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Modderman, Pieter J.; Clason, Anneke
Die neolithische Besiedlung bei Hienheim, Ldkr. Kelheim (Band 1): Die Ausgrabungen am Weinberg 1965 bis 1970 — Kallmünz/​Opf.: Verlag Michael Lassleben, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.63701#0011
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VORWORT

Es war im Jahre 1963, als Wolfgang Dehn gesprächsweise auf den Wunsch Pieter J. R. Moddermans hin-
wies, wenn möglich im nordalpinen Raum einen Wohnplatz der bandkeramischen Kulturgruppe auszu-
graben. Solche Anregung konnte nur freudig aufgegriffen werden, denn die Verwirklichung eines derarti-
gen Vorhabens versprach, hier erstmals eine jener Siedlungen kennen zu lernen, die bisher nur aus Nord-
west- und Mitteldeutschland, sowie aus Böhmen und dem Osten bekannt geworden sind. Schon allein
kulturgeschichtlich mußte die Ausgrabung reizvoll genug und jeder nur möglichen Förderung wert sein.
Aber nicht nur in siedlungshistorischer Hinsicht durfte sich die Vor- und Frühgeschichtsforschung reichen
Gewinn versprechen. Das Fehlen einschlägiger und umfassender Ausgrabungen im ganzen bayerischen
Raume hatte in den letzten Jahrzehnten ein Gefühl von Unsicherheit und Maßstabslosigkeit auf kommen
lassen. Man fragte sich, in welchem Umfange die Spuren derartiger Plätze hierzulande überhaupt noch er-
wartet werden durften. Die pionierhafte, räumlich noch eng begrenzte Untersuchung Ernst Frickingers in
der linearbandkeramischen Siedlung bei Herkheim im Nördlinger Ries während der Jahre 1923 bis 1937
deutete zwar an, daß die Lößböden beiderseits der oberen Donau in dieser Hinsicht ergiebig sein können,
doch zeigten die im Jahre 1963 begonnenen Geländeerkundungen P. J. R. Moddermans in Niederbayern
sofort, wie solches zu den Ausnahmen gehört. Dabei wurde sichtbar, daß die Erosion selbst in fast eben
wirkendem Gelände den Oberboden bis zu 60 und 80 cm Tiefe abgetragen hatte. Wenn auf der über-
wiegenden Mehrzahl der Fundplätze deshalb nur noch allerletzte Reste des tiefsten neolithischen Ein-
grabungshorizontes angetroffen wurden, welche keine vernünftigen Ausgrabungsergebnisse mehr ermög-
lichen, mußte dies gleichermaßen erschreckend und für die künftige Arbeit richtungsweisend wirken.
Dem bisher in der archäologischen Denkmalpflege Bayerns nicht gelösten Problem der Landesaufnahme
gesellte sich die fundamentale Aufgabe zu, die unter Tage gelegenen Fundplätze — letzthin aller Zei-
ten — nach dem Erhaltungszustand der archäologischen Substanz zu kategorisieren. Danach wären die
Wohnplätze, Heiligtümer und Sepulturen nicht nur durch eine systematische Begehung ausfindig zu
machen, sondern nach der verbliebenen archäologischen Aussagefähigkeit in drei Gruppen zu scheiden; In
solche, an denen allein noch das Aufsammeln der Artefakte Erfolg verspricht; in jene, welche noch eben
untersuchbar sind und deshalb jetzt ausgegraben werden müßten, sowie in jene offenbar nicht allzu
große Gruppe, welche durch die Gunst ihrer Lage keiner natürlichen Gefahr ausgesetzt ist und deshalb
vor jedem menschlichen Zugriff mit aller Konsequenz gesichert werden muß.
Die Arbeit P. J. R. Moddermans und seiner Mannschaft, die wir über viele Jahre hinweg nach Kräften auch
materiell stark gefördert haben, verpflichtet uns zu großem Dank. Sie hat wie so viele während der bei-
den letzten Jahrzehnte von uns betriebenen Untersuchungen Maßstäbe geschaffen, d. h. wesentlich dazu
beigetragen, den historischen Quellenwert archäologischer Denkmäler in seiner ganzen Breite und Tiefe
sichtbar zu machen und zum anderen Richtwerte gewonnen, nach denen Erhaltung und Erforschung der
Denkmäler zu vollziehen sind. Wenn solche grundlegenden Ausgrabungen in dieser Weise exemplarischen
Charakter bekommen, dann erübrigt es sich wohl, „Problemgrabungen“ im archäologisch-denkmalpflege-
rischen Bereich in Frage zu stellen, wie das heute vielfach noch geschieht, von der Deutschen Forschungs-
gemeinschaft aber schon vor Jahren, in ihrer Denkschrift „Vorgeschichte“, als selbstverständliche Aufgabe
herausgestellt worden ist.
Nun, nachdem der erste „Hienheim-Band“ vorliegt, wünschen wir den Bearbeitern, daß es ihnen gelin-
gen möge, bald den zweiten, abschließenden fertigzustellen, der über den Befund hinausgreifend einer
ökologischen Auswertung der Ausgrabungsergebnisse gewidmet sein soll.
Klaus Schwarz

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