Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

DOI Heft:
16. Heft
DOI Artikel:
Friederike Brions Heimat
DOI Artikel:
Zick-Zack
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0473

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST.

seines Anites vvaltete, ist erst in neuercr Zeit ver-
schwunden, da sie lür die heutige Seelenzahl der
Gemeinde nicht mehr ausreichte. Schon vorher
hatle sie ihr kennzeichnendes Außere verloren, da
das eigenartige Zwiebeldach, welches den Turm
krönte und in der ebenen Umgebung weithin als
Wahrzeichen und Wegweiser sichtbar war, bei
Ausbesserungsarbeiten entfernt werden mußte.

Die heutigen Handwerker konnten die kunstvolle
Dachstuhlzimmerei der Barockzeit nicht mehr
leisten. In den Neubau ist aber jener alte Pfarr-
stuhl wieder eingefügt worden, in dem Goethe
„an der Seite Friederikens eine etwas trockne
Predigt nicht zu lang fand“. Nun sind die beiden
Grabsteine von Friederikens Eltern, die nach
dem Neubau wieder an ihre Stelle auf dem
Friedhofe gekommen sind, das einzige, was den
Namen Brion in Sesenheim noch nennt. Den
Fremden führt man gern auf jenen Hügel, wo
Goethe auf einer Bank zu seiner Überraschung
den Namen der Liebsten las. „Friederikens Ruh“
hieß die Stätte, die des Mädchens Lieblingsplatz
war, und wo Goethe nht ihr nach den Wande-
rungen in der Umgegend zu rasten pflegte. Der
Wald und die Ruhebank hatten längst einent
Krautacker Platz machen rnüssen, als vor einer Reihe von Jahren ein Kreis von
Goetheverehrern die erinnerunggeweihte Stätte ankaufte und der Gemeinde als
unveräußerliches Eigentum übergab. Die jetzt darauf errichtete Laube ist aber
neu, und auch die Jasminlaube der Pfarrei befindet sich nicht mehr an der alten
Stelle. So ist an sichtbaren Zeugen der Goetheschen Zeit nur noch die Pfarr-
scheune geblieben, ein Fachwerkbau, der heute denselben Eindruck macht, wie
wolil schon zu Goethes Zeiten. Hier hat Goethe die wacklige Kutsche des
Pfarrers mit kunstvollen Blumenornamenten bemalt, wobei ihm das Mißgeschick
passierte, daß man einen Firnis verwendete, der nicht trocknen wollte, so daß
nachher das Abreiben der Farben mehr Mühe niachte als vorher das Aufmalen.

Friederikes Mutter starb am 3. April 1786, und der Vater folgte ihr am
10. Oktober 1787 ins Grab nach. Daraufhin wurde der Haushalt aufgelöst, und
die Töchter zogen zu Verwandten nach Rothau im Breuschtal. In den letzten
Jahren ihres Lebens hat Friederike bei ihrem Schwager, dem Pfarrer von
Meißenheim bei Lahr in Baden, gewohnt, wo sie am 3. April 1813 gestorben ist.

Lange nach ihrem Tod ist ein häßlicher Streit über sie entstanden. Man
hat Goethes Schilderung des reinen Liebesverhältnisses, das ihn mit der Tochter
des elsässischen Landpfarrers verband, und dem wir so köstliche Lieder ver-
danken, bezweifeln wollen, und eine Reihe übereifriger Forscher hat auf Grund

trüber Quellen häßliche Beschimprungen auf Friederike Brions Andenken ge-
häuft. Es war nicht schwer, sie als grundlos zu widerlegen. Friederikens Bild
strahlt fleckenlos, wie es der alternde Goethe selbst in wonnigem Rückversenken
in seine Erinnerungen gemalt hat und wie es auch in ihrer Heimat weiterlebt.
Die Märtyrerin ihrer einzigen Liebe, die einen Goethe nicht vergessen konnte und
darum weder den genialen Lenz noch einen der zahlreichen andern Männer
heiraten wollte, die sie mit ehrenhaften Anträgen verfolgten, fand irn engen
Wirkungsbereich ihr Genüge als zärtliche Vervvandte und liebevolle Patin, als
die sie oft in den Kirchenbüchern aufgezeichnet ist. Dadurch hat der Vorname

Friederike in einer Reihe von
angesehenen ländlichen Fa-
milien der Umgegend Ein-
gang gefunden. So lebt sie
zwiefach weiter, im liebe-
vollen Angedenken ihrer Hei-
mat und im hellen Glanze
der Goetheschen Verklärung.
Wilhelm Scheuermann.

