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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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13. Heft
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Staby, Ludwig: Unser Schwarzwild: Jagdplauderei
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Unsere Bilder
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168

MODERNE KUNST.

Schuß los. Ich sehe durch das Feuer, wie der Keiier zusammenzuckt, um im
nächsten Moment meinen Augen zu entschwinden.

Auf den Schuß hin entsteht reges Leben in dem Treiben. Einige Hunde
schlagen an, und das jetzt plötzlich losbrechende Geschrei der Treiber verkündet,
daß die Rotte ausgebrochen ist. Längst habe ich wieder eine Patrone im Lauf, aber
es kommt mir kein Stück mehr; die Rotte ist gesprengt, und auf allen Seiten
fallen die Schüsse auf die wie das Wetter herausfahrenden Schwarzkittel. Bald
wird die Jagd abgeblasen, und ich gehe langsam zum Anschuß, der Stelle, wo
ich auf den Keiler schoß. Befriedigt bleibe ich dort stehen, denn einige Borsten,
die sich scharf von dem weißen Schnee abheben, verraten mir, daß die Kugel
gefaßt hat. Daher kann ich auch dem herankommenden Jagdherrn melden, daß
ich einen starken Keiler schwer krank geschossen habe, denn ich war gut vorn
abgekommen. „Bleiben Sie stehen,“ sagte der Jagdherr, „wir gehen hier herum,
um zu sehen, ob das Stück noch über das nächste Gestell gewechselt ist. Ist
es nicht der Fall, dann gebe ich zwei Signale mit dem Horn, sonst nur eins,
Sie können dann immer der Fährte folgen.“ Unendlich lang werden mir die
Minuten, die nun folgen, alle möglichen Eventualitäten male ich mir aus. Da
erlöst mich ein Jagdhornruf, dem sofort noch einer folgt. Flurra, er ist also
nicht weit gekommen, und froh erregt gehe ich der Fährte nach. Nach unge-
fähr 50 Schritten sehe ich den ersten roten Schweißspritzer auf dem blendenden
Schnee. Die gespannte Büc'nse fertig in der Hand, folge ich noch etwa 100 Schritte,
da sehe ich ihn vor mir liegen, den grimmen Bassen. Das Leben ist schon
entflohen, und nachdem ich das mächtige Gebräch mit den blitzenden Gewehren
freudig betrachtet, schallt ein frohlockendes, weithin tönendes „Sau tot“ aus
meinem Munde, dem ich noch einen lauten Juchzer folgen lasse. Die Jagd-
genossen komrnen rasch heran, und nachdem sie mir ihren Glückwunsch ausge-

--—-. Unsere

J. J. Weerts „Redner-Wettbewerb vor dem Kaiser Caligula in
Lyon“. Als der einsame Tiberius sein Leben beschlossen hatte, jubelte ganz
Rom dem neuen Herrscher zu, und mit kluger Berechnung suchte Caligula die
himmellodernden Flammen der Begeisterung zu schüren. Er überhäufte die Ver-
wandten der kaiserlichen Familie, gegen die Tiberius in mißtrauischer Grausam-
keit gewütet hatte, mit Ehren und Wohltaten und erließ eine allgemeine Amnestie.
Nie hatte Rom vorher einen ähnlichen Prunk gesehen. Rauschende Feste
wechselten mit glänzenden Spielen. Am Hofe feierte man wilde Orgien, und
wahllos gab sich der Kaiser schändlichen Ausschweifungen hin. Sein wüstes
Treiben warf ihn schließlich aufs Krankenlager, und das betrübte Volk schlich
jammernd um seinen Palast. Als der Herrscher von schwerem Leiden genas,
waren 400 Millionen Mark in einem Jahre vergeudet. Schrecklich hauste er jetzt
mit Mordstahl und Gift unter den Reichen, furchtbar saugte er das Volk aus.
Ritter und Senatoren mußten auf sein Geheiß Schulter an Schulter mit den Ver-
brechern kämpfen; voller Wollust genoß er die Qualen der zum Tode Bestimmten.
Unser Bild zeigt uns den Gewaltherrscher zu Lyon inmitten glänzender Fest-
versammlung beim Wettstreit der Redner. Wehe dem, der nicht durch sprudelnde
Beredsamkeit und gleißende Schmeichelworte den Siegeslorbeer erhascht; ein
Wink des Kaisers, rauhe Fäuste packen den Armen und stoßen ihn unbarmherzig
hinab in die gähnende Tiefe der Fluten. Nicht lange jedoch hat Caligula das
blutige Szepter geführt, nach kaum vier Jahren ereilte ihn sein Geschick. w.

