen wir nur sehr wenige: ein einziges, von Lucius III., für einen griechischen
Erzbischof, Meletes von S. Severina; es bewegt sich in den üblichen Formeln35. Interessanter ist ein
Privileg Alexanders III. für den lateinischen Erzbischof Roger von Reggio, der das Recht erhält con-
secrandi episcopos tarn graecos quam latinos ecclesiae tuae subiectos36. Sehr gering an Zahl sind auch die
erhaltenen Privilegien für griechische Klöster; man hat da mit großen Verlusten in der Überlieferung,
vielleicht aber auch mit einer gewissen Indifferenz der Empfänger, die ja zugleich auch die Bittsteller
waren, der Kurie gegenüber zu rechnen. Der Papst selbst legte, wie wir sahen, lediglich Wert auf die
Anerkennung seiner obersten geistlichen Gewalt, die sich in der Weihegewalt den Erzbischöfen gegenüber
äußerte (natürlich auch gegenüber den von der Metropolitangewalt eximierten Bischöfen, die aber alle
lateinisch waren). Der Anspruch, den Urban II. dem vertriebenen Basileios von Reggio gegenüber
erhoben hatte, war wohl begründet, denn vor dem Einbruch der Bar bar en Völker war der Bischof von
Rom zugleich auch Erzbischof von ganz Italien gewesen. Die Aufgliederung in Erzbistümer ist die Folge
späterer Entwicklungen; in Unteritalien fand sie erst in der Normannenzeit, in Sizilien gar erst kurz vor
ihrem Ende den Abschluß. Das spätere 12. Jahrhundert ist aber zugleich auch die Zeit eines raschen
Ausbaus des Kirchenrechts; die Kanonisten interessierten sich für den juristischen Inhalt der päpstlichen
Mandate, und so erfahren wir aus ihren - zunächst privaten - Sammlungen mancherlei über die grie-
chische Kirche Unteritaliens. Aus derartigen Quellen stammen die schon besprochenen Verfügungen an
den Erzbischof von Otranto und den Archimandriten von S. Maria del Patir37. Ein anderer Brief aus
analogen Sammlungen, offensichtlich nach Sizilien (Mazzara) gegangen, enthält einen interessanten
Sachverhalt: ein gewisser Nicolaus, der seinerzeit in Paris studierte, beklagte sich, daß zwei seiner
Pfarrkinder (parrochiani), Johannes Grafeus und Philippus Lagene, ihm keinen Pfarrzehnten zahlten
mit der Begründung, als Griechen seien sie dazu Lateinern gegenüber nicht verpflichtet. Der Papst,
Celestin III., weist das ab: der ritus Graecorum sei zwar von dem lateinischen in aliis verschieden, aber
Pfarrzehnten gäbe es auch bei den Griechen, und da die Besitzungen der beiden Steuerhinterzieher in
einer lateinischen Diözese (in Sizilien gab es überhaupt keine griechischen) lägen, es an ihrem Wohnort
keine griechische Kirche gäbe und sie ihre Kinder in einer lateinischen taufen ließen, seien sie auch zur
Zehntzahlung verpflichtet. Von dem Kleriker Nicolaus, der sein theologisches Studium in Paris also
offenbar mit den Einkünften einer Pfarrei in Sizilien finanzierte, wissen wir weiter nichts, aber einer der
Griechen, Johannes Graffeus, ist für das Jahr 1183 als Mitglied der obersten Fiskalbehörde urkundlich
bezeugt38. Dieser interessante Brief ist später nicht in das neue offizielle Rechtsbuch der Kirche, die
Dekretalen Gregors IX., übernommen worden; dafür findet sich darin ein anderer Fall (V 38, 7), den
Clemens III. in einem Brief an den Bischof von Agrigento entschied: wie griechische Priester zu bestrafen
seien, die absichtlich oder unabsichtlich Kinder in ihrem Bett erstickten. Abgesehen von dem kultur-
geschichtlichen Interesse, das der Brief bietet, ist er aufschlußreich durch die Feststellung des Papstes,
daß dem griechischen Klerus die Ehe erlaubt ist.
Die Kirchenrechtsquellen des ausgehenden 12. Jahrhunderts lassen also eine durchaus friedliche Symbiose
zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche in Unteritalien erkennen. Allzu tief scheint die
Kenntnis von den griechischen Gewohnheiten an der Kurie nicht gegangen zu sein, wie die wiederholten
Eingeständnisse verraten, man wisse nichts Genaueres über sie. Alte consuetudines wurden auch ander-
wärts in der abendländischen Kirche von den Päpsten respektiert; die griechische Kirche Unteritaliens
war am Ende der Normannenzeit in die abendländische ein gegliedert, uniert, wie der spätere Fachaus-
druck lautet, und das war doch wohl das Ergebnis der Kirchenpolitik der ersten normannischen Beherr-
scher Siziliens.
34 Ich habe diese Auffassung begründet in meinem Aufsatz: Das Privileg Alexanders II. für S. Maria Mattina, in: Quellen und
Forschungen 34 (1954), S. 65-87, bes. S. 76ff., 82ff.
35 Erst von Kehk aufgefunden und gedruckt in: Göttinger Nachrichten 1900, S. 259 n. 20.
36 JL. 11239. 37 Vgl. S. 72 und 75.
38 Der Brief ist neu herausgegeben und besprochen worden von mir in: Quellen und Forschungen 38 (1958), S. 161 n. 220. Hono-
rius III. behauptet allerdings in seinem Privileg für das Basilianerkloster S. Nicola in Casole, daß die Graeci usque ad haec tempora
decimas solvere minime consueverunt (D. Vendola, Documenti Vaticani relativi alla Puglia 1, Documenti tratti dai registri
Vaticani [da Innocenzo III a Nicola IV], Trani 1940, p. 85 n. 89), ein neuer Beleg für die Unsicherheit der Kurie über das grie-
chische Kirchenrecht, der wir in den besprochenen Dekretalen mehrmals begegnet sind.
 
Annotationen