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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0212
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208

Rolf Kultzen

und den Palazzo Barberini nicht vor Ende der Dreißiger]ahre bezog, überhaupt zu tun haben sollen10.
Völlig ausgeschlossen aber wird der oben angenommene Sachverhalt durch die Tatsache, daß sich wesent-
liche Teile jener Fresken Polidoros von der Piazza Madama bis heute im Palazzo Barberini erhalten
haben, wohin sie nach Aussage der Postille zu Mancinis „Viaggio“ schon im 17. Jahrhundert übertragen
worden sein müssen (Abb. 139, 140, 142, 143)11. Im übrigen hat bereits Ernst Platner diese in zwei
Erdgeschoßräumen des Palastes befindlichen Stücke am gleichen Ort beschrieben und als Arbeiten
Polidoros erkannt, ohne sich allerdings über ihre Herkunft im klaren zu sein12. Daß sie tatsächlich von
der Piazza Madama stammen, bestätigt im weiteren eine Reihe von Nachstichen Cherubino Albertis,
mit deren Hilfe gleichzeitig eine Rekonstruktion jener Fassadenmalerei Polidoros über die erhaltenen
Reste hinaus möglich wird (Abb. 138, 141)13.
Bei den Stücken im Palazzo Barberini handelt es sich um vier in Chiaroscuro ausgeführte, teilweise
leider bis zur Entstellung übermalte Friesfragmente. Zwei von diesen (Abb. 139, 140) lassen sich zu dem
bei Cherubino Alberti in einem Blatt überlieferten Triumph des Aemilius Paulus vereinigen (Abb. 138),
den Vasari an der Piazza Madama beschreibt. Ein weiteres (Abb. 143) zeigt etwa den dritten Teil einer
ebenfalls von Alberti nachgestochenen Frieserzählung, welche offenbar mit der von Celio als „attioni
delle Sabine“ angesprochenen identisch ist (Abb. 141). Das vierte Fragment schließlich gibt einen inthroni-
sierten, von huldigenden Barbaren umringten Feldherrn im Adlocutiogestus zu erkennen (Abb. 142).
Dieses sonst nirgends überlieferte Stück gehört stilistisch zu den übrigen, ohne thematisch eindeutig auf
jene bezogen zu sein.
Von den genannten Darstellungen vermittelt diejenige mit dem Triumph des Aemilius Paulus (Abb. 138
bis 140) bildmäßig den geschlossensten Eindruck, obwohl der überschnittene Arm des nach vorn wei-
senden Soldaten rechts am Rande zweifellos auf eine Fortsetzung des Frieses über diese Stelle hinaus
deutet. Ein dicht aufgeschlossener Figurenzug ist hier in seiner Gesamtheit vom Schwung einer durch-
laufenden Bewegung erfaßt, die zur Linken mit dem prachtvoll entwickelten Motiv der geflügelten Nike
ansetzt, in der statuarischen Haltung des Triumphators noch einmal gebändigt erscheint, um sich dann,
wie befreit, den weit ausschreitenden Tubabläsern und den mit Trophäen und Beutestücken beladenen
Soldaten mitzuteilen.
Variierter im Ablauf ist der sogenannte Sabinerinnenraub (Abb. 141, 143). Gegeben ist hier der Überfall
einer Schar von Bewaffneten zu Fuß und zu Pferde auf eine Gruppe von Frauen, Kindern und Greisen,
die mit eilig zusammengeraffter Habe vor den Angreifern fliehen, während einzelne männliche Gestalten
vergeblich ihren Weg zu decken suchen. Die Darstellung ist durchsetzt mit eindrucksvollen szenischen
Akzenten, wobei die groß gesehenen figürlichen Attitüden trotz ihrer gesteigerten Auffassung einen am
Beispiel der Dakerschlacht vom Konstantinsbogen direkt faßbaren Einfluß römischer Reliefkunst
verraten. Unverkennbar ist daneben das Vorbild Raphaels für die Frauengruppe zur Rechten, die
übrigens durch spätere Übermalung nicht nur schlecht restauriert, sondern sogar wesentlicher Details
gänzlich beraubt wurde14.
10 Siehe L. v. Pastor, Geschichte der Päpste, XIII/l, S. 255 und S. 260 mit Anm. 8.
11 Vgl. Anm. 8 und 13. 12 Platner-Bunsen, a. a. O., III/2, S. 436f.
13 Siehe A. Bartsch, XVII, p. 109/10, Nr. 160, 4—5, an welcher Stelle beide Blätter irrtümlich unter dem Titel „un triomphe
de deux empereurs Romains“ zusammengefaßt werden. Übrigens läßt auch die Herausgabe der Stiche im Jahre 1628 darauf
schließen, daß die Fresken nicht vor diesem Zeitpunkt abgenommen wurden, da sie hier in einem vollständigeren Zustand
erscheinen, als sie heute im Pal. Barberini erhalten sind. - Das in der Vaticana (Barb. lat. 5635, fol. 56-68) auf bewahrte Inventar
der Bildersammlung des Pal. Barberini vom 3. Dez. 1631 nennt übrigens noch keine Arbeit von Polidoros Hand (vgl. O. Pollak,
Die Kunsttätigkeit unter Urban VIII., Bd. I, 1928, S. 335f). Unzugänglich blieb mir leider das ebenfalls in der Vaticana befind-
liche „Inventario delli quadri e delle statue deU’Eminentimo Sr Cardle Antonio fatto nel mese di aprile 1644“ (Arch. Barberini,
III-XVIII, 158), das nur teilweise veröffentlicht ist durch G. Incisa della Rocchetta, Notizie inedite su Andrea Sacchi,
L’Arte XXVII, 1924, p. 70.
14 Vgl. auch Platner-Bunsen, a. a. O., S. 437. Am auffälligsten ist das Fehlen der in die Kniee gebrochenen Korbträgerin
rechts im Vordergrund. Die schräg links dahinter erscheinende Frau trug ursprünglich ein Kind in den Armen; auf dem restau-
rierten Fragment ist ihr ein Stab über die Schulter gelegt, und rechts von ihr ist ein ehemals nicht vorhandener, nach hinten
gewendeter Frauenkopf eingefügt usw. - Die in einer Zeichnungskopie des 16. Jhs. aus dem Louvre (Inv.Nr. 6195; Feder lav.,
228 x 257 mm) angedeutete Verbindung des sog. Sabinerinnenraubes mit dem Triumph des Ae. Paulus zu einer zusammen-
hängenden Friesdarstellung ist vom Thema her so wenig wahrscheinlich, daß man hier eher ein selbständiges Vorgehen des
Kopisten vermuten darf.
 
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