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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0079

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Papsttum, Normannen und Griechische Kirche

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daß dies schon durch Roger II., vielleicht erst gegen Ende seiner Regierungszeit, geschah. Noch an einer
dritten Stelle findet sich in der Normannenzeit der Archimandritentitel, nämlich in S. Maria del Patir bei
Rossano. Dieses berühmteste aller unteritalienischen Basilianerklöster wurde wohl noch vor 1100 von
einem von der eremitischen zur klösterlichen Lebensform übergehenden Asketen Bartholomaeus, dem
Jtarqp (Patir), gegründet und von einem in der Jugendzeit Rogers II. höchst einflußreichen Hofbeamten,
dem ,, Admiral” (Emir) Christodulos, vielleicht einem zur Orthodoxie konvertierten Moslem, stark
gefördert; von Patir aus wurde S. Salvatore in Messina besiedelt. Der Titel Archimandrit für den Abt
von S. Maria del Patir taucht aber zum ersten Male in einer erst neuestens bekannt gewordenen Dekretale,
einem Brief Celestins III. vom Jahre 119229, auf, in welcher dem Archimandriten auf seine Anfrage hin
Auskunft erteilt wird, wie weit seine Strafgewalt Mönchen seines Klosters gegenüber geht, die sich gegen-
seitig verprügelt hatten. Der Brief zeigt übrigens auch, daß der Papst von den griechischen Mönchen
durchaus als oberste richterliche Instanz anerkannt wurde. Ob nun für S. Maria del Patir ebenfalls (wie
für S. Elia di Carbone) ein genau umgrenzter geographischer Bezirk von der Regierung festgestellt
worden ist - im nördlichen Calabrien, das heißt im Gebiete der Sila, wäre dafür Platz gewesen - oder ob
der Archimandritentitel seine eigentliche Bedeutung zu Ende des 12. Jahrhunderts schon verloren hatte -
die Entwertung byzantinischer Titulaturen ist eine allbekannte Erscheinung -, wissen wir nicht. Und
ebenso ist nichts bekannt über die Organisation südapulischer Basilianerkonvente, unter denen S. Nicola
in Casole wenigstens als literarisches Zentrum einigermaßen greifbar ist.
Die Weltpolitik, die Roger II. in den letzten Tagen seiner Regierung trieb und treiben mußte, um seine
Staatsschöpfung zu behaupten, hat vielleicht auch eine Wendung in seinem Verhalten der griechischen
Kirche gegenüber verursacht. Die Wiederaufnahme der gegen Byzanz gerichteten Eroberungstendenz
während des zweiten Kreuzzugs, die Reaktion des Kaisers Manuel dagegen in den Jahren nach Rogers
Tod, die noch einmal ein griechisches Heer nach dem unteritalienischen Festland führte, dessen glück-
liche Vertreibung durch Wilhelm I. haben der griechenfreundlichen Einstellung des Hofes von Palermo
ein Ende bereitet. Franzosen und Engländer gewannen in der Folgezeit am Hofe das Übergewicht.
Das griechische Mönchstum ist in der letzten Periode der normannischen Herrschaft in unaufhaltsamem
Rückgang. Jetzt erst treten Fälle von Umwandlung griechischer Klöster in lateinische auf30. Natürlich
waren Griechen in der staatlichen, besonders in der Finanz Verwaltung, nicht zu entbehren und rückten
sogar in leitende Stellungen ein31, aber für die Frage der Beziehungen zwischen Papsttum und sizilischer
Krone hatten die griechischen Kirchen ihre Bedeutung verloren.
In den Papsturkunden und -briefen unserer ganzen hier betrachteten Periode gibt es in dem von mir
gesichteten Material, wenn ich nichts übersehen habe, nur eine einzige griechenfeindliche Äußerung eines
Papstes. Sie steht in der Einleitung eines Privilegs Paschalis’ II. für das seit 1097 mit Lateinern besetzte
Bistum Squillace vom Jahre 111032, wo tarn ex illa (Squillace) quam ex ceteris Calabrorum ecclesiis
Graecorum tyrannica cessavit invasio. Die Behauptung trifft nicht zu, denn die Graecorum invasio war
damals noch keineswegs aus allen calabresischen Bischofskirchen gewichen, man denke nur an Rossano
und S. Severina. Vielleicht ist die Äußerung noch eine Nachwirkung der antibyzantinischen Propaganda,
die Bohemund von Tarent einige Jahre vorher auf den Papst losgelassen hatte33. Sonst gibt es, vor allem
aus der Anfangszeit, nur Anhaltspunkte für eine korrekte Einstellung der Kurie, die bei der Wieder-
herstellung der kirchlichen Organisation und der Neugründung von Klöstern ältere Rechte und Besitz-
titel gewahrt sehen wollte. Es wird ihr sicher nicht unbekannt gewesen sein, daß diese älteren Ansprüche
in griechischen Händen lagen. In Privilegien Alexanders II. und späterer Päpste für die Erzbischöfe von
Bari, Trani und Acerenza - also in Apulien und Lucanien - werden in der Besitzklausel die bischöflichen
Rechte über griechische und lateinische Klöster bestätigt, nach dem schon erwähnten altkirchlichen
29 Gedruckt bei W. Holtzmann, La „collectio Seguntina“ et les decretales de Clement III et Celestin III, in: Revue d’histoire
ecclesiastique 50 (1955), p. 440 c. 74, und in: Quellen und Forschungen 38 (1958), S. 155 n. 208.
30 Z. B. die Übertragung des Basilianerklosters S. Maria de Ligno in der Diözese Palermo an die Zisterzienser von S. Spirito in
Palermo; vgl. Scaduto, a. a. O., S. 141-143. - Daß ein Passus in dem verfälschten Privileg Alexanders II. für S. Maria Mattina -
jetzt auch ed. A. Pkatesi, Carte latine di abbazie calabresi provenienti dall’archivio Aldobrandini, Studi e testi 197, Cittä del
Vaticano 1958, p. 13 n. 3-, in dem Robert Guiskard die Umwandlung von griechischen Klöstern in lateinische gestattet wird,
eine spätere Interpolation ist, glaube ich in: Quellen und Forschungen 34 (1954), S. 82-85, nachgewiesen zu haben.
31 Vgl. hierfür das gelehrte Buch von Evelyn Jamison, Admiral Eugenius of Sicily, his life and work, London 1957.
32 JL. 6259. 33 Vgl. dazu den Brief Bohemunds, den ich im N. Archiv 50 (1934), S. 280-282, abgedruckt habe.
 
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