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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Schlangengöttin. 43

Krone und das ägyptische Amulett unbeachtet; und dazu kommt 32 auch ägyptisierend vor
(Anm. 1). Es scheint nötig, weiter auszuholen, um die Schwierigkeit zu lösen.
Bei der an sich unnatürlichen, wenn auch beiden Völkern Bekannten Verbindung zweier
Elemente7), hier Mensch und Schlange, sind die Möglichkeiten der formalen Darstellung in
unseren Stücken fast alle benutzt, je nachdem man das eine oder andere Element stärker
betont hat, wobei als Übergang nur die Haupteinschnitte des Körpers (Hals, Brust, Leib) in
Betracht kommen8). Weib und Schlange sind die formalen Extreme, zwischen
denen die,Darstellung sich bewegen kann. Hinzugefügte Attribute verdeut-
lichen bei beiden das Wesen der in ihnen gestalteten Gottheit. Die Schlange
ist Ägyptern und Griechen verständlich (s. unten); eine einfache Frau ohne
Schlange aber, die nicht sonst ganz wesentliche und sinnfällige Merkmale
oder Attribute hat, ist in ihrer Bedeutung nicht leicht zu erfassen; trägt
sie aber eine Schlange, so kann man sie wenigstens hierher ziehen — wenn
auch wieder die Schlange letztlich vieldeutig ist. Sehen wir nun, wie an der
Göttin mit der Schlange, 28, die Schlangengöttin, 30, in Frauentracht und
Attributen ihr Gegenstück hat, so könnten die beiden auch inhaltlich sich
decken. Zu 30 aber gesellen sich noch Spielarten: Eine Figur mit griechischer
Frauentracht, in der R. die Schlange, in der L. zwei Ähren (Abb. 19); eine andere,
etwas weiter ab, zwischen Ährenbüscheln sich erhebend mit Ähren und Fackel


Abb. 19.

statt der Schlange; noch eine zwischen Blumen und Ähren mit Fackel rechts, Füllhorn und Ähren
links; eine letzte zwischen Blumen und Ähren, die ihrem Kinde die Brust reicht9). — In dieser Gruppe
mit ihren verwandten Symbolen scheint das Wesen der Dargestellten als das einer Göttin der
Fruchtbarkeit und Toten zugleich10), die als Schlangenfrau zwischen den Ähren der
Felder haust, hinreichend verdeutlicht. — Formal ließe dann auch die Göttin mit der Fackel, 33
und 34,11) sich anschließen, die Hekate zu nennen nicht erschöpfend schien, da sie ägyptischen und
griechischen Kreisen zugänglich sein mußte. Und wenn wir dann noch gelegentlich eine Schlange mit
Frauenkopf und Krone12), und hier gar die Schlange allein im Naos von Priestern in der Prozession
getragen sehen, 35 und 48 und 50, zwischen zwei Schlangen mit Götterkronen ein Kind oder eine
Sarapisbüste13): dann bleibt dem alten Ägypter allein noch die Lösung „Schlangenkopf und Menschen-
körper"14), während für das hellenistische Ägypten die Reihe der Möglichkeiten erschöpft ist.

7) Griechisch: ημισυ μεν νύμφην ελικώπιδα καλλιπάρηον, ήμισν δ'αύτε πέλωρον δφιν δεινόν τε μέγαν τε, Hesiod, Theog. 298 f.
Im Ägyptischen aber kommt auch umgekehrt wie im Griechischen Menschenkörper und Tierkopf zusammen vor; aber auch
die Schlange mit Kuhkopf, z. Β. die Hathor als Schlange in Dendera.

8) Das scheint ein griechischer Grundsatz, wie er sich aus der Darstellung ergibt (Echidna, „Tritopatores“, Kentauren,
Seegötter); man cachiert gern die Stelle des Übergangs.

9) 1. Kairo 26925, oben Abb. 19; 2. Hildesheim; 3. Comptes Rend. 1896, pl. XI (falsch beschrieben); 4. Karlsruhe
H. 830. Charakteristisch ist, daß 1,4 das gleiche Gewand tragen, einen kurzen Chiton, der bei 1 die r., bei 4 die 1. Brust
freilassend den Übergang verdeckt. 2, 3 tragen wie unseres (vgl. auch die bessere Dublette Kairo 26 930) das Isisgewand;
2 sogar noch das Untergewand. 1 hat die lose Frisur unserer 33 und 34; 4 die von 30; 2 und 3 tragen die römische Frisur
(s. oben S. 37). Eine große, etwa 1 m hohe Kalksteinstatue der Göttin, wohl ein Kultbild, sah ich bei Dattari in Kairo.

1°) Das Musee Guimet besitzt unsere Göttin mit den adorierend erhobenen Händen wie die Totenfrau unten S. 144.

1!) Die Fackel tragen in diesen Kreisen Athena, Hekate, Selene, Demeter, Eros; s. Anm. 6.

12) Berlin 2529, 8690 (oben S. 37, Anm. 28). Bronzen, z. B. auch Naukratis, part I, pl. XXVIII; ein weibl. Kopf
mit Kranz, vom Hals ab ungeschickt ansetzend Schlange, in Kairo. Auch ein kleines Kalksteinrelief in Alexandrien. (Wand
der kleinen Reliefs neben 39). Die Münzen Dattari 483 (Taf. XI), 3476 (Taf. XVII).

13) Sehr zahlreiche Darstellungen der weiblichen Schlangen mit Isiskrone, Sistrum, Ähren; z. B. Leiden, Monum. I,
XXXV. Bull, dell' Istit. 1870, 67, (beide auf Gestell), letzteres neben zwei stehenden Göttern. Dann die Münzen: Dattari,
Taf. XXXII unten und viele andere.

14) Cat. Sammi. Hoffmann, Paris 1894, 44. Spiegelberg, Eigennamen S. 12 f.*, 13 f.* Unsicher ist, ob Dattari 6404,
Taf. XXXIV, wirklich ein Gott mit Schlangenkopf ist.

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