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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 24.1925

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Nr. III
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Volkart, Hans: Neue Arbeiten von Professor Paul Bonatz in Stuttgart
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73


Professor Dr. Paul Bonatz, Stuttgart
Haus A. Vorster in Köln-Marienburg. — Südseite

NEUE ARBEITEN VON PROFESSOR PAUL BONATZ
IN STUTTGART

\ V /enn in unserem Häuserbauen heute etwas Ge-
Wsundes und Lebendiges lebt, das es überhaupt
lohnt, mit Mut und Zuversicht an das Bauen der Zu-
kunft zu denken, dann muß in der Fülle und Viel-
gestaltigkeit der äußeren Erscheinungen, unter der
Form — heiße sie englischer Giebel oder barocker
Mansardbau — eine fühlbare Gemeinsamkeit wal-
ten, die mit formstilistischen Begriffen nicht voll zu
erfassen ist.
Unsere Erkenntnis von der Unmöglichkeit, das von
den alten Baumeistern Erreichte nochmals zu er-
reichen, auch nur nochmals erreichen zu wollen ist
noch nicht alt. Doch, seitdem es uns klar ist, daß wir
keine gotischen Rathäuser mehr bauen sollen, weil
wir weder gotisch zu Rate sitzen, noch auch gotisch
bauen können, daß wir keine barocken Wohnhäuser
mehr bauen sollen, weil wir längst nicht mehr barock
fühlen, leben, denken und wohnen, — seitdem wir
die Diagnose der baukünstlerischen Ungesundheit
der kaum vergangenen Jahrzehnte stellen lernten
und schaudernd in den Steinwüsten unserer Städte,
in den eitlen Schaufassaden vor trüben Wohngefäng-

nissen, in den originalitätsverquälten Formgeburten
unserer Villenquartiere den wahren Spiegel einer in
unbeseelten Konventionen erstarrten Generation er-
kennen lernten, sind wir mit befreiender Plötzlich-
keit der neuen Aufgabe auf die Spur gekommen: der
Gestaltung unseres Wohnens nach Sinn und Ver-
nunft, nach unseren eigenen und echten Bedürf-
nissen. So ist es die gemeinsam gefühlte Erkenntnis
schon Vieler, daß es sich um eine Besinnung von
sittlicher Bedeutung handelt, um ein Bemühen je-
weils um den Kern einer Aufgabe, um die Lösung
des Problems, das jede Aufgabe bietet.
Und dieses Problem heißt beim Wohnhaus: Er-
füllung der Wohnwünsche des Bauherrn, der gesund
und glücklich in dem Hause leben, sich der Sonne
und der Verbundenheit mit seinem Garten freuen
soll. Keine sinnlose Etikette sollte ihm den Wohn-
raum, den Aufenthaltsort seiner kargen Feierstun-
den, in eine kalte Nordfassade an der Straße sprechen,
indessen die Küche in der Südsonne brütet.
Um die formale Schönheit eines Bauwerks zu ge-
nießen, braucht es keine Beschreibung, denn auch

MOD. BAUFORMEN 1925. III, 1.
 
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