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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0474
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MODERNE KUNST.

wohl geeignet sind, die anmutige Ilerrin ins beste Licht zu stellen.
Dora Scliumann hat sich aber auch allen nur erdenklichen Produk-
tionen, die in das Gebiet der Sattelreiterei fallen, unterzogen. Sie
beherrscht den „Bolero“, jenes Mittelding zwischen seriöser Schule
und Parforce-Arbeit, ebenso gut, wie den Akt der Ilaute ecole;
sie hat mit ihrem früher auf dem Isabellenhengst „De Wet“
ausgeführten Apachen-Ritt bewiesen, das ihr Schneid und Verve
in hohem Maße eigen sind. Auch die Springpferde, auf denen
sie sich in früheren Jahren häufig dem Publikum zeigte,
gingen unter der talentvollen Reiterin leicht und flott iiber die
höchsten Hindernisse. Auch als Freiheitsdresseuse betätigte
sich Frl. Dora Schumann in voriger Saison und fand mit
ihrem aus Huzulenpferdchen bestehenden Ensemble lebhaften
Anklang beim Berliner Publikum, zu dessen bevorzugten
Lieblingen die elegante Amazone gehört. Da war keine Vor-
stellung, arrangiert von aristokratischen Kreisen oder von der
Gesellschaft der Finanzwelt, in der nicht Dora Schumann auf
Wunsch der sportlichen Komitees mitwirkte: vertritt sie doch
niit Passion und Talent den vornehmsten Zirkus-Akt, die hohe
Schule des Pferdes unter dem Sattel. V. H.

Albert Bassermann in Paul Lindaus Film „Der
Andere“. Der Film hat sich in kurzer Zeit die Dramatiker, die
ihn bisher als Verderb der Kunst bekämpften, zu erobern gewußt.

Man prägte das
Wort von der
Veredlung des F
Kino durch die
Dichtung, und die
meisten Dramatiker, von
Ilauptmann bis zum kleinsten
herab, halten sich seines
Dienstes gewärtig. Das gilt
ähnlich von den Schau-
spielern, die ihn gleichfalls
noch unlängst als grimmi-
gen Feind ansahen. Selbst
Bassermann, der nichts so
sehr als die Aufnahmeplatte
scheute, stellt seine Dar-
stellungskunst in den Dienst
des „Kientopps“ und hat
nichts mehr dagegen, in der
Sekunde so und so viele
Male getypt zu werden. Ein
schneller Wandel! — Als
erster dieser „literarisch-
gereinigten“ Films wurde
Paul Lindaus „Der Andere“
aufgeführt, eine Bearbeitung
jenes bekannten, feuilleto-
nistisch erklügelten, undich-
terischen Stiickes, das sich
um das zweite Bfewußtsein dreht. Ein Staatsanwalt gerät infolge eines Sturzes
vom Pferde zeitweise in diesen krankhaften Zustand, daß er ven seiner
wahren Persönlichkeit nichts mehr weiß, sondern ein neues Wesen
annimmt. So dringt er als Verbrecher in seine eigne Wohnung
ein, bis das Irrsal sich löst, und — eine Verlobung das Stück
endet. Das war also der Vorwurf für den Film. Nun sollte
man glauben, wenn ein Dramatiker sich des Kinos bedient,
so müßte er zunächst eine künstlerische Einheit bieten. Das
ist hier aber keineswegs geschehen. Immer wieder schieben
sich die bekannten, üblen, erklärenden Tafeln mit recht pro-
saischenSätzen ein, wodurch das Ganze gewaltsam weiterrollt.

Und von literarischer Veredlung kann man bei diesen recht
kolportagehaftem Vorwurf überhaupt nicht reden. Daß sich
Albert Bassermann auch hier als ausgezeichneter Darsteller
erweist, braucht man kaum zu erwähnen. Aber die Grenzen,
die der Kunst nun einmal gesteckt sind, kann auch er nicht
überspringen. Wohl der wichtigste Moment seiner Rolle ist
der, in dem Rechtsanwalt Ilallers (im Filmstück ist er Rechts-
anwalt, nicht Staatsanwalt) aus seinem normalen Bewußtsein
in das zweite übergeht. Unsere Abbildung, die den Künstler
während dieses Augenblicks wiedergibt, zeigt zur Genüge, daß
derartige Unnatur im Eilzugstempo nicht darstellbar ist. Denn
die krampfhaften Gesichtsverzerrungen Bassermanns, wirken
weniger charakteristisch als abschreckend und . . . ungewollt
belustigend. Diese Szene ist doch aber die Achse des Stückes!

Es zeigt sich also, daß fertige Bühnenwerke sich nur selten dem

Kino anpassen werden; er fordert eine besondere Art neuer Stücke,
die seinen Bedingungen Rechnung tragen müssen. O. A.

