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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0274

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270

Paul Künzle. Die Aufstellung des Reiters vom Lateran durch Michelangelo

vorzubringen gehabt hätte, wie er aus seinem Munde selbst vernommen haben will. Übrigens wird
jedermann beim Lesen des Briefes klar, daß der Papst sich wirklich mit Michelangelo über seine Absichten
ausgesprochen hat. Es besteht jedoch gewiß sehr geringe Wahrscheinlichkeit, daß er, noch besonders
wo offenbar ein größeres Aufsehen vorläufig möglichst vermieden wurde, bis eines Tages sozusagen voll-
endete Tatsachen vorlagen, sich von einem Vertrauensmann zum anderen gewandt hätte; wenn also
Paul III. sich mit der Angelegenheit an den Meister wandte, so war auch gegeben, daß sich dieser damit
befassen sollte; hätte er sich geweigert, so mußte jedenfalls dieser Brief ganz anders ausfallen.
Die Erwähnung der Marmorgruppen von Monte Cavallo, die an sich etwas verwunderlich vorkommen
mag, erklärt sich wohl allein in Hinsicht auf den Zweck dieses Briefes, und dieser wiederum erhellt wohl
nirgends so klar wie in jener Bemerkung. Denn daran soll ebensowohl das anfängliche Sträuben des
Meisters, das einzige, was von ihm in der Sache zu erwarten war, nachgewiesen und am Erfolg in betreff
jenes Vorhabens bemessen werden, als am Versagen in bezug auf das Reiterstandbild die Wirkung der
höheren Macht aufscheinen und damit jeder Verdacht der Schuld vom Meister fernbleiben muß, was nur
möglich und nötig wurde, wenn er mehr mit der Angelegenheit zu tun hatte als bloß des Rates zu
pflegen.
Obigen Zeilen dieses Briefes ist folglich gewiß nie zu entnehmen, daß gerade damals, als die Überführung
des Marc Aurel in Frage kam, Michelangelo seinen Sockelentwurf noch nicht geliefert habe, sondern daß
von irgendeinem Unbekannten ein nunmehr verschollener und nur noch im einen oder anderen unzu-
länglichen graphischen Zeugnisse zu erkennender, rechteckiger Sockel geschaffen wurde. Im Gegenteil
ist zwischen den Zeilen ganz unmißverständlich gesagt, welchen Anteil Michelangelo an der Vorbe-
reitung nahm.
Es dürfte also endlich wohl kein Zweifel mehr bestehen, daß schon geraume Zeit vor der Übertragung des
Bronzebildwerkes Michelangelo besorgt war, einen neuen, zeitgemäßen, dem Standort angemessenen
Sockel bereitzustellen für den Reiter vom Lateran. Auf diesen Fuß wurde, bald nachdem es am 18. Januar
auf dem kapitolinischen Hügel angekommen war, das Standbild erhoben, und am 25. des Monats hat
der Papst dem damit neugeschaffenen Platz seinen ersten Besuch abgestattet, um sich am Anblick zu
erfreuen, nicht weniger wohl aber auch, um in diesem neu errichteten antiken Reiterstandbild das
künftig wiederherzustellende Kapitol57 zu weihen.

57 Mit dem erreichten Aufschluß über die Ankunft des Reiters auf dem Kapitol und der Klärung der Geschichte des Sockels
dürften zuverlässige Voraussetzungen geschaffen sein für eine genauere Beurteilung der Schöpfung der Piazza di Campidoglio und
somit für einen dritten Abschnitt, der hier nun aber nicht mehr folgen kann, über die,, Wiederherstellung des Kapitols1 ‘. So haben die
ausführenden Beamten, sozusagen die Testamentsvollstrecker Michelangelos, in der Bauinschrift (Forcella I, p. 38, Nr. 64) das
Unternehmen benannt.
Abbildungsnachweis. Abb. 188, 190, 195, 196: H. Thelen, Rom.
 
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