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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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13. Heft
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Buss, Georg: Das Tier in Plastik und Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0371

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P. Joanowitch: Fräulein Odys.

Das Tier in piastik und IDalerei.

Von üeorg Buss.

Qüstenkönig ist der Löwe", aber seine hohe Stellung in der Tierwelt hat
nicht verhindert, daß er im Laufe der Jahrhunderte von vielen Bildliauern
ur>d Malern in fürchterlicher Weise malträtiert worden ist. Besonders die
Barock- und Rokokokünstler, die im Qeiste ihrer Zeit gern geneigt waren, die absolute
Gewalt, die Kraft und den Mut ihres Landesherrn großzügig zu allegorisieren und zu
symbolisieren, brachten Löwen zustande, die sich wie gewaltige Pudel oder riesige
Doggen mit Ianglockigen Perücken ausnahmen. Selbst der treffliche Thorwaldsen
schuf mit seinem 1819 vollendeten Luzerner Löwen ein Exemplar, das zwar klassisch
sein soll, aber mit der Natur auf gespanntem Fuße steht. Sehr wahrscheinlich hat
Thorwaldsen, wie so maücher vorhergehende Künstler, einen lebendigen Löwen nie-
mals zu Gesicht bekommen.

Wie mit der Darstellung des Löwen, so haperte es auch mit der plastischen
und malerischen Wiedergabe der meisten andern wilden Tiere. Sogar der gezähmte
Elefant, das Kamel und das Dromedar, von deren Aussehen sich auf Grund des
regen Handelsverkehrs mit dem Orient schon eher ein zutreffendes Bild gewinnen
ließ, sind oft in geradezu humorvoller Weise behandelt. So führt, um nur ein
Beispiel aus älterer Zeit zu geben, Andrea Mantegna in seinem berühmten „Triumph-

[Nachdruck verboten.]

zug des Cäsar“ Elefanten vor, die den Zoologen zu bedeuklichem Schütteln des
Kopfes veranlassen müssen. Die Phantasie hatte eben mit Hilfe antiker Torsen,
flüchtiger Reiseskizzen und schriftlicher Schilderungen zu ersetzen, was der eigenen
Anschauung abging. Erinnert sei an Dürer, der seinen bekannten Holzschnitt eines
Rhinozeros ini Jahre 1515 nicht auf Grund persönlicher Beobachtung, sondern nach
einer aus Lissabon zugesandten kleinen Skizze geschaffen hat. Die von ihm nach
dieser Skizze gefertigte Zeichnung, jetzt Eigentum des Britischen Museums in London,
trägt von seiner eigenen Hand den Vermerk, daß das dargestellte Rhinozeros am
8. Mai 1513 für den König von Portugal in Lissabon ans Land gebracht worden sei.
Not kennt kein Gebot . . . Die Künstler damaliger Zeit sind bezüglich mancher natur-
widrigen Leistung sehr entschuldbar, denn den gewaltigen Dickhäutern oder Sr. Majestät
dem König Leu, Sr. Herrlichkeit dem Menschenfresser Tiger und den andern großen
Katzen in der Wüste, in den Dschungeln oder im Urwalde eine Staatsvisite abzu-
statten, war in Ansehung der herrschenden Reiseerschwerung, der Höhe der Reisekosten
und der Mangelhaftigkeit der Schießeisen kein verlockendes Vergnügen.

Zoologische Gärten . . . Nun, sie existierten noch kaum, sind sie doch, sofern
sie als wissenschaftliche und volksbelehrende Institute angesehen sein wollen, erst

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