* *

*

Erstürmung des Kirchhofs in Planchenoit bei Belle-Alliance.
Deutschland steht wieder im Zeichen jener großen Zeit, in der sich die Be-
freiung der schwerbedrückten Völker Europas aus dem Joch Napoleons voll-
zog. Mit Yorcks mannesmutiger Tat, dem Abschluß der Konvention von Tau-
roggen, begannen die Befreiungskriege. Ihren Abschluß fanden sie auf dem
blutgetränkten Gefilde von Waterloo — Belle-Alliance. Dort sank des großen
Korsen Stern endgültig, um in der Dunkelheit des Exils auf dem Eiland St. Helena
zu versinken. Den Höhepunkt der Schlacht bei Belle-Alliance bildete der Kampf
um das Dorf Planchenoit, dessen Entscheidung — die Wegnahme durch das
preußische Korps Bülow •— uns das Bild C. Röchlings vor Augen führt. Am
15. Juni 1815 waren die Preußen unter Blücher bei Ligny geschlagen worden.
Sie gingen auf Wavre zurück, sagten aber trotzdem den Engländern ihre Unter-
stützung auf den 18. Juni zu. Der englische Feldherr Wellington verließ sich
auch auf dieses Versprechen, obgleich seine Einlösung sehr schwierig schien.
An der Straße nach Brüssel bei Braine d’Allend—Papelotte nahnver Stellung.
Um die elfte Vormittagstunde begann Napoleon den Angriff. „Ich wollte, es
wäre Abend oder die Preußen kämen“, seufzte Wellington, als die französischen
Sturmangriffe seine Linien iminer mehr zu erschüttern drohten. Aber Blücher
hielt Wort. Um 1 Uhr trafen die Spitzen seiner Armee auf dem Schlachtfeld
ein. Um Y25 Uhr gelang es Bülow, die beiden Divisionen des Korps Lobau
auf Planchenoit zurückzuwerfen. Um dieses bereits im Rücken der Franzosen
gelegene Dorf entspann sich ein erbitterter Kampf. Napoleon wollte um jeden
Preis dem preußischen Angriff standhalten und die englische Stellung durch-
stoßen. Vergebens setzte er zwölf Bataillone seiner bisher zurückgehaltenen
Garde ein. Um 6 Uhr abends griff auch das preußische Korps Ziethen in die
Schlacht ein, und bald darauf fiel Planchenoit. Der rechte Flügel der Franzosen

sprochen haben, wird die gesamte Beute, die außer diesem Keiler noch aus drei
geringeren Stücken besteht, auf die Schlitten verladen, und fort geht es, was
die Pferde laufen können, zum kleir.en Bruch, in dem noch drei Stücke bestätigt
waren. Bei unserer Ankunft müssen wir aber leider konstatieren, daß die Sauen
herausgewechselt sind, die Jagd ist also heute für uns zu Ende.

Bei der Saujagd hat man es mit einem starken, wehrhaften Wilde zu tun,
und gerade das gibt ihr einen erhöhten Reiz. Die Gefahren der Jagd sind
vielfach überschätzt, aber auch oft unterschätzt worden; auf jeden Fall aber ist
dem Jäger zu empfehlen, bei der Verfolgung eines verwundeten Stückes die
ailergrößte Vorsicht anzuwenden. Das Schwarzwild ist das einzige größere
Nutzwild, das bei, uns für vogelfrei erklärt ist, das heißt, es hat gar keine Schon-
zeit. Diese dem Jäger nicht angenehme Maßregel ist ergriffen worden, weil es
der Landwirtschaft in der Tat ungeheuren Schaden verursacht. Anderseits
dürfen wir aber nicht vergessen, daß das Schwarzwild dem Forstwirt großen
Nutzen bringt, denn die Sauen sind die besten Vertilger der Raupen und Puppen
aller Forstschädlinge, die sie mit ihrer feinen Nase in der Erde wittern und, den
Boden umbrechend, mit Eifer herausholen. Trotz dieses Nutzens wären die
wehrhaften Gesellen in der freien Wildbahn schon längst ausgerottet, wenn sie
nicht vermöge ihrer außerordentlich scharfen Sinne, unter denen Geruch und
Gehör oben anstehen, sich vielen Verfolgungen entzögen. Sie sind durch die
fortwährenden Nachstellungen so außerordentlich mißtrauisch geworden, daß sie
heute, im Gegensatz zu früheren Zeiten, keine Zeit und keinen Wechsel mehr inne-
halten, bald hier, bald dort im Revier stehen und sich nur in dunklen stürmischen
Nächten aus dem schützenden Wald auf die Felder hinauswagen. Hauptsächlich
diesem Umstande haben sie ihre Erhaltung zu verdanken, so daß es auch in Zukunft
noch manchem Jäger vergönnt sein wird, auf das ritterliche Schwarzwild zu jagen.

