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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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10. Heft
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Pâte sur pâte
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Harten-Hoencke, Toni: Im Sturm
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Päte sur päte.

Hie keramische Kunst hat in den letzten Jahrzehnten glänzende Fortschritte
gemacht. Sehr wesentlich ist an diesem erfreulichen Aufschwunge
das Porzellan beteiligt. Es werden mit leicht schmelzbaren Porzellan-
massen und mit neuen anorganischen Unterglasurfarben und farbigen Glasuren,
die dem Scharffeuer standhalten, die brillantesten Wirkungen erzielt. Konnte
früher nur Kobaltblau als Unterglasurfarbe Verwendung finden, so bietet sich
jetzt eine erheblich reichere Palette dar. Obenan steht ein Kupferrot, das sich
im Brande je nach Wunsch des Keramikers auch in prachtvolle graue, grüniiche
und vioiette Töne umwandeln läßt. Aus einer stattlichen Anzahl edelster Ver-
zierungsweisen tritt besonders Päte sur päte hervor. Seine Technik ist mehr
und mehr vervollkommnet worden, so daß sich jetzt mit ihm Reize entwickeln
lassen, die denen der berühmten Emails von Limoges und der schönsten eng-
lischen Wedgwoods überlegen sind. Von der blauen, grauen, rosa- oder seladon-
farbenen Glasurfläche eines Porzellantellers heben sich formenschön zarte weiße
Flachreliefs, meist leicht bewegte Kompositionen klassisch gewandeter, graziöser
Frauengestalten, ab, deren kräftigere Partien undurchsichtig und mithin rein-weiß
gsblieben sind, während die dünneren Partien den farbigen Glasurgrund mehr
oder weniger dunkel durchschimmern lassen. Das ergibt eine Fülle feiner und
feinster Tonabstufungen und mithin eine malerische Gesamtwirkung, die mit
der Leistung eines vorzüglich geführten Pinsels wetteifern kann. Wahrhaft er-
staunlich ist es, bis zu welcher florartigen Feinheit die Gewänder behandelt
sind — sie umspielen die Gestalten mit höchster Leichtigkeit und Eleganz.

Überhaupt erscheint das ganze Flachrelief, das an seinen höchsten Stellen
etwa die Dicke eines Messerrückens besitzt, wie hingehaucht. Wie die Her-
stellung eines solchen Reliefs mit seinen außerordentlichen Verkürzungen un-

gemein schwierig ist und einen tüchtigen Künstler verlangt, so auch der ganze
technische Prozeß. Das zarte Relief muß aus Porzellanbrei der farbigen Glasur-
fläche aufmodelliert und aufgebrannt werden, ohne diese zu verletzen. Das Auf-
brennen erfordert eine Hitze, die so genau fixiert ist, daß sie das Relief hart
brennt und zugleich die Glasur soweit erweicht, um mit dem Relief eine
feste Verbindurig eingehen zu können. Weiter ist zu berücksichtigen, daß im
Brande das Reliei utn einen. gewissen Prozentsatz sich zusammenzieht. Anderer
Schwierigkeiten nicht zu gedenken. Genug, es gehören feines künstlerisches
Verständnis, lange Erfahrung und große Geschicklichkeit dazu, um schöne, voll-
wertige Leistungen in Päte sur päte hervorzubringen. Ihren Anfang nahm diese
Verzierungsweise vor Jahren in Paris, wo sie Solon mit anerkennenswerter
Virtuosität übte. Minton holte sich den Künstler für sein keramisches Institut
nach England hinüber. Später wandten auch andere Manufakturen Europas
ihre Aufmerksamkeit dem Päte sur päte zu. Heute ringen um die Palme der
Meisterschaft Berlin, Sevres, Meissen und Kopenhagen. Natürlich sind die Preise
nicht billig — ein kleiner Teller in edelster Ausführung zu achtzig oder hundert
Mark zeigt zur Genüge, daß sich nicht jeder solche Kostbarkeit leisten kann. Es
handelt sich eben um einen künstlerisch ausgeführten Luxusgegenstand, der
für den profanen Gebrauch nicht berechnet ist. Auch muß in Anschlag gebracht
werden, daß bei solchen schwierigen Dekorationsprozessen manches für den
Verkauf ungeeignete Fehlexemplar erzeugt wird. Mit absoluter Sicherheit läßt
sich ja ein günstiges Ergebnis niemals vorausbestimmen, genügt doch oft eine
Kleinigkeit, um alle angewandte Mühe erfolglos zu machen. Um so größer die
Freude, wenn eine solche Kunstleistung ohne irgendwelche Mängel, ohne Ver-
ziehungen, Trübungen, Flecken und Haarrisse, aus dem Ofen herauskommt. s.

Ö weh, mein Tjerz, schon wieder Sturm und ßfand?
pie Veiten deiner tymmel rot in Gluten —

Und aus der Üie/e braust’s von schweren pluten —
Ö weh, mein T^erz!

Jm 5turm.

Von üoni ijarien-fjoencks.

Sangst du nicht eben noch ein )\bendlied
Qnd wiegtest dich auj stillen Weltenmeeren
Sn san/tem Jüicht, umschwebt von /rommen Chören,
jVfein T/erz?

So ist denn ewger prieden ewig Vahn?

€in Windstoss, und das Ürugbild ist zerrissen
Qnd l^amp/ und Öual die wilde fahne hissen —?
Ö weh, mein ijerz!

j)u wankst, du zitterst bis zum Xebensgrund!
Gewaltig brach es über pir zusammen —

Ijalt aus! Tjalt/est! puträgst ausSturm und flammen

)\m €nde doch des Siegers ßeutestück
2u altem Xebensschatz: ein neues 6lüc); -
Tjalt aus, mein Tjerz!

