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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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18. Heft
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Nordhausen, Richard: Auf Fluß und See
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Loeb, Moritz: Der Mai in den Alpen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0533

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230

MODERNE KUNST.

die ganze deutsche Welt zu ihm laden, und der Knorr muß dann den Knubben
hübsch vertragen.

Sind wir erst so weit, haben wir die Anfangs$chwierigkeiten überwunden, die.
der Ansturm der Menge immer mit sich bringt, dann wird die Wanderruderei diese
Menge gefangen nehmen, wie sie bisher ihre an Zahl kleine Jüngerschaft gefangen
nahm. Und wir werden unsere deutschen Ströme und Seen, die uns eigentlich von
den Engländern entdeckt worden sind, in Wahrheit besitzen. Der Wandertrieb nimmt
bei uns zulande einen Aufschwung ohnegleichen. Mit Maclit hat er die junge und
jüngste Welt erfaßt.

Wir paar Alten marschieren jetzt nicht mehr wie früher allein durch November-
regen und Januarschnee; wohin wir kommen, da stoßen wir auf fröhliche Schwärme
derer, die deutsches fahrendes Scholarentum unerhörter neuer Blüte entgegenführen,
Es widerhallen die Berge und Bergtäler vom Gesange wandernder Jugend; dureh

Moor und Heide, durch sandverwehte Kiefernwälder geht die Fahrt, und un-
endlicher Sonnenschein strahlt von ihr, wie das Wetter auch wüten rnag, in die
erwachenden, lieben jungen Seelen. Der Lust am Wandern muß sich im wasser-
gesegneten Deutschland, im deutschen Norden vor allem, die Lust am Wanderrudern
gesellen. Keine waldumzogene Blaufläche soll hinfort zur guten Sommerszeit mehr
einsam liegen, und die Flüsse und Seen in Stadtnähe sollen wimmeln vom Gedränge
der Jungmannschaften.

Sind sie einmal eifrig und begeistert beim Werke, haben wir ihre Sehnsucht
erfüllt und ihnen Riemen und Skull in die Hand gegeben, dann braucht uns um
die iiberwältigende Entwicklung des männerschmiedenden Wasserturnens nicht bange
zu sein. Rudern der deutsche Nationalsport!

„Und aus den Furchen, die Columb’ gezogen,

Bliiht Deuischlands Zukunft auf."

Frühling am Comer Sce.

Phot. Aug. Rupp, Saarbrücken.

Der Mai in den Alpen.

Von Moritz Loeb.

rühling im Süden! — Vor dem geistigen Auge des Nordländers schimmert,
einer Fata morgana gleich, ein tiefblauer, azurner Himmel über lachender,
sonniger Flur. Unter heiß brennenden Strahlen scheint das blütenübersäte Land,
von warmem Regen durchtränkt, überzuquellen vor Fruchtbarkeit, imd uin so
eindringlicher gaukelt uns die Phantasie des südlichen Frühlings leuchtende
Pracht vor, je unwirscher, rauher, trister daheim in deutschen Landen sich der
Nachwinter gebärdet. Wohl steht auch bei uns schon der Frühling im Kalender;
aber er fristet leider in der Mehrzahl der Jahre noch Wochen hindurch eine
sozusagen papierne Existenz, und es dauert lange, allzu lange, bis der Lenz in
seinem Kampfe mit dem Winter den Sieg davonträgt. Wenn der Dichter .ver-
sichert, der Frühling nahe mit Brausen, 'so' muß er, was ja vielleicht eine be-,
sondere Gabe der Poeten sein mag, besonders feinhörig gewesen sein, Wir ge-
wöhnlichen Sterblichen lassen uns, durcli dichterischen Überschwang nicht so
leicht täuschen; wissen wir doch, daß jenes Brausen nicht des Frühlings, sondern,
noch des Winters Eigenschaft ist; ünd däß der Frühling bei uns, unserer Lenzes-
sehnsucht viel zu langsäm,' nur still und zögernd seinen Einzug hält.

[Nachdruck verboten]

Wie anders im Süden! Mit unwiderstehlicher Macht reißt der Lenz, dort
ein s.türmische.r, heißblütiger Gesell, das Regiment an sich, und was bei uns
Wochen dauert, das vollzieht sich unter der warmen südlichen Sonne in eben-
soviel Tagen. Wessen Zeit es ,eben zuiäßt, der gibt der uralten Sehnsucht des
Deutschen nach den lachenden Gefilden jenseits der Alpen nach; der Schnellzug
führt ihn wie im Fluge durch. die regengraue Heimat dem gelobten Sonnenlande
entgegen.

Donnernd rast der Zug durch die Täler der Schwciz. Auch hier feucht-
kühle Nachwinterstimmung; öde und still ist’s noch in den Orten am Vierwald-
stätter See, wo erst später der Fremdenstrom pulsendes Leben bringt. Die
weite Wasserfläche selbst taucht unter in brauenden Nebeln; tief verschneit
thronen in weltenferner Höhe die Alpenriesen. Je höher die Maschine dem
Gotthard entgegenkeucht, um so winterlicher wird das Landschaftsbild; Mauern
von Schnee .ragen zu beiden Seiten des; grandiosen Bahnbaues und die feucht-
beschlagenen Fenster des durchheizten Abteils lassen die Eiseskälte ahnen, die
hier oben, tausend und mehr Meter hoch, noch alles in ihrem Bann hält.
 
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