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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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232

Tiere.


Abb. 117.

hinausgehenden Tierliebe und der Freude an der Tierkarikatur des ägyptischen Volkes, deren
Produkte seit dem Mittleren Reich umgingen. Diese niederen Leute in erster Linie müssen sie
gerne gekauft haben. Als aber die griechische Töpferindustrie mit ihren auch zuweilen die
Bronze imitierenden (z. Β. 424, 433) Massenartikeln den Markt überschwemmte, hat wohl das
Volk diese billigere Kaufgelegenheit benutzte). Denn so allein ist zu ver-
stehen, daß neben den durch Ritus und Glauben geheiligten Typen, die
nun von griechischer Hand dargeboten wurden, in ganz außerordentlich
großer Zahl 7) Exemplare von Hündchen und Katzen und Affen, bekränzten
Last- und Reittieren, Löwen, Geflügel, in rein griechischer Darstellung, aber
nur zumeist ganz minderwertig ausgeführt, in dem erhaltenen Terrakotten-
bestande erscheinen. Voraussichtlich zu niedrigstem Kaufsatz angeboten,
beherrschten diese Galanteriewaren offenbar jahrhundertelang den Ge-
schmack der Kolonen, bis auch in ihnen jegliche Form zu armseliger Er-
starrung herabsank.
Solange in freiplastischer Wiedergabe des Tierkörpers axial unkom-
plizierte Stellungen gewählt wurden, ist die Profilansicht die deutlichste,
da sie dem betrachtenden Auge den ganzen Umriß bietet. Vielleicht un-
bewußt hat die ägyptische Kunst sich in ihren Stilisierungen lange

daran gehalten; obwohl die Praxis, vor allem der Kult, wie beim Menschen und Gott8) die Vorder-
ansicht vorziehen mußte: denn der Gläubige betet vor den alles beherrschenden Augen des Gottes,
habe er Tier- oder Menschengestalt9). Eine Regel läßt sich gleichwohl dafür nicht aufstellen, wie
die einaxig gerichteten Tierbilder in den Raum gestellt wurden10). Denn steht z. B. der Apis
414 in Seitenansicht im Naos (Anm. 10), so sind sowohl die Hathorkuh der Hatschepsut aus
Deir el-Bahri wie der liegende Apis in seinem Naos auf Reliefs gute Gegenbeispiele sicher ägyp-
tischer Auffassung11), aus der darum auch 415, der Kopf des in der Prozession getragenen
Stiers, abgeleitet ist12).
Sobald aber die Darstellung die Seiten- und Vorderansicht verschmilzt, muß das Ganze an
Körperlichkeit gewinnen. Diesen eminenten Schritt zur zwanglosen Lebendigkeit hat schon die
18. Dynastie getan, als ihr Künstler die Löwen des Amenophis den Kopf aus der Längsaxe dem
Beschauer des Profils zudrehen ließ, und spätere haben daran festgehalten13).

6) Auch wenn in vorgriechischer Zeit viel mehr Tonfiguren äg. Herkunft existiert hätten, als wir ahnen können, —
das Aussehen ergibt sich aus den Resten — wäre es nicht recht begreiflich, wie die griechische Ware so stark die Ober-
hand bekam, s. Einleitung.

7) Dabei ist zu beachten, wie auch hier die gleichen Themata ewig wiederholt werden. Die Töpfereien müssen Massen
auf den Markt geworfen haben, wie wir sie für die Kaiserzeit sonst nur noch aus den Scherben der Limesfunde konstatieren
können.

8) Ich weiß natürlich, daß die Frontalität die vollständigste und inhaltlich wichtigste Ansicht für primitive Kunst ist.

9) Man denke an die Kuh der Hatschepsut in ihrer Cella; an die Tierstatuen, vor denen der Mensch in ihrem
Schutze steht (Apis, Falke, etc.).

10) Vgl. Anm. 9. In griechischer Zeit scheint das ganz willkürlich zu sein. (Man könnte beim Apis z. B. denken, daß
das heilige Neumondsymbol an den Seiten gesehen werden mußte.) Seitlich zum Tempeleingang steht es z. B. im Hof unter
der Palme, auf dem Relief Berlin 16777, Erman, Rel.2, 268, Fig. 158, auf Münzen, Reliefs, z. B. Edgar, Bronzes 27738
pl. VI, in Kom esch-Schukafa usw. Das mag auch aus Gründen der Reliefdarstellung geschehen sein.

1!) Berlin 7494 = Erman, Rel.2, Fig. 106, s. unten S. 256, Anm. 6.

12) Viele Parallelen; eine im Cabinet des medailles in Paris, Schrank XX, 1. Abteil., zeigt zwei Pastophosen ihn
schleppend. Dazu weist mir G. Möller ein anderes Ex. im Hamburger Mus. für Völkerkunde nach (Abb. 117), bei dem die
Farben (weiß, braunrot) recht ordentlich erhalten sind.

13) Vgl. Lepsius, Auswahl Taf. XIII, Schaefer, Äg. Kunst 27 Nr. 8. Löwy, Österr. Jahresh. XIV, S. 1 f. (freilich nicht
ganz genau) über die Einwirkung auf die griechische Kunst. Die Nektanebos-Löwen im Vatikan, Marucchi, Vat. Eg. Nr.16—18.
Schönes Beispiel: Perrot-Chipiez IX, 17.
 
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