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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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22. Heft
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MODERNE KUNST.

2idc-

Direktor Albert Carr6 als Schulreiter auf dem Schulpferd
Phot. Gerlach, Berlin.

fSirkusdirektor Albert Carre. Es
ist Künstlerblut, so „blau“, wie man
es nur Aristokraten zuspricht, das in den
Adern des noch jungen Zirkusdirektors
Albert Carre rollt, entstammt er doch einem
alten Artistengeschlecht. Die Geschichte
seines Zirkus läßt sich bis auf das Jahr 1790
zurückführen; damals begründete Joseph
Carrd den weltbekannten Zirkus, der jetzt,
als Wanderzirkus größten Genres, wieder
einmal Berlin aufsuchte, nachdem er in den
Jahren 1862—63 und 1864—65 die Reichs-
hauptstadt zum letzten Male besuchte. Von
den Vorfahren des jetzigen Direktors sind
besonders . Karl Theodor Wilhelm und
Oskar bemerkenswert. Der erstgenannte,
geboren 1817, begründete 1854 eineneigenen
Zirkus, nachdem er schon 1847 im Verein
mit dem Altmeister Ernst Renz und Albert
Salamonsky eine Gesellschaft ins Leben
gerufen hatte. Im Jahre 1863 baute Wilhelm
Carrd in Amsterdam einen eigenen ersten
Holzbau. Er war es auch, der, wie oben
erwähnt, in Berlin in den sechziger Jahren
spielte. Als er 1873 in Graz starb, folgte
ihm in der „Regierung“ sein Sohn Oskar,
der den Zirkus zur höchsten Blüte brachte.

Speziell in Holland und seit 1873 auch in
Wien gastierte Zirkus Carrö stets mit
größtem Erfolg. Nach einem Besuch des
holländischen Königs Wilhelm III. imjahre
1870 bekam der Direktor Oskar resp.
dessen Vater Wilhelm die Erlaubnis, sein
Unternehmen „Königlicher Niederländischer Zirkus“ titulieren zu dürfen. Im
Jahre 1911 übernahm Direktor Albert Carre die Direktion, nachdem sein Vater
Oskar Carre die Augen geschlossen hatte. Der noch Mitte der Dreißiger stehende
jetzige Chef des Hauses ist ein würdiger Erbe des glänzenden Namens. Ver-
heiratet mit Lola Schumann hat es Direktor Carrd verstanden, in den zwei
Jahren seiner Direktionstätigkeit außerordentliche Erfolge zu erzielen. Als
erster Künstler seines Hauses, ob als Schulreiter, Freiheitsdresseur oder Kunst-
schütze, bestreiten er sowohl wie seine junge anmutige Gattin den Hauptteil
des aus nicht weniger als 34 Piecen bestehenden Zirkusprogramms. Unser
Bild zeigt den sympathischen Künstler auf seinem schönsten Schulpferde, dem
„Walzertraum“. * * H-

*

Lucy Kieselhausen. Kurz vor Schluß der Saison debütierte im Theater-
saal der Königlichen Hochschule für Musik zu Berlin die jugendliche Tanz-
künstlerin, Fräulein Lucy Kie-
selhausen, die einer angesehe-
nen Wiener F amilie entstammt.

W enngleich ihre D arbietungen
mit der Kunst einer Isadora
Duncan, deren Rhythmus und
harmonisch vollendete Grazie
nur vonwenigen erreicht wird,
nicht zu vergleichen sind, wenn
sie natürlich noch weit ent-
fernt ist von der Höhe, auf
der eine Ruth St. Denis, eine
Pawlowa oder die Schwestern
Wiesenthal stehen, so ver-
einigt Lucy Kieselhausen in
ihrem schlanken und bieg-
samen Mädchenkörper immer-
hin große Anlagen für den
Kunsttanz. Auch ihr wohnt
gleichsam eine angeborene
Tanzlust gegenüber den rein
verstandesmäßigen Bestre-
bungen zur Ausübung dieser
Kunst inne. Das Schulmäßige,
das ihr im ganzen noch an-
haftet, wird sich im Laufe der
Zeit sicherlich verlieren, um-
somehr als natürliche Frische,

