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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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25. Heft
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Pieper, Wilhelm: Die große Düsseldorfer Kunstausstellung 1913, [1]: kritische Streifzüge
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Saltzwedel, Hans von: Frau Mytala, [8]: nach einer wahren Begebenheit erzählt
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0764

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MODERNE KUNST.

3'9

Klein-Diepolds „Garten" ist eine erstklassige Leistung modernster Maltechnik.
Der Maler der Industrie, Hans Baluschek, hat der Jury eine Szene aus einer
„Eisengießerei“ zur Verfiigung gestellt. Von Heinrich Hübner ist ein schönes
Interieur in vorwiegend blauen Tönen vorhanden, und Fritz Rhein trägt in seinem
Motiv „Wismar“ der neuen Strömung mit gut abgewägter Zurückhaltung Rech-
nung. Der allermodernsten Tendenz jedoch machen Theo v. Brockhusen, und
namentlich Max Pechstein teilweise sehr gewagte Konzessionen. „Die Flachland-
schaft“ und „Aus Nieuport“ von Theo v. Brockhusen weisen noch vereinzelte,
gute Momente auf, aber direkt abzulehnen ist seine „Havelbrücke im Gewitter“.
Auch Max Pechsteins „Leuchtturm“ kann als orientierender Meilenstein auf dem
Wege zu neuen künstlerischen Ausdrucksformen nicht ernst genommen werden.

Ein vorzügliches Debut gibt der Verein Berliner Künstler. Max Schlichtings
„Im Metropoltheater“ ist eine Sinfonie in Rot von exquisitem Geschmack. Zart
und duftig ist „Vorfrühling im Spreewald“ von Heinrich Schlotermann, wohin-
gegen Julius Jacob in seinem „Feldweg“ durch lichtvolle, kräftige Behandlung
auffällt. Die ein-
zelnen Details des
Bildes, so die
Bäume am Feld-
rain, sind gerade-
zu plastisch her-
ausgearbeitet.

Von guter Wir-
kung ist ferner
„Auf der Koppel“
von Karl Lang-
hammer. — Die
„Kirchweihe“

Friedrich Kall-
morgens und Al-
fred Liedkes „Kir-
meß“ sind äußerst
fein beobachtet
und virtuos wie-
dergegeben. Als
einen Altmeister
der Malkunst darf
man ohne wei-
teres O. Frenzel
ansprechen. Sein
Bild „Sylten-
marsch“ ist in
■der koloristischen
Stimmungskraft,
die zumal in
der blendenden
Wasserspiegelung
liegt, eine würdige
Leistung. Proben
ihres abgeklärten
Könnens geben
unter andern noch
A. Kampf (Zigeu-
nerin),ErnstKolbe

(Biedermeierzimmer), Wilhelm Gallhof (Versuchung des Ritters), und als Land-
schafter Alfred Scherres. Herbert Arnolds „Romanze“ ist ein in bläulichen
Schimmer getauchtes Märchen von phantastischer Schönheit und poetischem Reiz.

Lovis Corinth hat man eine Sonderausstellung eingeräumt. Wohl das
Überragendste an dieser teils derb-sinnlichen, teils blutig-brutalen Fleisch-

malerei ist sein „Paradies“ und die technisch auffallend glatt behandelte
„Geburt der Venus“.

Unter den Karlsruhern finden wir Hans v. Volkmann mit Landschaften in
bekannter Qualität vor, ferner Wilhelm Nagel, der als Landschafter gleichfalls
bedeutende Fähigkeiten bekundet, sowie F. Fehr, mit dem in der Zeichnung vorzüg-
lichen Gemälde „Dragoner in Parade“. Auch Hans Thoma ist mit zwei seiner
stimmungsvollen Landschaften vorhanden. Weitere Radierungen von seiner Hand
in der etwas abgelegenen graphischen Abteilung des Aussteliungspalastes zeigen
sein Streben auf eine Idealisierung des Natürlichen, unter Vermeidung irgend-
welcher süßlichen Effekte. Eine gewisse poetische Verklärung spricht aus all
seinen Werken, und darin liegt das Geheimnis seiner sympathischen Kunst, die
uns nicht nur den Maler, sondern auch den Menschen Thoma wert macht.

