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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0380
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376

Harald Keller

hochovales Medaillon eingeschlossen das Jesus-Monogramm JHS, darüber ein lateinisches Kreuz, das
auf dem Querbalken des H aufsteht. Dies Wasserzeichen tritt schon im frühen 16. Jahrhundert in der
Lombardei auf4, ist aber dann im Barock und im Rokoko über ganz Europa verbreitet5.
Während auf unserer Zeichnung alles eigentlich Tektonische festliegt, trägt sie dekorative Einzelheiten
in Varianten vor, wobei die rechte Hälfte des Blattes den Vorschlag der linken Hälfte, ab wandelt. So ist
zwischen die Türen und die Goretti der Vierung jeweils eine mittlere Zone eingeschoben, die ein Epitaph,
sonst irgendeine Inschrift oder ähnliches aufnehmen sollte. Diese Rahmen wie die Supraporten darunter
variieren in beiden Bildhälften. Auch die Rahmungen in der Fensterzone des Kuppelfußes sind ver-
schieden gebildet. In der linken Bildhälfte wird für sie ein Hochformat, in der rechten Hälfte ein
Breitformat vorgeschlagen. In die Gewölbe des linken Querarmes sind achteckige Kassetten aus Stuck
eingetragen, an der entsprechenden Stelle im rechten Querhaus sechseckige. Schließlich weichen die
Sarkophage der beiden Wandgrabmäler in den Querarmen in ihrem Aufbau voneinander ab. Der rechte
Sarkophag zeigt jene Volutengiebel als Bekrönung, wie sie seit Michelangelos Medicäer-Gräbern üblich
waren, während das linke Grabmal einen toskanisch-strengeren und trockeneren Aufbau für den Sarko-
phag und den Statuensockel darüber vorsieht.
Die Identifizierung des Blattes bietet für niemanden Schwierigkeiten, der sich in der Topographie Roms
auch nur oberflächlich auskennt. Die Form der Krypta verrät, daß es sich um einen frühen Entwurf des
Neubaus der Kirche von SS. Martina e Luca am Forum handeln muß. Unser Riß dürfte vor dem 23. Juli
1634 entstanden sein, zu welchem Termin dem Pietro da Cortona von der Accademia di S. Luca gestattet
wird, die Unterkirche nach seinem Geschmack auszubauen6. Da die Münchner Zeichnung jedes Detail
der Oberkirche festlegt, die Krypta hingegen kahl und undekoriert läßt, so ist die Wahrscheinlichkeit
immerhin groß, daß der Riß vor dem genannten Termin gezeichnet wurde.
Für einen architektonischen Entwurf aus der Zeit um 1630 zeigt unser Blatt zwei auffällige Eigentüm-
lichkeiten - Baugedanken, die sehr bezeichnenderweise im weiteren Verlauf der Planung wieder fallen
gelassen wurden. Einmal besitzt der Raum keine rechteckige Vierung mit vier Vierungspfeilern, vier
Vierungsbögen und einem Übergang aus dem Rechteck des Untergeschosses in das Kreisrund der Kuppel
durch Pendentifzwickel. Vielmehr ist auf dem Münchner Riß der zentrale Kuppelraum vom Fußboden
bis zum Kuppelfuß als Zylinder von kreisförmigem Querschnitt entwickelt worden. Es handelt sich also
hier in der Vierung um einen geschlossenen Raummantel, bei dem es keiner Verbindung zwischen
verschiedenen Ebenen durch sphärische Zwickel bedarf. Wir haben also einen geistreichen Lösungs-
versuch des seit der Hochrenaissance legitimen Problems vor uns, einen vom Pantheon abstammenden
Zentralraum mit den Armen eines griechischen Kreuzes zu verbinden. Die Künstleranekdote schreibt
bekanntlich dem Bramante die Absicht zu, er habe beim Neubau von St. Peter das Pantheon auf die
Gewölbe des Friedenstempels türmen wollen, das heißt auf die Konstantins-Basilika7. Und tatsächlich
taucht die Idee, eine zentrale Vierung in Form eines Zylinders zu gestalten, in der abendländischen
Architekturgeschichte zuerst bei den Planungen für die Peterskirche im Bramante-Kreis auf. Wir kennen
zwar Bramantes persönliche Handschrift als Zeichner nicht, aber heute ist man wieder weit eher als in
der Zeit um 1915 geneigt8, in den großen Rötelblättern Uffizien 20 und Uffizien 7945 r und v Studien-
blätter aus Bramantes römischem Atelier zu erkennen. Uffizien 20 unternimmt den großartigen Versuch,
den kreisförmigen Kuppelring nicht durch Pendentifs auf die weiter außen liegenden Wandflächen
abzustützen, sondern durch senkrecht darunter gestellte mächtige Vollsäulen, die auf einem Kreis-
grundriß stehen, den Kuppelring tragen zu lassen9. Bramante hat dabei nicht nur erwogen, je zwei
4 C. M. Briquet, Les Filigranes, 2. Aufl., III, Leipzig 1923, p. 498ff. und Nr. 9461 ff.
5 E. Heawood, Watermarks, mainly of the 17th and 18th centuries, Hilversum 1950, p. 129f.
6 O. Pollak, Neue Regesten zum Leben und Schaffen des römischen Malers und Architekten Pietro da Cortona, Kunstchronik,
N. F. XXIII, 1912, Sp. 563. — Ders., Die Kunsttätigkeit unter Urban VIII. (Quellenschriften zur Geschichte der Barockkunst
in Rom, hrsg. von D. Frey), I, Augsburg 1928, p. 185, Regest 642.
7 L. von Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, III, 2, 10. Auf!., p. 919.
8 In diesem Jahre erschien Dagobert Frey, Bramantes St. Peter-Entwurf und seine Apokryphen (Bramante-Studien, Bd. I),
Wien 1915, ein Buch, das den Augenblick der höchsten Skepsis der Bramante-Forschung bezeichnet.
9 H. von Geymüller, Die ursprünglichen Entwürfe für St. Peter in Rom, Wien 1875, Taf. 9 u. p. 175ff. - die sog. „Studie D.“ -
O. H. Förster, Bramante, Wien o. J. (1956), p. 241 ff, u. Abb. 106-108.
 
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