Bilder. --

war damit eingedrückt. Diese traten den Rückzug an, der aber gar bald in eine
regellose Flucht ausartete. Blüchers Generalstabschef, General Gneisenau, führte
persönlich die Verfolgung, wohl die großartigste und nachdrücklichste, die die
Kriegsgeschichte kennt. Zur Erinnerung an den heldenmütigen Kampf der
Preußen bei Planchenoit steht nahe dem Dorf ein von König Friedrich Wilhelm III.
gestiftetes Denkmal, ein Obelisk, gekrönt von dem Wahrzeichen der Befreiungs-
kriege: dem eisernen Kreuz. Dr. Fritz Roeder.

* *

Jenes wandernde Völkchen, dessen Heimat und Ursprung der Sprache
man nicht kennt, und das in allen Ländern als Gast ruhelos umherzieht, gibt
Paul Meyerheim in seinem Gemälde „Zigeunerlager am Comer See“
bei der Rast wieder. Ein seltsamer Kontrast, die bunten, zerlumpten Gesellen
an der Pforte des Südens, dem Eingange zum Reiche Mignons zu sehen. In
bläulichem Dufte liegen die Alpen, silbern und vornehm blinkt der Sichelmond,
und unter den Oliven stehen die Zelte und Karren der Zigeuner, grast das ab-
getriebene Pferd und spielen die Kinder Karten, als wollten sie sich auf ihren
Beruf als Wahrsager und Betrüger vorbereiten. Diesen Zigeunern des offenen
Landes könnte man in der Stadt die Figur des „Stummelsuchers“, welcher
gleichfalls vom Bettel und den Abfällen der übrigen Menschen lebt, als Pendant
an die Seite stellen. Trentacottes gute Plastik gibt hierbei einen schlanken
Jüngling, der mit der Laterne am Boden sucht, in bester Modellierung wieder.

*

In die Kreise der Gesellschaft führt E. Gelhay in seinem Gemälde
„Wieder daheim“. Nach der ersten Reise, die sie von ihrem Gatten auf nur
wenige Tage getrennt hat, ist die jung verheiratete Frau zurückgekehrt. Nun
spielt sich in dem eleganten Salon eine Empfangsszene ab, als ob das Paar durch
Monate getrennt gewesen wäre. Von den Wänden aber scheint ein leises Lachen
über die klassisch verliebten jungen Ehegatten auszugehen.

Ein anmutiges temperamentvolles Damenporträt hat Paul Joanowitch
geschaffen, dessen geschmackvolle Malerei immer wieder die Aufmerksamkeit
zu fesseln weiß. Es stellt die bekannte Tänzerin „Fräulein Odys“ dar, deren
Kunst ja bekannt ist. Ausdrucksvoll blickt der feine Kopf mit den großen
Augen und den schönen rassigen Zügen. Der schlanke Körper sitzt in lässiger
Weise auf dem Polsterstühl und scheint dennoch bereit, elastisch emporzufedern.
Das Wesen einer Persönlichkeit ist hier gut zum Ausdruck gelangt.

*

An Attan Troll, Heines phiiosophischen Bären, wird man durch G. F. Rötigs
Gemälde „Bärengrazie“ erinnert. Nur daß es hier offenbar nicht der Bär in
höchsteigener Männlichkeit, sondern die Bärin ist, die dem täppisch-anmutigen
Treiben ihrer Kinder aufmerksam zusieht, damit sich der Spielzwist nicht
unversehens in ernsten Streit verwandle. Mit drolligen Bewegungen halten sich
zwei junge Bären gleich Ringern umschlungen, während der dritte gedanken-
voll und genußsüchtig an seiner Hinterpfote säugt.

Der hohe Zauber eines „Vorf rühlingstages “ am Fuße der Alpen, die
bläulich-weiß herüberragen, ist über das Gemälde des Münchners Hans Klatt
ausgegossen. Mit vollen Zügen möchte man die reine, erquickende Luft, die
über dieser Landschaft weht, nach den rauhen Wintertagen als Labsal einatmen.

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