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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 14.1915

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Zweites Halbjahr. Juli-Dezember 1915
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Die Redaktion: Bauten von Architekt (B.D.A.) Otto Müller-Jena in Cöln a.Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.49963#0540
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werden, da sich unter dem Bauplatz Schachtanlagen befinden.
Architekt Müller-Jena hat deshalb, wohl zum erstenmal, einen
reinen Betonrahmenbau als Kirche aufgeführt, während
bisher nur Kuppeln und Vierungen von Kirchen in Beton
hergestellt worden sind. Ein solcher Eisenbetonrahmenbau
eignet sich vortrefflich für eine ausgeweitete Zentralanlage,
vermindert außerordentlich die Gewichte und konnte wegen
seiner gut herzustellenden Verankerung in den Fundamenten
auch ganz bergschädensicher hergestellt werden. Dasselbe gilt
vom Turm. Die Turmlaterne wie die Laterne der Kuppel mit
34 Oberlichtfenstern sind in gegossenem Beton stehen geblieben.
Neben der Kirche ist ein Pfarrhaus untergebracht und
ein Gemeindesaal, der vom Turm aus zugängig ist. An
der Rückseite der Kirche befinden sich die üblichen Sakristei-
und Nebenräume. Die Gesamtanlage, Kirche, Turm, Pfarrhaus
und Gemeindesaal, bedeckt eine Fläche von 1590 ma. Der
innere Kuppelraum erhebt sich bis zu 22,5 m über den
Kirchenfußboden. Der Turm mißt 45 m Höhe. Die ganze Bau-
anlage ist einschließlich Architektenhonorar für 210000 Mark
hergestellt und abgerechnet worden, wobei die Entwässerung
des Vorplatzes und die Stufenanlage eingeschlossen sind.
Der m2 bebauter Fläche kostete demnach 132 Mark im Durch-
schnitt, der m3 bei 21 733 m3 umbauten Raumes also nur
9,66 Mark.
Die Kirchenanlage erschien der vorgesetzten Behörde der-
art umfangreich, daß sie zur Ausführung 350000 Mark für
durchaus erforderlich hielt, während der Verfasser die ganze
Anlage in der geplanten Eisenbetonkonstruktion für 200000
Mark veranschlagt hatte. Nach langem Zögern gab die Auf-
sichtsbehörde endlich die Zustimmung, die Submissionen
ohne Turm auszuschreiben. Die Ausschreibung rechtfertigt
in vollem Maße den Anschlag des Projekt-Verfassers, sodaß
auch der Turm noch zur Ausführung kommen konnte.
Die Architektur und Ausführung des ganzen Objektes
sind unter Berücksichtigung dieses überraschend geringen
Preises zu beurteilen. Der Laienraum wird von der Geist-
lichkeit außerordentlich günstig beurteilt, da der Altar fast
von allen Stellen zu sehen ist. Für große aber arme Kirchen-

gemeinden dürfte somit tatsächlich etwas Neues und Nach-
ahmungswertes geschaffen worden sein.
Die formale Gestaltung, die sich an frühromanische Bauten
anlehnt, erfuhr gleichfalls eine völlig neuartige Behandlung.
Der Mangel an Leibungstiefen, welcher der Betonkonstruktion
anhaftet, hat zu einer reinen Flächenbehandlung geführt;
durch die starke Gruppierung der gesamten Anlage ist aber
ein schwächlicher oder schachtelartiger Eindruck glücklich
vermieden worden. Im Innern wird durch die Größe des
Kuppelraumes eine gewaltige Wirkung erzielt. Die Kuppel selbst
ruht auf verdoppelten Bögen, von denen die unteren in der
Fläche zwischen den Betonsäulen liegen, und wirkt außer-
ordentlich geschlossen. Auch geben die Leibungen der Ober-
lichtfenster, die aus gleichem Material wie die Kuppel ge-
gossen sind, den Wänden einen festen und steinigen Charakter.
Säulen und Bogen des Raumes wurden in charterten! Beton
gelassen und die unteren Teile der Wände in einem warmen
grauen Ton gestrichen. Dagegen ist die Kuppel, wie sie aus
der Schalung kam, stehen geblieben und mittelst Sand-
gebläse gleich mit einem dünnen gold-gelben Mörtelüberzug
bespritzt worden. Darauf sind dann die architektonischen
Teilungen und die Engel, die Maler Hartz in Düsseldorf
schuf, farbig eingestimmt worden. Die Chornische leuchtet in
Grün; der Hochaltar, der in den Baukosten nicht enthalten
ist und von Bildhauer Brüx in Cleve selbständig entworfen
wurde, ist ganz in Marmor und Bronze hergestellt worden.
Bei seinen Wohnungsbauten achtet Architekt Müller-Jena
vor allem auf eine feine und vornehme Wohnkultur und
vermeidet alle Motive, die mit dem Wohnhausbau nichts zu
tun haben. Dabei kam er zur Ueberzeugung, daß bei solchen
Aufgaben am zweckmäßigsten an die Stilformen der Zeit um
1800 angeknüpft werde, da sie, gemütvoll und zweckmäßig
zugleich, unseren neuzeitlichen Wünschen am besten zu ent-
sprechen scheinen.
Ein Künstler ist, wer die neuen Aufgaben, die eine neue
Zeit stellt, geschmackvoll zu lösen sucht. Das hat Architekt
Otto Müller-Jena in allen seinen Werken nicht nur gewollt
sondern auch erreicht.


Otto Müller-Jena (B.D.A.), Cöln a. Rh.
Die Gebäude der Cölnischen Unfall-Versicherung- A.-G. zu Cöln a. Rh.
Lageplan. — Maßstab 1:1000
 
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