Ünsere

JQ

J' j us dem Gcbiete der Allegorie hat Joseph Magr die inhaltsvollen Figuren

zu seinem Relief geschöpft, das sich am Leipziger Museum befindet. „Das

Schicksal“ stellt es dar, das ewigwaltende in seiner unerbittlichen Gerechtigkeit,

womit es dem Menschen das Leben zur Freude und zum Triumph oder zum

Sklavendienst und zur Qual macht. Eine hohe Frauengestalt nimmt die Mitte

der Komposition ein: große Fledermausflügel recken sich hinter ihr empor, denn

aus der Unergründlichkeit der Nacht scheint sie herabgestiegen. Zu ihrer Linken

schreitet ein aufgerichteter Knabe fröhlich die Stufen ins Leben hinab; dankend

streckt er seine Flände zu ihr empor, die ihm ein so glückliches Los beschieden hat.

Das Schicksal hält eine Lorbeerkrone über seinem Haupte; die Krone der Macht

umschließen seine eigenen Firiger, Blumen und Palmen sind auf seinen Weg ge-

streut. An der andern Seite der Frauengestalt kauert in Fesseln ein Knabe

auf der Erde, dem ein herbes, dienendes Schicksal bestimmt scheint. Von oben

leuchtet die Sonne mit ihren Strahlen auf beide herab, und eine sphinxartige

Gestalt wird im Hintergrunde sichtbar, welche die Fragen des Lebens verkörpert.

. * *

*

Auch Martin Goetze hat einem rätselhaften Begriff in seiner Plastik „Das
Geheimnis“ menschliche Züge verliehen. Ein jugendliches weibliches Wesen
von hoher Schönheit schreitet vorgebeugt, träumend und behutsam spähend da-
hin, als lauschte sie heimlich Verborgenem. Dabei ist Antlitz und Körper von
schönstem Ausdruck durchseelt. So reiht sich diese Plastik den übrigen Arbeiten
Goetzes, des Schöpfers des Hardenbergdenkmals in Berlin, von dem auch aus-
gezeichnete Büsten wie die des Grafen von Waldersee, des Königs von Württem-
berg, des Königs Albert von Sachsen usw. stammen, würdig an. Dieser Künstler,
der durch seine hohe Begabung den Weg vom schlichten Weberlehriing zum
Plastiker nahm, gehört zu den würdigsten Vertretern seiner Kunst.

* *

Eine „Episode aus der Schlacht von Waterloo“, freilich im französi-
schen Geist erfaßt, gibt H. Charlier in seinem Gemälde wieder. Bekanntlich hat
sich Napoleon auch in diesen Tagen, die-dem Ende seiner Herrschaft vorangingen,
wie ein Löwe gewehrt. Es gelang ihm, die Reihen der Engländer, Niederländer
und deutschen Truppen, die ihm bei Belle-Alliance unter Wellingtons Führung

5 i 1 d e r.

gegenüberstanden, aufs äußerste zu erschüttern. Diesem Augenblick hat Charlier
Ausdruck verliehen, indem er Napoleon an der Spitze seiner Reiterei darstel.lt,
wie er die Feinde verfolgt. Aber die zähe Kaltbiütigkeit Wellingtons hielt trotz
der Erschütterung der Armee stand, bis Blücher mit seinen Preußen am Nach-
mittag eintraf und diese blutige Schlacht endgültig entschied.

Aus der Geschichte hat auch L. Fontane den Stoff zu seinem Gemälde
„Pvfazeppa“ entnommen. Aus Eifersucht ließ ein polnischer Magnat diesen
späteren Kosakenhetmann auf den Rüclcen seines eignen Pferdes binden und
dieses gepeitscht davonjagen, damit er den Tod fände. Dem Schicksal wurde
damit Mazeppa überantwortet und etwas Schicksalsmäßiges liegt in der großen
Gestalt des sich bäumenden Pferdes, wie es L. Fontane auf seinem Gemälde
darstellt. Aber Mazeppa fand nicht den Tod, sondern wurde von dem Pferde
nach der Ukraine gebracht, wo er seiner künftigen Macht als ein Günstling des
Zaren Peter entgegenging.

*

Idyllischere Szenen haben Carl Zewy und M. Schaefer in ihren Gemälden
„Introduktion“ und „Unbelauscht“ festgehalten. Der eine gibt ein junges
Paar im hellen Zimmer wieder, während die Finger des Mädchens verloren über das
Clavicimbel gleiten und die Augen des Jünglings, der die Geige in der Hand hält,
liebevoll an ihr hangen. Die Frühlingssonne lacht draußen, und ein blühender Strauß
von Blumen steht vor ihnen. M. Schaefer schildert einen geschmackvollen Bieder-
meiersa'lon, dessen Stille zwei Liebende, die sich von der Gesellschaft entfernt
haben, benutzen, um sich einen Augenblick lang glücklich in die Arme zu sinken.

Stadtschönheit und Landschaftsnatur haben Gotthard Kuehl und A. Kauf-
mann die Anregung für ihre Gemälde gegeben. Zu welchem reizvollen Farben-
spiel hat Gotthard Kuehl den „Markt inDresden“, der sich hinter der Frauen-
kirche ausbreitet, verwandelt. A. Kaufmann führt in die Stille der Winternatur
bei „Frostwetter“ heraus, wenn sich der Schnee auf die Bäume gesenkt hat,
das Wasser nur mühsam durch die Wiese hindurchsickert und die schwarzen
Krähen über der weißen Erde fliegen.
 
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