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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0134
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Martin Gosebruch. Giottos Stefaneschi-Altarwerk aus Alt-St. Peter in Rom

geworden, bei entsprechend gesteigerter Kraft der rhythmischen Bindung, und es steht gereifte mensch-
liche Erfahrung hinter diesen Bildern.
Offensichtlich aber ist innerhalb der letzten fünfzig Jahre im Zusammenhang mit dem Aufkommen
der Modernen Kunst der Sinn für das Mannigfaltige verdrängt worden durch den Hang zur Verein-
fachung, der sich zu rasch mit dem Erreichen des „Wesentlichen“ gleichgesetzt hat und uns so häufig
hinter den Forderungen nach Reduktion und Abstraktion den Glauben erkennen läßt, das Einfache sei
bereits das Geistige. Gäbe es nicht diesen tieferen Antriebsgrund, der gewiß methodologisch nicht
angreifbar ist, so müßte es als ein Akt der Willkür bezeichnet werden, daß man das Giottowerk auf den
Nenner der Arenafresken hat bringen können.
Aber ist es nicht erfreulich, daß sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse immer wieder zu wandeln
vermögen, genau so wie sich der Maler Giotto in seinem Schaffen verwandelt hat? Von Rintelens Be-
geisterung brauchen wir nichts verloren zu geben, denn sie hat uns nicht nur den Giotto von der Seite der
Arenafresken her neu lebendig werden lassen, sondern darüber hinaus gerade in ihrer Unbedingtheit die
nachfolgenden Wissenschaftler zur Auseinandersetzung gezwungen und auf neue Wege gebracht. Wer
dächte hier nicht an Goethes Wort, daß ohne Parteilichkeit nicht leicht etwas Tüchtiges geleistet werden
könnte? Mag die Erfahrung von den starken Veränderungen im wissenschaftlichen Giottobild weniger
die Skepsis an den Möglichkeiten des Erkennens überhaupt nähren als vielmehr bezeugen, daß es
Menschen sind, die sich mit der Kraft ihres Wünschens und Wehrens in den Dienst der Erkenntnis
stellen, und daß sich für sie die Wunder der Kunst nicht erschöpfen können.
wird man durch die Freilegung des Malwerks neue Argumente erhalten. Vielleicht sind sie unmittelbar vor, vielleicht
unmittelbar nach Giottos Neapolitaner Aufenthalt entstanden. Die Frage nach dem Neapolitaner Giotto wird demnach auch
neu zu stellen sein, wobei sich hier die seit Rintelen und der Kritik des 19. Jahrhunderts gesichert scheinenden Erkenntnisse
aufheben dürften. — Das letzte Werk der Stefaneschi-Stiftung schließlich, der Georgscodex, wird in den Kreis des Giottowerkes
zurückkehren können, in dem es die älteren Autoren bereits angeordnet hatten.
Es wird also eine neue Vorstellung vom Giottowerk herauf kommen, die auf die Weise der Wissenschaft das alte, von den
Quellen überlieferte Bild bestätigen wird.
Abbildungsnachweis. Sämtliche Vorlagen stammen von der Direktion der Vatikanischen Kunstsammlungen.
 
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