jugendliche Beweglichkeit und Elastizität,
Sinn für Rhythmus und Takt ganz unver-
kennbar sind. Der jungen Tanzkünstlerin
fehlt nur noch das letzte Attribut zur Mei-
sterin, nämlich die Technik der Muskeln,
und somit die restlose Beherrschung des
Körpers, wovon der eigentliche große Ein-
druck stets abhängig ist. Das Programm
war äußerst geschickt zusammengestellt
und wurde von einem geschmackvollen
musikalischen Rahmen umgeben. Die junge
Künstlerin erstrebt eine große Vielseitig-
keit. Ganz zweifellos liegt ihre größte Kraft
vorläufig noch im Anmutig-Zierlichen und
Kindlich-Idyllischen, während ihr Darbie-
tungen wie Liszts II. Rhapsodie noch nicht
vollendet gelingen wollen. Die Silhouette
„Altwiener Tanzspiel“, die sie mit Herrn Ro-
dolphe Pancheaud gemeinschaftlich spielte
und tanzte, wurde mit großem Beifall auf-
genommen; die nette Kinderszene mit dem
Teddybär aber rief stürmischen Beifall
hervor. Was jugendliche Anmut und an-
geborene Grazie boten, war des Beifalls
würdig, und es ist zu hoffen, daß die jugend-
liche Tänzerin mit ihren Zielen wächst.
Die geschmackvollen farbigenGewänder und
bunten Schleier, die die Künstlerin trug,
stammen von dem Maler Bayros; in dem
„Menuett“ wurde geradezu eine seiner lieb-
lichen Rokokofiguren lebendig. r.

. Walzertraum“.

Dasneue Kunstgebäude in Stuttgart. Professor Theodor Fischer, der
Schöpfer des neuen Stuttgarter Kunstgebäudes sah sich vor keine leichte Auf-
gabe gestellt, als ihm die Ausführung dieses Monumentalbaues übertragen wurde,
zu welchem der König von Württemberg den Grund und Boden stiftete und
außerdem auch noch ein Drittel der Baukosten trägt. Es galt da mancherlei
Schwierigkeiten zu überwinden, die einerseits in aer Lage des Gebäudes —
es stößt mit einer Schmalseite an den Schloßplatz, mit der Breitseite an den
Theaterplatz — und anderseits in der Vielseitigkeit der Interessen begründet sind,
denen der neue Bau dienen soll. In erster Linie soll das Gebäude natürlich ein
Kunsttempel sein, in dem die großen Kunstausstellungen stattfinden, dann muß
es aus Rentabilitätsgründen aber auch der Abhaltung von Festlichkeiten dienstbar
gemacht werden, und schließlich soll es dem „Künstlerbund“ ein dauerndes und
behagliches Heim gewähren. Von ausschlaggebendem Einfluß auf den Stil des
neuen Baues mußte das Königliche Schloß sein, das den Platz beherrscht. Und

doch sollte nicht Iediglich
eine Anpassung an die un-
mittelbare Umgebung, son-
dern bei möglichster Berück-
sichtigung der Massengliede-
rung auch eine gewisse Selb-
ständigkeit zum Ausdruck
kommen, die den Geist der
Zeit, in der der Bau entstan-
den ist, widerspiegelt. Den
günstigsten Eindruck von dem
neuen Kunstgebäude gewinnt
man jenseits des Platzes vom
alten Schloß. Die innere ar-
chitektonische Ausgestaltung
hat dem Kuppelsaal, dessen
Raumverhältnisse aufs sorg-
fältigste abgewogen sind,
einen besonderen Charakter
verliehen. Er darf mit Recht
als ein lebendiges Zeugnis
der schöpferischen Kraft
Theodor Fischers betrachtet
werden. Einem Durchmesser
von rund 24 Metern entspricht
dieselbe Höhe der inneren
Wölbung des Kuppeibaues.
Die Zentralbelichtung des

Phot. Frl. d’Ora, Wien.

2ac>c.

Die jugendliche Kunsttänzerin Lucy Kieselhausen.
 
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