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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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7. Heft
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Collani, Eva: Der Rauhreif
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g6

MODERNE KUNST.

T)er 3unker Tjauhreif l^am ins üaad gezogen
Jüeis’ über jNacht •— die €rde träumte tief,

)\ls sie erwachte — als die Sonne rief,
plickl strahlend sie empor zum Tjimmelsbogen!

Vie eine ]3raut zur schönsten Tfochzeitsfeier
Tjat er geschmückt die graue dunkle Welt,

Znm h^rönungsmantel ward das weite feld,

Önd wie ein pestsaal glänzt und strahlt der Weiher.

€in piadem von lichten perlenkränzen
üiegt bräutlich in der €rde Silberhaar,
pas gestern schmucklos noch und dunkel war,
ünd tausend Diamanten glühn und glänzen!

j)as ist ein üeuchten, Sprühen, ist ein plimmern,
Xacht in die Schönheit plarer Sonnenschein! —
Tjelleuchtend blickt der Tfimmel blau hinein,

Ünd sieht die Velt als jViärchenwunder schimmern!

pa tropft es leise schon vom paum hernieder —
j)er Junker "pauhreif lächelt tröstend weich:

„jTun muss ich weiter, in mein h\önigreich —
poch warte, schöne Velt — batd kehr’ ich wieder!“

• (Jnscrc

in seltsames Doppelgesicht hat Weihnachten. Draußen die Natur ist unter
einer Decke von Schnee und Eis in Schlaf gesunken, wie dies E. Sturte-
vant auf dem stimmungsreichen Titelbilde unsrer Weihnachtsnummer fest-
gehalten hat. Währenddem herrscht in den Städten das lebendigste Treiben.
Ist doch Weihnachten nach dem Worte der Engel, „Und den Menschen ein
Wohlgefallen!“ das Fest der Freude. Im Familienkreise begeht man es, und
neue Familienbande werden gern an diesem Tage geknüpft oder doch die
Zusammengehörigkeit zweier Herzen, die sich gefunden haben, zu Weihnachten
der Öffentlichkeit mitgeteilt. „Also Punkt 7 Uhr ist die Bescherung!“ ruft
auf E. H. Zirkels Bilde die junge Braut glücklich ihrem Bräutigam durch
das Telephon zu. Aber auch bei den Menschen hat dieses Fest ein Doppel-
gesicht, denn „Ehre sei Gott in der Höhe!“ haben die Weihnachtsengel gleich-
falls gelehrt. Mit der Festesfreude schreitet die Erhebung im edelsten Sinne
an der Hand. Sie hat Edgar Maxence auf seinem Gemälde „Andacht“ in
der ernst-ruhigen, betenden Frau festgehalten, deren Tracht in das Burgund der
Vergangenheit weist. Im Gegen-
satz hierzu schildert Nicolas
Sicard „Am Zahltag vor
Weihnachten“ ein armes
Weib, das in der bittersten
Not des Alltags befangen ist
und durch die Scheiben in die
Schenke starrt, ob ihr Mann
auch diesmal seinen Lohn hier
vergeuden wird.

*

Der Mahnung „UndFriede
auf Erden“ war der Winter
1812 nicht gefolgt, da Napoleons
große Armee aus Rußland
flüchtete. Es gab noch keine
Eisenbahnen, es gab noch keinen
Telegraphen, und so mußte
jeder Befehl von einem Heeres-
teil zum andern und jede Ver-
bindung nach rückwärts — nach
dem Heimatlande — durch so-
genannte Kuriere besorgt wer-
den. Da diese Kuriere Schlacht-
pläne und andere wichtige Nach-
richten beförderten, war es für
den Feind von höchster Be-
deutung, einen solchen Boten
abzufangen. Auf Jan V. Chel-
minskis Bilde „Verfolgung
eines Kuriers im Winter
1812“ jagt ein französischer Offi-
zier auf leichtem Wagen mit
Windeseile dahin; nurSekunden
wird es noch dauern, bis über
sein Schicksal entschieden ist.

%\ldcr.

Händels Eltern haben wohl keine Liebe zur Musik gehabt. Dagegen wuchs
sie in dem Kinde in solchem Grade, daß der Vater, der den Sohn für das
Studium der Rechte bestimmt hatte, ihm jede Musikübung streng untersagte und
ihm alle Instrumente fortnahm. Aber „der junge Händel“ musizierte heimlich.
Ein Clavichord, das Inst.rument, das in jener Zeit den Flügel vertrat, ward in
einer Dachkammer untergebracht. Das Geräusch des Spiels war bei diesem
Instrumente so schwach, daß es über den Raum eines mäßigen Zimmers nicht
hinausdrang. Dennoch entdeckte der Vater das Geheimnis nach einiger Zeit.
Eine Laterne in der hocherhobenen Rechten, gefolgt von der Mutter und den
übrigen Hausgenossen, drang er in die Dachkammer ein, wo der Knabe im
Dunkeln übte, wie dies M. J. Dicksee auf seinem Bilde zeigt.

* *

*

Setzt in Ostpreußen die frühe Zeit des Schneefalls ein, so beginnt für die
Forstbeamten der weiten Waldgebiete eine intensive Tätigkeit. Besonders gilt
dies von dem großen kaiserlichen Jagdrevier Rominten. Von der Fütterung des

Wildes abgesehen, orientieren
sich die Beamten auch genau
darüber, von welchen Kapital-
hirschen die einzelnen Futter-
stellen angenommen worden
sind. In Begleitung des fährten-
sicheren Gebrauchshundes tritt
derFörster frühmorgens denRe-
viergang an. Schwer lastet der
Schnee auf Baum und Strauch.
Jede kreuzende Fährte wird
genau untersucht; da, auf ein-
mal wird der Hund unruhig,
er markiert eine starke Fährte
auffallend, und bei näherem Zu-
sehen findet der Forstmann
roten Schweiß neben der Fährte
in Tropfen uhd Spritzern, die
sich klar von der weißen
Schneedecke abheben. Aufs
äußerste erregt folgt der Förster
dem ruhig der Rotfährte nach-
ziehenden Hunde durch den
dichten Bestand, und bald steht
er vordem verendetenSechzehn-
ender, der hier, wie dies
Richard Frieses Bild „Win-
ter in der Rominter Heide “
zeigt, tot im Schnee zusammen-
gebrochen ist. Ist der Hirsch
an einer Verletzungeingegangen;
die ihm schon vor Wochen ein
Rivale beigebracht, oder hat ihn
die Kugel eines Wilderers ge-
streckt? Die Untersuchung wird
bald Antwort geben. Si.

Walter Hauschild: Babyköpfchen. Holzplastik.
 
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