äulein Dora Schumann
Phot. G. Gerlach & Co.,
Berlin.

Nelsons Flaggschiff „Victory“. Welch gewaltigen Auf-
schwung die Schiffsbautechnik und mit ihr die Marine inner-
halb des letzten Jahrhunderts erlebt hat, wird uns am besten
klar, wenn wir ein modernes Kriegsschiff mit dem Typ des
Schlachtschiffs vergleichen, mit dem Nelson der englischen
Flotte bei Trafalgar zum Siege verhalf und die Seeherrschaft
Albions begründete. Denkwürdig für alle Zeiten wird der
englischen Nation dieses alte Fahrzeug bleiben, an dessen
Bord ihr berühmtester Führer im Kampfe gegen die vereinigte
franzöSisch-spanische Flotte am 21. Oktober 1805 den Helden-
tod erlitt. Mit vollen Segeln ließ er seine Schiffe in zwei
Schlachtreihen gegen den Feind steuern. Vizeadmiral Colling-
wood führte auf dem „Royal Sovereign“ mit dreizehn kriegs-
tiichtigen Fahrzeugen die Leelinie, in der Luvlinie lag Nelson
auf der „Victory“ mit vierzehn Schiffen. Das Admiralsschiff
signalisierte: „England erwartet von jedem, daß er seine Pflicht
tue“, ein Aufruf, der von der gesamten Flotte mit begeistertem
Jubel begrüßt wurde. Gegen 12 Uhr mittags wurde von den
Feinden das Feuer auf die „Victory“ eröffnet. Wie gewöhnlich
hatte Nelson mehrere Flaggen aufgesetzt, während die Verbiindeten
keinerlei Signale zeigteri. Lediglich an ihren vier Verdecks erkannte
Nelson die „Säntissima Trinidad“ — mit 136 Kanonen eines der größten
und gefürchtetsten aller damals existierenden Kriegsschiffe —, der er
schon 1794 in der Schlacht am Vorgebirge St. Vincent gegenüberstand.
In geradem Kurs steuerte er auf den Koloß los. Noch hatte die „Vitj-
tory“ keinen Schuß abgefeuert, obgleich ihr Takelwerk bereits tüchtig
mitgenommen und schon 50 Mann der Besatzung getötet waren. Vier Minutcn

Nelsons Flaggschiif „Victory“.

Phot. G. Gerlach & Co., Berlii

Albert Bassermann in Paul Lindaus Film „Der Andere"
Illustrat.-Bureau M. Pordes, Berlin.

nach 12 Uhr ließ Nelson das Feuer auf beiden Seiten des Verdecks eröffnen,
und legte die„Victory“ scharf an Bord des „Redoutable“, der sie mit einer Breit-
seite empfing, aber das Geschützfeuer sofort einstellte. Jetzt wurde aus den
Masten, die von Scharfschützen wimmelten, lebhaft geschossen. Um
I ’/i Uhr gerade zu der Zeit, da die Seeschlacht am heftigsten wütete,
und die „Victory“ ein unaufhörliches, verderbenbringendes Feuer
unterhielt, wurde Nelson aus einer Entfernung von kaum zwanzig
Schritten von einer feindlichen Kugel durch das Epaulette der
linkenSchuIter tödlich getroffen,nachdem derSieg der englischen
Flotte schon fast entschieden war. Einige Minuten vor seinem
Verscheiden grüßten den tapferen Oberbefehlshaber die letzten
Schüsse aus den Feuerschlünden der „Victory“, die sie dem
fliehenden Feinde nachsandte. — Ein treues Lebensbild des
englischen Seehelden, der für die Größe des Vaterlandes den
Heldentod erlitt, hat Heinrich Vollrat Schumacher in seinem
Romane „Lord Nelsons letzte Liebe“ aus der Serie „Romane
berühmter Männer und Frauen“ (Verlag von Rich. Bong,
Berlin W 57. Preis brosch. M. 4,—, geb. 5 M,—) entworfen.
Dieses ausgezeichnete Werk, in sich ein abgeschlossenes
Ganzes, bildet die Fortsetzung des Romans „Liebe und Leben
der Lady Hamilton“, mit dem diese Serie eröffnet wurde.
Mit dichterischer Kraft schildert der bekannte Schriftsteller
die Liebe des Begründers der englischen Seemacht zu Lady
Ilamilton, einer der schönsten, durch ihre abenteuerliche Lauf-
bahn berühmt gewordener Frauen. Nelsons charakteristische
Gestalt tritt klar und plastisch aus der Erzählung heraus, die
Ereignisse seines Lebens sind aufs innigste mit der historischen
Entwicklung jener Epoche verwoben. w.

Laterne von Nelsons „Victory“.
Ptiot. G. Gerlach & Co., Berlin.
 
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