Zum Vorwurf für seine flotte Mal- und Zeichenkunst hat sich Franz Charlet-
Brüssel das kernig-putzige Fischervölkchen der westlichen Nordseeküste ge-
nommen. Sein Kolossalgemälde „ Holländische Fischerfamilie “ beherrscht die

beiden Säle der
Belgier. Mit we-
nigen nonchalant
hingeworfenen
Strichen betont
er das Charakte-
ristikum seiner
Strandleute, die
drallen Gestalten,
die drolligen
Pausbacken und
Kinderstumpfnäs-
chen und der
Alten unyerwüst-
liches Pflegma,
das seine gemüt-
liche Rückwir-
kung schon in der
niedlich-unbehol-
fenen Schuster-
und Schneider-
kunst jenes ur-
wüchsigen
Menschenschlags
äußert. „ AusNotre
Dame in Paris“
spricht des Künst-
lers Vielseitigkeit.
Der unerschöpf-
lichen Fundgrube
des holländischcn
Milieus entnimmt
auch Jacob Srnitz
seineMotive. Sein
„interieur“ hul-
digt dem neuzeit-
iichen Genre, ist
indes frei von
al len Aus wüchsen

und bietet sich in der kräftigen Linienführung dem Auge sehr gefällig dar. Die
gleiche vorzügliche Technik, nur eine gedämpftere Beleuchtung vertritt der
bekannte Brüsseler H. Cassiers in seinen verschiedenen Werken. Die „Ausfahrt
zum Fischfang“ von Franz Hens und „Indische Matrosen“ von Victor Hage-
mann sind in Beobachtung und Ausführung hervorragend gehandhabt.

Fritz Gärtner: Rauhreif. Große Kunstausstellung Düsseldorf 1913.

c"

Frau Myfala.

Nach einer wahren Begebenheit erzählt von Hans von Saitzwedel.

[Fortsetzung.] -

er „Uralte“ als schmachtender Liebhaber war ja — nun ja, war
ja wohl fein bißchen lächerlich; aber —■ du lieber Himmel —
liat nicht schon manch alter Esel den schmachtenden Liebhaber
gespielt? Und gar zu lange würde ich ja die wenig angenehme Rolle
auch nicht zu spielen brauchen. — Am Geburtstage der Holden sollte die
Bombe platzeni — Ein kleines Gartenfest sollte die Gelegenheit dafür
bieten. •— Mama Frohgemut ging mit Feuereifer auf meine Piäne bezüg-
lich des Gartenfestes ein, und aus einem verständnisinnigen Biick ihrer
wohlwollenden Äuglein glaubte ich zu ersehen, daß sie meine dabei ge-
hegte Nebenabsicht wohl durchschaute und rückhaltlos billigte.

In meinem ganzen Leben hatte ich noch kein Fest veranstaltet; weder

- Copyright 1913 by Rich. Bong.

ein Stuben- noch ein Gartenfest, und somit zerbrach ich mir denn einige
Tage hindurch vergeblich den Kopf darüber, wie ich das anzufangen hätte.
So war schließlich der Sonnabend herangekommen, und Montag darauf
war der Geburtstag.

Ich saß in der Weinstube am Fenster hinter meinem gewohnten
Fläschchen Nisi und wollte mich über meinen beschämenden Mangel an
Erfindungsgabe ärgern, während ich grübelnd auf den sonnenbeschienenen,
menschenleeren Marktplatz hinausstierte.

Das flimmernde Sonnenlicht, das über der stillen Menschenleere wie
Spinngewebe lag, wirkte so eigentümlich einschläfernd, daß mir ganz
traumhaft zu Sinne wurde. Und wie im Traume wunderte ich mich
 
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