*i*

In Goethes Werken tritt
uns der starke Einfluß ent-
gegen, den Friederike sowohl
auf seine Liederdichtung
wie auf einige seiner größten
Dramen, z. B. „Götz von Ber-
lichingen“, „Clavigo“ und
„Faust“, aüsgeübt hat. Unter
den vielen Goethe-Ausgaben
zeichnen sich die der „Gol-
denen Klassiker-Bibliothek“
(Deutsches Verlagshaus Bong
& Co., Berlin W 57) durch
ihre hervorragende Anord-
nung besonders aus. Die vier-
bändige (kleine) Ausgabe (in
Leinwand geb. M. 6,—, in
Plalbfranz geb.M. 10,—)eignet
sich vornehmlich zum Gebrauch in der Schule; sie umfaßt alles, was dort gelesen
zu werden pflegt und ist mit wertvollen Anmerkungen v rersehen. Wer einen
tieferen Einblick in dasStreben undSchaffen des größten deutschen Dichters tun wili,
dem bietet die ervveiterte (mittlere) Ausgabe (in acht Leinenbänden zum Preise von
M. 14,—, in Halbfranz geb. M. 22,—) reiche Gelegenheit. Die im Erscheinen
begriffene vollständige Goetheausgahe umfaßt 20 Bände. Sie wird alles enthalten,
was Goethe selbst veröffentlicht oder zur Veröffentlichung bestimmt hat.


Ein Urhirsch. Ungarn hat den Vorzug, die stärksten Edelhirsche hervorzu-
bringen, und zwar sind besonders die Reviere in den oberungarischen Kar-
pathen, wie die kaiserlichen Reviere bei Budapest und in der Nähe des Neu-
siedler Sees und vor allem
die in Bellye, Darda und
den Donauauen, berühmt
wegen ihrer kapitalen Kro-
nenträger. Es ist in jenen
Gegenden durchaus keine
Seltenheit, daß ein Hirsch
ohne Aufbruch ein Gevvicht
von 500 bis 550 Pfund er-
reicht, und dabei zeigen die
Gevveihe ebenfalls außer-
ordentliche Dimensionen. Es
gibt Waldesrecken mit einer
Stangenhöhe von 125 cm und
mehr und einer Ausladung
von über anderthalb Metern.

Am stärksten sind gewöhnlich
die Geweihe von 14 Enden,
jedoch kommen auch vielfach
solche von 18,20 bis 24Enden
vor, und das Gewicht dieser
Riesengeweihe beträgt fast
immer über 20 Pfund. Wenn
wir hiermit unsere deutschen
Hirsche in Vergleich ziehen,
sehen wir am deutlichsten
die überragende Stärke der
ungarischen Urhirsche. In

dem kaiserlichen Revier Rominten, das in Deutschland die besten Hirsche aufweist,
beträgt das Durchschnittsgewicht des kapitalen Hirsches ohne Aufbruch 350 Pfund,
vvährend es in der Schorfheide, die aucli sehr gute Hirsche hat, nur selten

300 Pfund übersteigt. Dabei
weisen die Stangen meistens
eine Höhe bis zu 100 cm
auf, nur in Ausnahmefällen
darüber. Unser Bild zeigt
einen der stärksten Hirsche,
die im Ungarlande vom deut-
schen Kaiser erlegt wurden;
es ist ein Vierzehnender aus
dem KarapancsaerRevier des
Erzherzogs Friedrich, den
SeineMajestät erlegte undder
ebenfalls über 5 Zentner an
Gewicht hatte. Dr. Sl.

* *

*

Dora Schumann, die
Jüngerin der hohen Schule,
ist eine der wenigen Reite-
rinnen, welche einen sorg-
fältigen langjährigen Unter-
richt im Hause Albert Schu-
manns genossen. Sie brachte
es daher zu einer Vollendung,
die man bei vielen anderen
Damen vermißt. Ihre Pferde
„Csitt“, „De Wet“, „Kings-
coat“ usw. sind ganz vor-
zügliche Schulpferde, welche

Ein Urhirsch, vom ICaiscr crlegt.
 
Annotationen